Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland nach 1815

Liebe Mittelpolen-Freunde,

   weiß jemand zufällig, wie stark nach 1815 die Verbindungen der
   mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland waren?
   Bedauerten sie, ab 1815 zu Russland zu gehören?
   Bemühten sie sich um Beziehungen nach Preußen?
   Schickten sie ihre Töchter "in Stellung" nach Berlin oder in andere
   deutsche Großstädte?
   Machten die Handwerker-Söhne ihre Lehre in deutschen Ländern?

   Mit herzlichen Grüßen,
   Andreas Theurer

Lieber Andreas,

nur kurz: Die Zuwanderer waren Wirtschaftsmigranten aus zahlreichen deutschsprachigen Ländern. Der Gang nach Russland war nach 1815 eine bewusste Auswanderungsentscheidung. Zumindest bei den Migranten aus Böhmen und Schlesien lag vielfach eine Mehrsprachigkeit vor. Zu fragen wäre deshalb, sahen sich die Zuwanderer überhaupt als "Deutsche"? Und wenn ja, ab wann? Oder nicht stärker als Sachsen, Schlesier, Böhmen (Österreich-Orientierung?), Polendeutsche, Deutschpolen... Die neuere Forschung (Winson Chu) geht von einer "Fabrikation" von Deutschen erst im 20. Jh. aus. Ich schreibe gerade ein Buch über Lodz und würde mich dem anschließen.

Bei den Protestanten ist weiterhin zu berücksichtigen, dass mit dem Abschluss der Altpreußischen Union (1817/1834) die kirchlichen Grenzen wuchsen. Durch das Studium in Dorpat kamen Theologiestudenten mit ganz anderen Milieus in Verbindung (darüber übrigens auch teilweise Polonisierung).

Die Verbindungen nach Berlin wurden erst mit dem Aufstieg Berlins zu einer europäischen Metropole im letzten Drittel des 19. Jh.s stärker. Zu berücksichtigen wären auf jeden Fall Verbindungen nach Breslau (nächste deutschsprachige Großstadt), nach Oberschlesien (Kohleabhängigkeit in Lodz in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s) oder nach Wien (österreichische Textilindustrie).

Als das müsste diskutiert werden, ich sehe auf jeden Fall die älteren Auffassungen der deutschnationalen Geschichtsschreibung kritisch.

Beste Grüße

Hans-Jürgen Bömelburg

Hallo Hans-Jürgen,interessante Diskussion. Als Hobby Regionalgeschichtsinteressierter für Stadt und Kreis Gostynin habe ich mich in den letzten Jahren besonders für die Herkunft der Kolonisten interessiert und arbeite da noch ständig dran. Schwerpunkt liegt naturgemäß auf der Bestandssicherung und Erhaltung des evangelischen Friedhofs in Gostynin. Die Ergebnisse kann man in der Friedhofsgruppe ansehen.Meiner Meinung nach fühlten sie sich nicht als "Deutsche" sondern als Schwaben, Baiern, Mecklenburger usw. Ihren Dörfern (Siedlungsorten)  gaben sie die Namen ihrer Herkunftsorte. Z.B. Neu Dietlingen, Leonberg. Dort, wo der Pastor nicht genau wusste woher sie kamen - da waren es Preußen " z Prusy" , aber niemals Deutsche. Sie wurden auch Olender (Holländer) als Sammelbegriff für die ersten Siedler genannt. Zur Zeit versuche ich die Kirchenbücher der Jahre 1810 bis 1856 in dieser Richtung zu nutzen, auszuwerten. Interessante Geschichte.Zu Lodz würde mich interessieren, ob es Hinweise zur Abwanderung von Gostynin nach Lodz gibt. Das sollte nach 1867 geschehen sein.Grüße aus GostyninGüntherTemat: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland nach 1815Data: 2021-06-10 13:04Nadawca: "Bömelburg, Hans-Jürgen" Adresat: "AndreasTheurer@web.de" ; "mittelpolen-l@genealogy.net" ; > Lieber Andreas,
>
> nur kurz: Die Zuwanderer waren Wirtschaftsmigranten aus zahlreichen deutschsprachigen Ländern. Der Gang nach Russland war nach 1815 eine bewusste Auswanderungsentscheidung. Zumindest bei den Migranten aus Böhmen und Schlesien lag vielfach eine Mehrsprachigkeit vor. Zu fragen wäre deshalb, sahen sich die Zuwanderer überhaupt als "Deutsche"? Und wenn ja, ab wann? Oder nicht stärker als Sachsen, Schlesier, Böhmen (Österreich-Orientierung?), Polendeutsche, Deutschpolen... Die neuere Forschung (Winson Chu) geht von einer "Fabrikation" von Deutschen erst im 20. Jh. aus. Ich schreibe gerade ein Buch über Lodz und würde mich dem anschließen.
>
>
> Bei den Protestanten ist weiterhin zu berücksichtigen, dass mit dem Abschluss der Altpreußischen Union (1817/1834) die kirchlichen Grenzen wuchsen. Durch das Studium in Dorpat kamen Theologiestudenten mit ganz anderen Milieus in Verbindung (darüber übrigens auch teilweise Polonisierung).
>
>
> Die Verbindungen nach Berlin wurden erst mit dem Aufstieg Berlins zu einer europäischen Metropole im letzten Drittel des 19. Jh.s stärker. Zu berücksichtigen wären auf jeden Fall Verbindungen nach Breslau (nächste deutschsprachige Großstadt), nach Oberschlesien (Kohleabhängigkeit in Lodz in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s) oder nach Wien (österreichische Textilindustrie).
>
>
> Als das müsste diskutiert werden, ich sehe auf jeden Fall die älteren Auffassungen der deutschnationalen Geschichtsschreibung kritisch.
>
>
> Beste Grüße
>
> Hans-Jürgen Bömelburg
>
> ________________________________
> Von: mittelpolen-l-bounces@genealogy.net im Auftrag von Andreas Theurer via Mittelpolen-L
> Gesendet: Mittwoch, 9. Juni 2021 22:30:41
> An: mittelpolen-l@genealogy.net
> Betreff: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland nach 1815
>
> Liebe Mittelpolen-Freunde,
>
> wei� jemand zuf�llig, wie stark nach 1815 die Verbindungen der
> mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland waren?
> Bedauerten sie, ab 1815 zu Russland zu geh�ren?
> Bem�hten sie sich um Beziehungen nach Preu�en?
> Schickten sie ihre T�chter "in Stellung" nach Berlin oder in andere
> deutsche Gro�st�dte?
> Machten die Handwerker-S�hne ihre Lehre in deutschen L�ndern?
>
> Mit herzlichen Gr��en,
> Andreas Theurer
> _______________________________________________
> Mittelpolen-L mailing list
> Mittelpolen-L@genealogy.net
> https://list.genealogy.net/mm/listinfo/mittelpolen-l
>

