Originally published at: Warum Mailinglisten "kaputt" sind • Verein für Computergenealogie e.V. (CompGen)
Eine andere Welt
Seit gut 25 Jahren betreiben wir beim Verein für Computergenealogie (CompGen) Mailinglisten. Damals war das Internet ein anderes als heute. Im Verein war eine kleine, in der Regel technisch versierte, Gruppe von Menschen – man kannte sich. Spam, Malware, Phishing, Randomware usw. waren noch nicht bekannt. Und auch der Datenschutz war damals noch kein Thema: So wie es früher zum guten Ton gehörte, dass man in Adressbüchern zu finden ist, so wollte man auch im Internet mit Klarnamen und E-Mail-Adresse gefunden werden. Technische Protokolle waren einfach gestrickt – man war ja unter sich. Aber die Zeiten haben sich gewandelt, und daher hat sich auch im Bereich E-Mail einiges getan. Neue Nutzergruppen, die den Weg ins Internet gefunden haben, sind nicht mehr so sehr mit den etablierten Vorgehensweisen vertraut. Aber auch technisch ist der Betrieb von Mailinglisten schwieriger geworden – schließlich verschicken auch Spammer schnell hintereinander gleichlautende Nachrichten an viele Empfänger.
Ein paar der Probleme, die sich bei (den alten) Mailinglisten ergeben, möchte ich hier vorstellen:
Themenwechsel in einem Thread
Ein gutes E-Mail-Programm bietet die Möglichkeit, Nachrichten in einer strukturierten Thread-Ansicht darzustellen. Da sieht man sehr schnell, wer auf wen antwortet und an welcher Stelle die Diskussion interessant ist. In der Regel hat man auch die Möglichkeit, Threads ganz oder teilweise zu ignorieren, wenn das Thema nicht interessiert. Daher nervt es sehr, wenn ein Thread „gekapert“ wird, weil jemand das System nicht verstanden hat und/oder zu faul ist, die E-Mail-Adresse der Mailingliste einzugeben. Es wird einfach auf „Antworten“ geklickt und der Betreff geändert. Dadurch wechselt das Thema aber plötzlich mitten innerhalb eines Threads. Entweder verpasse ich nun ein spannendes Thema, weil ich den Thread ignoriert habe, oder es nervt ein für mich uninteressantes Thema in einem Thread, zu dem ich mich besonders benachrichtigen lasse.
Kaputte Threads
Genauso nervig wie das „Kapern“ von Threads ist das Zerstören von Threads. In der Regel passiert das durch fehlerhafte E-Mail-Programme, die das Antworten auf E-Mails nicht korrekt umsetzen. Das sieht dann so aus:
Durch solche zerhackte Threads ist das Folgen eines Themas kaum noch möglich. Alte E-Mail überholen neue, und Zitate werden völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Ebenfalls ist es kaum möglich, Themen zu ignorieren – immer wieder taucht das Thema als vermeintlich neu auf.
Das Problem gab es schon in den Anfangstagen des Internet; es, war dann aber relativ schnell behoben – selbst Microsoft Outlook hatte das im Griff. Nun aber hat das Problem wieder zugenommen. Vermutlich sind E-Mail-Programme auf Smartphones oder Webmailer Schuld an der Misere.
Defekte Zeichenkodierung
Ein weiteres, lange gelöst geglaubtes Problem ist die Kodierung von Umlauten und ähnlichen Zeichen, die nicht in der American Standard Code for Information Interchange (ASCII) Zeichenkodierung enthalten sind. Dieses Bild haben vermutlich schon die meisten gesehen:
Es gab immer mal wieder ein paar E-Mail-Programme, die berühmt-berüchtigt für falsche Zeichenkodierung waren, aber in der letzten Zeit kommt es mir so vor, als würde das Problem wieder zunehmen. Auch hier habe ich schlecht gemachte Smartphone-Programme und Webmailer im Verdacht.
„via“-Absender
Ein weiteres Ärgernis sind die quasi-anonymen Nachrichten in Mailinglisten mit einem Absender, wie hier „Karl-Heinz via FamNord“:
Man muss schon sehr genau in die technischen Details blicken, um die Adresse des Absender doch noch irgendwo in den E-Mail-Kopfzeilen zu finden. Manche E-Mail-Programme machen das sogar unmöglich, so dass man hier gar nicht persönlich antworten kann.