Lieber Günther,

   zu Gostynin kann ich folgendes beitragen:

   2. (Johann) Georg (=Woyciech) Hornung, Mozdzierz (heute Soczewka) bei
   Pl/ock 1834, Landwirt Augustow 1847-65, Schmied 1850. *Dürkheim/Pfalz
   2.3.1813 +Augustow 2.1.1893 oo Gostynin 2.2.1834

   3. Apollonia Sofia/Scholastika ("Lina"?) Wunderlich[1]^1, vermutlich
   von ihrer Tante Luise Dorothea Bage aufgezogen, in ihrer Jugend wohl in
   Kikol/ b. Lipno im Dobriner Land, 1834 in Mozdzierz.

   *Sikorz 10.2.1816 +Augustow 28.2.1867

Hallo und einen schönen Guten Tag ,bedanke mich sehr herzlich zu Hornung und Mozdzierz. Beides mir noch nicht geläufig, aber wird bestimmt noch.Habe bald die KB von Gostynin von 1810 an auf dem Rechner. Leider sind die KB nicht immer vollständig und auch bei vielen keine Indeks. Die erstelle ich gerade. Mühsames Unterfangen. Aber wem erzähle ich das.Da ich nicht Familien"forscher" im engerem Sinne bin, habe ich auch Probleme im Umgang mit den Abkürzungen :-(  und auch immer problematisch von den "alten"  polnischen Bezeichnungen  den Sinn zu erfassen. Aber schon interessant, dass der Stammvater der Familie Illichman aus der Gegend um Liberec hierher kam und Nachkommen jetzt noch in Warschau zu finden sind.Danke für die Nachricht - Wünsche GesundheitGüntherTemat: Aw: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland nach 1815Data: 2021-06-10 15:01Nadawca: "Andreas Theurer" Adresat: fuchsi@poczta.fm; DW: "Mittelpolen-L" ; Lieber Günther,

zu Gostynin kann ich folgendes beitragen:

2. (Johann) Georg (=Woyciech) Hornung, Moździerz (heute Soczewka) bei Płock 1834, Landwirt Augustow 1847-65, Schmied 1850. *Dürkheim/Pfalz 2.3.1813 +Augustow 2.1.1893 oo Gostynin 2.2.1834

3. Apollonia Sofia/Scholastika („Lina“?) Wunderlich1, vermutlich von ihrer Tante Luise Dorothea Bage aufgezogen, in ihrer Jugend wohl in Kikoł b. Lipno im Dobriner Land, 1834 in Moździerz.

*Sikorz 10.2.1816 +Augustow 28.2.1867

Hallo Hans-Jürgen,

ein paar Anmerkungen zu deinen Ausführungen aus Sicht eines
Hobby-Familienforschers.

Der Ausdruck "Wirtschaftsmigranten" suggeriert nach meinem Verständnis eine
Parallele zur aktuellen Migrations-Situation und ist vermutlich als
"Armutsmigranten" zu verstehen. Dem würde ich widersprechen. Mit Ausnahme
einiger wohlhabender schwäbischer Bauern (z. B. in Neusulzfeld) oder
Textilfabrikanten/Handwerksmeister waren die meisten deutschen Einwanderer
in den Lodzer Raum wohl tatsächlich eher arm. Die Auswanderung war auch
sicherlich fast immer wirtschaftlich motiviert. Richtiger wäre aber meines
Erachtens der Begriff "Fachkräfteeinwanderung". Die deutschen Bauern sind
wegen ihrer besonderen Kenntnisse bei der Urbarmachung von Wald- und
Sumpfland gezielt angeworben worden und genossen besondere Privilegien. Dies
gilt nicht nur für die staatliche preußische Kolonisation in den Jahren
1799-1805, sondern auch für die Ansiedlung von
schlesischen/märkischen/pommerschen Hauländern und später
Hessen durch polnische Adlige. Für die deutschen Weber, Tuchmacher usw., die
nach 1815 angeworben wurden, gilt dies natürlich erst recht.

Im Jahr 1815 war die ländliche Einwanderung in den Raum Lodz weitgehend
abgeschlossen. Von meinen eigenen Vorfahren sind lediglich zwei (von 16)
Linien nach 1815 in Russisch-Polen eingetroffen, die übrigen zur preußischen
oder polnischen Zeit. Viele lebten bereits seit Generationen im
deutsch-slawischen Grenzland und zogen alle paar Jahre/Jahrzehnte immer
weiter nach Osten - immer dorthin, wo ihnen gute Bedingungen geboten wurden.
Ob der König Deutsch, Polnisch oder Russisch sprach, war ihnen vermutlich
egal.
Für die städtische Bevölkerung ist der Satz "Der Gang nach
Russland war nach 1815 eine bewusste Auswanderungsentscheidung" natürlich
richtig.

Zur Frage der Identifikation und den Verbindungen nach Deutschland:
Im Gegensatz zur wirtschaftlichen und kirchlichen Oberschicht, die nach
meiner Kenntnis deutlich eher zur Polonisierung neigte, dürfte von den
Bauern und Handwerkern nur selten (schriftlich) überliefert sein, wie sie
dachten und womit sie sich identifizierten.
Aufgrund von Gesprächen mit älteren Verwandten glaube ich sagen zu können,
dass sich zumindest die ländliche
deutsche Bevölkerung zu allererst als Lutheraner fühlte, das war mindestens
bis zum 1. Weltkrieg das wichtigste Identifikationsmerkmal für sie. Nun war
lutherisch nahezu deckungsgleich mit deutsch, zumindest in dieser einen
Richtung, so dass es schon aus diesem Grund zu einer Abgrenzung
gegenüber den Polen und Juden kam. Aus meiner eigenen Familie kann ich
lediglich von zwei Ehen mit Katholiken berichten (innerhalb von mehr als 150
Jahren) -
jeweils Schwestern von direkten Vorfahren, die einen Deutschen aus Böhmen
heirateten. Ehen mit Polen gab es
keine einzige, auch nicht nach Aufhebung der Leibeigenschaft für die
polnischen Bauern.

Verbindungen in die alte Heimat gab es teils auch nach mehreren Jahrzehnten
noch. So heiratete der Bruder eines Vorfahren fast 30 Jahre nach der
Auswanderung
seiner Eltern eine Frau aus dem ehemaligen Heimatdorf nahe Grünberg/NSL;
sein Vater hatte auch weitere 15 Jahre später dort noch Grundbesitz.
Ein weiteres Beispiel: mein Urgroßvater lebte um 1880 für einige Zeit bei
seinen Verwandten in Hessen, rund 45 nach der Auswanderung seines Vaters.

Sprache und Kultur: Die Familien-, Kirch- und damit auch Schulsprache war
nach meiner Kenntnis durchgängig Deutsch - bei den Familien, die in der
Diaspora lebten nicht unbedingt gutes Deutsch. Die meisten sprachen auch
Polnisch, viele akzentfrei, manche (vor allem in den Schwabendörfern und
insbesondere Frauen) aber auch gar nicht. Hinzu kam vor dem 1. WK oft
Russisch und gelegentlich auch Jiddisch. So wurde es mir aus der 1. Hälfte
des 20. Jh berichtet, im 19. Jh wird es nicht weniger deutschlastig gewesen
sein. Ich habe mehrere Notariatsurkunden aus der Mitte des 19. Jh gesehen,
in denen steht, dass eine Übersetzung ins Deutsche erfolgte (bei Familien,
die schon seit mind. 100 Jahren im polnischsprachigen Raum gelebt hatten).

Ich glaube schon, dass sie sich als (ethnische) Deutsche sahen. Sie haben es
vermutlich nur nicht ins Schaufenster gestellt. Es war eine Tatsache, aber
man hat kein großes Aufheben darum gemacht. Zu gewissen Gelegenheiten, wie
den Übergriffen auf Deutsche nach dem Januaraufstand 1863, wurden sie halt
daran erinnert.
Ein sehr einschneidendes Erlebnis waren die Ereignisse während des 1. WK,
als Einwohner von Königsbach und Umgebung der Kollaboration mit der
reichsdeutschen Armee bezichtigt wurden (während ihre Söhne/Ehemänner gerade
in der
russischen Armee dienten) und Dörfer niedergebrannt wurden. Gerade die
Deutschen waren nach meinem Wissen besonders zarentreu. Viele Familien
hatten Porträts der Zarenfamilie in der Wohnstube hängen ("der Zar hat uns
Deutsche immer gut behandelt", "die Zarin war ja auch eine Deutsche").
Besonders mobilisierend in nationaler Hinsicht wirkten dann die
Kirchengesetze (Zurückdrängung der deutschen Sprache im Gottesdienst) und
die Schulreform kurz vor dem 2. WK (der Grund für viele, dem Deutschen
Volksverband beizutreten).