Die Hintergründe zu dem Problem zu klären, würde den Rahmen dieses Blogbeitrags sprengen. Ich versuche es mit einer groben Skizze: Viele große Provider haben (sinnvolle) Maßnahmen und Regel zur Abwehr von Spam umgesetzt. Eine solche Regel besagt z.B., dass bestimmte E-Mail-Adresse nur von passenden E-Mail-Servern versendet werden können. Da unser Mailman-Server aber logischerweise nicht der passende E-Mail-Server ist (wir sind ja genealogy.net bzw. compgen.de und nicht googlemail.com oder web.de), werden die Nachrichten abgewiesen. Das löst wiederum ein technisches „Ping-Pong-Spiel“ aus, das am Ende sehr negative Folgen für die Mailingliste hat. Um dieses „Ping-Pong-Spiel“ zu beenden, muss dann die Original-Adresse verworfen und durch eine genealogy.net-Adresse ersetzt werden.
Nachrichtensammlungen (bzw. die Antworten darauf)
Dieses Problem ist eigentlich nicht neu, sondern ein eingebautes Ärgernis von Mailman. Man kann sich nämlich einen sogenannten Digest mit einer Sammlung mehrerer E-Mail zustellen lassen. Vor Jahrzehnten, als Bandbreite noch sehr begrenzt war, konnte man so ein paar hundert Byte (!) bei den E-Mail-Kopfzeilen und dem POP3-Abruf sparen. Das Problem tritt dann auf, wenn man auf eine solche Sammlung antwortet. Das sieht dann – kryptisch – so aus:
Und genau so liest es sich auch. Die Betreffzeile ist nichtssagend, der Thread ist kaputt (siehe oben), und man erkennt in der Regel nur schwer, worum es überhaupt geht. Zu allem Überfluss wird dann oft auch noch der gesamte gesammelte Text mitgeschickt, so dass viele unnötige Daten versandt werden.
TOFU
Auch „TOFU“ ist ein Problem – nicht nur in Mailinglisten! Dort kann es aber besonders störend sein, da so viele Personen beteiligt sind. Ich meine hier nicht das in Deutschland zeitweise sogar verbotene Lebensmittel aus Soja, sondern die Unart von „Text oben Vollzitat unten“ (auf Englisch Text Over, Fullquote Under ergibt dann die Abkürzung TOFU). Details dazu gibt es im Wikipedia-Artikel zu TOFU.
Adressklau
Um dieses Problem zu erklären, muss ich etwas weiter ausholen: Wie kommen Spammer und Versender von Schadsoftware eigentlich an E-Mail-Adressen? Sie sammeln sie nicht von Webseiten ein, wie so oft vermutet, und wie es tatsächlich vor vielen Jahren gemacht wurde. Heute läuft es anders: Über mit Schadsoftware infizierte Computer werden die Adressbücher und Listen empfangener E-Mail-Adressen direkt von den Nutzern eingesammelt. Wenn sich nun also ein Listenteilnehmer einen Schädling eingefangen hat (und das passiert immer wieder), dann wandern alle Adressen der Personen, die in der Liste geschrieben haben, direkt an die Bösewichte. Schließlich ist die Absender-Adresse in jeder Nachricht enthalten – außer bei dem oben erwähnten Problem der „via„-Adressen, bei denen man gar nicht antworten kann.
Was kann man – was können wir – tun?
Bei CompGen haben wir uns unter anderem auf Grund dieser Probleme entschieden, die offenen genealogischen Mailinglisten von der Software Mailman auf die Software Discourse umzustellen. Dort treten nämlich viele der Probleme („via“-Adressen, Adressbuchklau) nicht auf, bzw. sie lassen sich leicht korrigieren (z.B. kaputte Threads oder Themenwechsel).
Schauen Sie sich bei unserer Kommunikationsplattform von und für Familienforscher auf Basis von Discourse um, und entdecken Sie die (neuen) Möglichkeiten dort!