Ein weiteres Indiz, dass sie sich als Deutsche fühlten: ausnahmslos alle
Nachfahren der deutschen Siedler in Polen, die heute in Nordamerika leben
und
mit denen ich gesprochen habe, bezeichnen ihre Vorfahren als Deutsche. Egal
wann sie ausgewandert sind (viele Ende des 19. Jh) und auch wenn sie vorher
noch den Umweg über Bessarabien oder Wolhynien genommen hatten. Warum sollte
dies sonst so sein, wo es doch in Kanada/den USA im 20. Jh eher opportun
war, kein Deutscher zu sein.

Eine Spitze sei mir zum Abschluss noch gestattet: während vor 100 Jahren die
Welt durch die heroisierende, deutsch-nationale Brille betrachtet wurde,
will der Zeitgeist heute, dass Historiker (deutsche, nicht polnische) alles
kritisch und vor allem nicht deutsch-national sehen. Die Wahrheit liegt
vermutlich irgendwo dazwischen.

Viele Grüße
Michael Stockhausen

Um den Auswanderungsgrund nach 1815 in Richtung Polen/Russland zu konkretisieren. Im April 1815 brach der Vulkan Tambora aus Jahr ohne Sommer – Wikipedia Es folgte im Jahre 1816 das Jahr ohne Sommer. Die Katastrophe betraf primär Mitteleuropa und löste unter anderem in Baden eine Auswanderungswelle aus, die ein Fünftel“ der Bevölkerung betraf https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.das-jahr-ohne-sommer-1816-massenexodus-aus-dem-armenhaus.0771767e-12c5-43a4-bae1-749473685cfb.html

Ausgerechnet Polen/Russland waren in Europa fast nicht durch die Kältewelle betroffen. Je nach Religion ging es dann mehr nordöstlich oder südöstlich in der Auswanderung, da ja Österreich-Ungarn noch viele Gebiete bis nach Russland hinein besaß. Selbst die Reichen waren nach dem Jahr ohne Sommer etwas ärmer geworden. Der Tambora stoppte zeitweise die stärker werdende Auswanderung nach Amerika aus wirtschaftlichen Gründen. Russland nutzte die Gelegenheit um die zum Teil nach den Napoleonischen Kriegen neu erworbenen Gebiete zu besiedeln. Die Kolonisten waren, willkommene Fachkräfte die aus wirtschaftlichen und klimatischen Gründen zeitweise den Weg in Richtung Osten suchten.

Die Napoleonischen Kriege hatten auch den Revolutionsgedanken mitgenommen und nicht wenige verließen ihre Heimat auch aus politischen Gründen. Sie erkannten dass sich in ihrer Heimat nichts am bestehenden System ändern würde. Sie suchten also auch nach persönlicher Freiheit, die ihnen als Kolonisten in der neuen Heimat auch gewährt wurde. Das erweitert die Auswanderungsgründe, wobei speziell in Südwestdeutschland die Realteilung ein weiteres Problem produzierten Realteilung – Wikipedia Es war irgendwann nicht mehr genug Land da um die Menschen zu ernähren. Der Tambora ließ ein schon fragiles System zusammenbrechen.

Das sich viele als Deutsche ausgaben auch wenn sie kulturell keine waren, dazu gab es vermutlich vielfältige Gründe. Zum Einen war die Herkunft schon damals ein Markenzeichen für Loyalität, Arbeitsgeist, Pünktlichkeit usw. Bei Menschen aus Böhmen, Ungarn etc. war dies auch nicht so sehr zu hinterfragen, da die Gebiete ja zu Österreich-Ungarn gehörten. Da die breite Masse der Auswanderer deutsch sprach, integrierten sich natürlich Menschen mit anderer Herkunft, die damit ja meist kein Problem gehabt haben. Den sie kamen ja aus einem Umfeld u.a. mit Deutsch als Amtssprache und deutscher Sprache und Kultur um sie herum. Eine Schwester eines Vorfahren von mir, heiratete z.B. einen Ungarn nahe Petrikau. Wobei ich davon ausgehe, dass dieser vermutlich ein Deserteur des Weichselfeldzugs von 1809 war Österreichischer Feldzug gegen das Herzogtum Warschau 1809 – Wikipedia Hier desertierten sehr viele Soldaten, logischerweise entweder auf russisches oder preußisches Territorium. Auch das sollte berücksichtigt werden. Deren Status dürfte über Jahre hinaus, nicht festgestanden haben, so dass diese erst Jahre später offiziell in Erscheinung traten.

Die Auswanderungswellen nach Preußen schon vor 1815 beruhte darauf, das Preußen speziell Ausländer für die neuen Kolonien anwarb. Man wollte den eigenen Leuten keine Vergünstigungen schaffen, da daraus Begehrlichkeiten in der Allgemeinheit entstanden wären. Die Kolonisten hatten auch schon in den brandenburgischen Kolonien Vorteile wie zum Beispiel Wehrfreiheit für Väter und Söhne. Preußens Territorium erweiterte sich schneller, als man die Leere füllen konnte. Und Kolonisten die aus dem deutschsprachigen Raum mit entsprechendem kulturellem Hintergrund kamen, waren leichter zu integrieren. Es waren ja wie bei meinen Vorfahren auch, viele Elsässer dabei, die sich ja nicht zwingend als Deutsche betrachteten.

Die französische Revolution löste im deutschsprachigen Raum den Wunsch nach Veränderung der alten Strukturen hervor. Ein deutsches Territorium gab es nicht, aber eine gemeinsame Verwaltungssprache vom Elsass bis fast ans Schwarze Meer und von der Nord/Ostsee bis an die Adria. Und selbst in Russland waren viele deutschsprachige Verwaltungsbeamte unterwegs, die Peter der Große, Katharina die Große etc. zur wirtschaftlichen Reformation ins Land holten. „Made in Germany“ war ein Markenzeichen, dem sich auch der Böhme etc. gerne unterordnete.

Hallo Hans-Jürgen,Hallo Michael,Eure Gedanken sind interessant und in der Summe sicherlich das Richtige. Nichts passiert aus nur einem Grunde.Die gemeinsame Sprache, auch mit den regionalen Unterschieden, sicherte die Verständigung und in einer nicht immer freundlich gesinnten Umwelt bildete der gemeinsame Verband den einzigen Schutz vor Neid, Missgunst, Hass....Die ersten Lehrer in den neuen Gebieten waren hier in der Gegend ausnahmslos Pastoren oder stammten aus Pastorenfamilien. lesen und schreiben wurden zum Markenzeichen der "Deutschen"....welche übrigends immer als Evangelische bezeichnet wurden, das wurde und wird auch heute noch gleich gesetzt. Pastor Partenay hatte in Dorpat studiert und hatte wohl hier nicht den besten Ruf. Er kehrte dann nach Lipno zurück.Danke und Grüße aus GostyninTemat: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland nach 1815Data: 2021-06-11 16:04Nadawca: "Michael Stockhausen via Mittelpolen-L" Adresat: mittelpolen-l@genealogy.net; > Hallo Hans-Jürgen,
>
> ein paar Anmerkungen zu deinen Ausführungen aus Sicht eines
> Hobby-Familienforschers.
>
> Der Ausdruck "Wirtschaftsmigranten" suggeriert nach meinem Verständnis eine
> Parallele zur aktuellen Migrations-Situation und ist vermutlich als
> "Armutsmigranten" zu verstehen. Dem würde ich widersprechen. Mit Ausnahme
> einiger wohlhabender schwäbischer Bauern (z. B. in Neusulzfeld) oder
> Textilfabrikanten/Handwerksmeister waren die meisten deutschen Einwanderer
> in den Lodzer Raum wohl tatsächlich eher arm. Die Auswanderung war auch
> sicherlich fast immer wirtschaftlich motiviert. Richtiger wäre aber meines
> Erachtens der Begriff "Fachkräfteeinwanderung". Die deutschen Bauern sind
> wegen ihrer besonderen Kenntnisse bei der Urbarmachung von Wald- und
> Sumpfland gezielt angeworben worden und genossen besondere Privilegien. Dies
> gilt nicht nur für die staatliche preußische Kolonisation in den Jahren
> 1799-1805, sondern auch für die Ansiedlung von
> schlesischen/märkischen/pommerschen Hauländern und später
> Hessen durch polnische Adlige. Für die deutschen Weber, Tuchmacher usw., die
> nach 1815 angeworben wurden, gilt dies natürlich erst recht.
>
> Im Jahr 1815 war die ländliche Einwanderung in den Raum Lodz weitgehend
> abgeschlossen. Von meinen eigenen Vorfahren sind lediglich zwei (von 16)
> Linien nach 1815 in Russisch-Polen eingetroffen, die übrigen zur preußischen
> oder polnischen Zeit. Viele lebten bereits seit Generationen im
> deutsch-slawischen Grenzland und zogen alle paar Jahre/Jahrzehnte immer
> weiter nach Osten - immer dorthin, wo ihnen gute Bedingungen geboten wurden.
> Ob der König Deutsch, Polnisch oder Russisch sprach, war ihnen vermutlich
> egal.
> Für die städtische Bevölkerung ist der Satz "Der Gang nach
> Russland war nach 1815 eine bewusste Auswanderungsentscheidung" natürlich
> richtig.
>
> Zur Frage der Identifikation und den Verbindungen nach Deutschland:
> Im Gegensatz zur wirtschaftlichen und kirchlichen Oberschicht, die nach
> meiner Kenntnis deutlich eher zur Polonisierung neigte, dürfte von den
> Bauern und Handwerkern nur selten (schriftlich) überliefert sein, wie sie
> dachten und womit sie sich identifizierten.
> Aufgrund von Gesprächen mit älteren Verwandten glaube ich sagen zu können,
> dass sich zumindest die ländliche
> deutsche Bevölkerung zu allererst als Lutheraner fühlte, das war mindestens
> bis zum 1. Weltkrieg das wichtigste Identifikationsmerkmal für sie. Nun war
> lutherisch nahezu deckungsgleich mit deutsch, zumindest in dieser einen
> Richtung, so dass es schon aus diesem Grund zu einer Abgrenzung
> gegenüber den Polen und Juden kam. Aus meiner eigenen Familie kann ich
> lediglich von zwei Ehen mit Katholiken berichten (innerhalb von mehr als 150
> Jahren) -
> jeweils Schwestern von direkten Vorfahren, die einen Deutschen aus Böhmen
> heirateten. Ehen mit Polen gab es
> keine einzige, auch nicht nach Aufhebung der Leibeigenschaft für die
> polnischen Bauern.
>
> Verbindungen in die alte Heimat gab es teils auch nach mehreren Jahrzehnten
> noch. So heiratete der Bruder eines Vorfahren fast 30 Jahre nach der
> Auswanderung
> seiner Eltern eine Frau aus dem ehemaligen Heimatdorf nahe Grünberg/NSL;
> sein Vater hatte auch weitere 15 Jahre später dort noch Grundbesitz.
> Ein weiteres Beispiel: mein Urgroßvater lebte um 1880 für einige Zeit bei
> seinen Verwandten in Hessen, rund 45 nach der Auswanderung seines Vaters.
>
> Sprache und Kultur: Die Familien-, Kirch- und damit auch Schulsprache war
> nach meiner Kenntnis durchgängig Deutsch - bei den Familien, die in der
> Diaspora lebten nicht unbedingt gutes Deutsch. Die meisten sprachen auch
> Polnisch, viele akzentfrei, manche (vor allem in den Schwabendörfern und
> insbesondere Frauen) aber auch gar nicht. Hinzu kam vor dem 1. WK oft
> Russisch und gelegentlich auch Jiddisch. So wurde es mir aus der 1. Hälfte
> des 20. Jh berichtet, im 19. Jh wird es nicht weniger deutschlastig gewesen
> sein. Ich habe mehrere Notariatsurkunden aus der Mitte des 19. Jh gesehen,
> in denen steht, dass eine Übersetzung ins Deutsche erfolgte (bei Familien,
> die schon seit mind. 100 Jahren im polnischsprachigen Raum gelebt hatten).
>
> Ich glaube schon, dass sie sich als (ethnische) Deutsche sahen. Sie haben es
> vermutlich nur nicht ins Schaufenster gestellt. Es war eine Tatsache, aber
> man hat kein großes Aufheben darum gemacht. Zu gewissen Gelegenheiten, wie
> den Übergriffen auf Deutsche nach dem Januaraufstand 1863, wurden sie halt
> daran erinnert.
> Ein sehr einschneidendes Erlebnis waren die Ereignisse während des 1. WK,
> als Einwohner von Königsbach und Umgebung der Kollaboration mit der
> reichsdeutschen Armee bezichtigt wurden (während ihre Söhne/Ehemänner gerade
> in der
> russischen Armee dienten) und Dörfer niedergebrannt wurden. Gerade die
> Deutschen waren nach meinem Wissen besonders zarentreu. Viele Familien
> hatten Porträts der Zarenfamilie in der Wohnstube hängen ("der Zar hat uns
> Deutsche immer gut behandelt", "die Zarin war ja auch eine Deutsche").
> Besonders mobilisierend in nationaler Hinsicht wirkten dann die
> Kirchengesetze (Zurückdrängung der deutschen Sprache im Gottesdienst) und
> die Schulreform kurz vor dem 2. WK (der Grund für viele, dem Deutschen
> Volksverband beizutreten).
>
> Ein weiteres Indiz, dass sie sich als Deutsche fühlten: ausnahmslos alle
> Nachfahren der deutschen Siedler in Polen, die heute in Nordamerika leben
> und
> mit denen ich gesprochen habe, bezeichnen ihre Vorfahren als Deutsche. Egal
> wann sie ausgewandert sind (viele Ende des 19. Jh) und auch wenn sie vorher
> noch den Umweg über Bessarabien oder Wolhynien genommen hatten. Warum sollte
> dies sonst so sein, wo es doch in Kanada/den USA im 20. Jh eher opportun
> war, kein Deutscher zu sein.
>
> Eine Spitze sei mir zum Abschluss noch gestattet: während vor 100 Jahren die
> Welt durch die heroisierende, deutsch-nationale Brille betrachtet wurde,
> will der Zeitgeist heute, dass Historiker (deutsche, nicht polnische) alles
> kritisch und vor allem nicht deutsch-national sehen. Die Wahrheit liegt
> vermutlich irgendwo dazwischen.
>
> Viele Grüße
> Michael Stockhausen
>
>
>
> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> From: Bömelburg, Hans-Jürgen
> Sent: Thursday, June 10, 2021 12:45 PM
> To: AndreasTheurer@web.de ; mittelpolen-l@genealogy.net
> Subject: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen
> nach Deutschland nach 1815
>
> Lieber Andreas,
>
> nur kurz: Die Zuwanderer waren Wirtschaftsmigranten aus zahlreichen
> deutschsprachigen Ländern. Der Gang nach Russland war nach 1815 eine
> bewusste Auswanderungsentscheidung. Zumindest bei den Migranten aus Böhmen
> und Schlesien lag vielfach eine Mehrsprachigkeit vor. Zu fragen wäre
> deshalb, sahen sich die Zuwanderer überhaupt als "Deutsche"? Und wenn ja, ab
> wann? Oder nicht stärker als Sachsen, Schlesier, Böhmen
> (Österreich-Orientierung?), Polendeutsche, Deutschpolen... Die neuere
> Forschung (Winson Chu) geht von einer "Fabrikation" von Deutschen erst im
> 20. Jh. aus. Ich schreibe gerade ein Buch über Lodz und würde mich dem
> anschließen.
>
>
> Bei den Protestanten ist weiterhin zu berücksichtigen, dass mit dem
> Abschluss der Altpreußischen Union (1817/1834) die kirchlichen Grenzen
> wuchsen. Durch das Studium in Dorpat kamen Theologiestudenten mit ganz
> anderen Milieus in Verbindung (darüber übrigens auch teilweise
> Polonisierung).
>
>
> Die Verbindungen nach Berlin wurden erst mit dem Aufstieg Berlins zu einer
> europäischen Metropole im letzten Drittel des 19. Jh.s stärker. Zu
> berücksichtigen wären auf jeden Fall Verbindungen nach Breslau (nächste
> deutschsprachige Großstadt), nach Oberschlesien (Kohleabhängigkeit in Lodz
> in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s) oder nach Wien (österreichische
> Textilindustrie).
>
>
> Als das müsste diskutiert werden, ich sehe auf jeden Fall die älteren
> Auffassungen der deutschnationalen Geschichtsschreibung kritisch.
>
>
> Beste Grüße
>
> Hans-Jürgen Bömelburg
>
> ________________________________
> Von: mittelpolen-l-bounces@genealogy.net
> im Auftrag von Andreas Theurer via
> Mittelpolen-L
> Gesendet: Mittwoch, 9. Juni 2021 22:30:41
> An: mittelpolen-l@genealogy.net
> Betreff: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach
> Deutschland nach 1815
>
> Liebe Mittelpolen-Freunde,
>
> wei� jemand zuf�llig, wie stark nach 1815 die Verbindungen der
> mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland waren?
> Bedauerten sie, ab 1815 zu Russland zu geh�ren?
> Bem�hten sie sich um Beziehungen nach Preu�en?
> Schickten sie ihre T�chter "in Stellung" nach Berlin oder in andere
> deutsche Gro�st�dte?
> Machten die Handwerker-S�hne ihre Lehre in deutschen L�ndern?
>
> Mit herzlichen Gr��en,
> Andreas Theurer
> _______________________________________________
> Mittelpolen-L mailing list
> Mittelpolen-L@genealogy.net
> https://list.genealogy.net/mm/listinfo/mittelpolen-l
>
> _______________________________________________
> Mittelpolen-L mailing list
> Mittelpolen-L@genealogy.net
> https://list.genealogy.net/mm/listinfo/mittelpolen-l
>

Hallo in die Runde,

in die Diskussion um das Selbstverständnis der mittelpolnischen Kolonisten würde ich mich auch gerne einschalten und ein bisschen gegen das bisher Gesagte argumentieren.

Zu fragen wäre deshalb, sahen sich die Zuwanderer überhaupt als "Deutsche"? Und wenn ja, ab wann? Oder nicht stärker als Sachsen, Schlesier, Böhmen (Österreich-Orientierung?), Polendeutsche, Deutschpolen... Die neuere Forschung (Winson Chu) geht von einer "Fabrikation" von Deutschen erst im 20. Jh. aus. Ich schreibe gerade ein Buch über Lodz und würde mich dem anschließen.<<

„Sahen sich die Zuwanderer überhaupt als Deutsche?“ Ich würde die Frage bejahen und das – zumindest in unserem Kontext – nicht erst ins 20. Jahrhundert legen. Ist es nicht selbstverständlich, dass sich Deutsche und sei es auch aus verschiedenen deutschen Staaten durch ihre gemeinsame Sprache in einer fremdsprachigen Umgebung geeint fühlen? Auch sind die kulturellen Ähnlichkeiten der meisten deutschen Zuwanderer untereinander fraglos immer noch enger als die zur polnischen Kultur gewesen. Bei den Zuwanderern aus der „Holländersiedlung“, die schon seit Generationen im großpolnischen Raum ansässig waren, mag man darüber diskutieren können, vielleicht auch noch bei den Schlesiern aus zweisprachigen Gebieten. Bei den Schwaben, Pfälzern, Märkern, Mecklenburgern glaube ich, ist die Lage jedoch eindeutig. Hinzu kommt, dass abgesehen von dem engeren Lodzer Raum, wo es auch einige deutsch-katholische Siedlungen gab, die überwiegende Mehrzahl der deutschen Kolonisten evangelisch war und dadurch auch noch einmal anders geprägt als die polnische Umwelt. Und diese Kolonisten hatten ja auch ein eigenes, sie verbindendes – deutschsprachiges! – Schulwesen (und es gibt öfters Klagen darüber - auch bei Schlesiern -, dass die dort eingesetzten Lehrer, auch noch in den 1850er und 1860er Jahren, als polnische Kinder diese Schulen mitbesuchen wollten, nicht einmal polnisch konnten - deutsche Parallelkultur!). Ebenso differenzierte die polnische Umwelt nicht zwischen Württembergern, Pfälzern, Hessen, usw. – für sie waren alle „Szwaby“ oder „Olędrzy“, unabhängig von der Herkunft. Das alles wird dazu beigetragen haben, dass man sich auch als eine Einheit verstand. So gibt es auch Ortsnamen wie „Deutschland“ (ich meine, schon in den 1820er Jahren belegt; polnischer Name: Trząs) bei Bełchatów und „Koschminer Deutsch Hauland“ (bereits 18. Jhd; und nicht etwa „Schlesisch Hauland“) in Großpolen und Kolonien mit dem Ortsnamenzusatz „niemiecki“.

Natürlich ist es selbstverständlich, dass man sich, wo viele Deutsche an einem Ort zusammenkamen wie im engeren Lodzer Raum, eher zu seinen Landsleuten im engeren Sinne hielt und sich dort über das Deutschsein hinaus eine Art Regionalbewusstsein herausbildete. Bei denen, mit denen man in seiner Mundart reden kann und noch enger durch Sitten und Gebräuche geeint ist, fühlt man sich heimischer. Und wo die Zuwanderer aus ein und demselben Gebiet kamen, benennt man die Kolonien nach seinen Heimatdörfern, wie Günther bemerkt hat. Aber kann man daraus schon folgern, dass man sich - insbesondere dem polnischen Umfeld gegenüber - nur als Sachse, Schwabe, Pfälzer fühlt und nicht mindestens in gleichem Maße als Deutscher? Ich halte das für unwahrscheinlich.

Ich glaube nicht, dass man, wenn man so urteilt, damit automatisch schon einer „deutschnationalen“ Deutung verfällt und ich halte es nicht für sinnvoll, das Bewusstsein der Kolonisten um ihre deutsche Identität (wenn auch aus guten Absichten heraus) zu leugnen. Sicher hat man die Forschung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielen Punkten sehr kritisch zu sehen und muss sich von ihren mitunter ideologischen Deutungen freimachen. Diese erblicke ich aber noch nicht in der Konstruktion einer (natürlich ganz unpolitisch verstandenen) deutschen Identität bei den Kolonisten, die meiner Ansicht nach aus den genannten Punkten ganz natürlich zustandekam und in der Tat von Anfang an vorhanden war, sondern erst darin, ihre kulturelle, kognitive, usw. Überlegenheit gegenüber der polnischen Umwelt erweisen und daraus irgendwelche Ansprüche ableiten zu wollen. Dagegen finde ich gerade dieses Pochen auf die einzelnen deutschen „Stammestümer“ (Sachsen, Märker, usw.) für die Forschung der 1930er/40er Jahre typisch und problematisch (Albert Breyer, Walter Kuhn, etc.). Da hat man ein Interesse daran, einzelne Gruppencharaktere herauszuarbeiten und konstruiert „den pommerschen Bauern“ und stilisiert „den schlesischen“ und charaktarisiert sehr oberflächlich und pauschal die Ortschaften als märkisch, andere als schlesisch, württembergisch usw. Dabei gab es viele, die von Anfang an vollkommen gemischt waren und wo dies nicht der Fall war, setzte die Vermischung schon sehr bald, in den ersten Jahrzehnten nach der Ansiedlung ein. Zumindest sind dies meine Erfahrungen für die Kolonien südlich von Petrikau.

Und nun noch zu der Frage von Andreas „weiß jemand zufällig, wie stark nach 1815 die Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland waren?“, die ich auch für eine der spannendsten halte. Ich glaube, hier ist noch sehr viel Forschungsbedarf und kann nur einige, wenige Eindrücke, ausgehend von meinen eigenen – regional v. a. auf den Kreis Radomsko konzentrierten – Nachforschungen, wiedergeben.

Vielleicht ist es sinnvoll, zwischen den zwei großen ländlichen Siedlungsbewegungen zu unterscheiden: der ungeplanten „Holländersiedlung“ und der geplanten Kolonisation in südpreußischer Zeit. Die Bewohner der „Holländerdörfer“ waren ja zumeist schon seit mehreren Generationen in polnischen Gebieten, bevor sie in den Lodzer Raum kamen: in den Wald- und Sumpfgebieten und Bruchlandschaften im Raum Kalisch-Konin-Słupca-Turek, vorher auf dem Gebiet der späteren Provinz Posen und in den Randgebieten Westpreußens und Pommerns. Kontakte bestehen meistens noch zu den Orten, die die vorherige „Station“ der Wanderungsbewegung waren, weil man da noch Familie hatte, die vor Ort geblieben ist. Sie haben nichts mit dem Wunsch, irgendwie Kontakt nach Deutschland zu halten zu tun, sondern sind rein familiär motiviert. Die ursprüngliche, regionale Herkunft der Familie ist oft in der Erinnerung aufbewahrt (oft auch ungenau), aber eine faktische Beziehung zu dieser Urheimat besteht nicht mehr. Auch die Einwanderer aus der Neumark pflegen mitunter Kontakte zu ihren Familienangehörigen dort, manchmal kommen sogar einige Jahrzehnte später Verwandte nach. Rückwanderungen aus Mittelpolen nach Westen sind mir aber im 19. Jahrhundert bisher nicht aufgefallen. Die Bewegung derer, die fortziehen, geht eher – wie man es gewohnt war – immer weiter nach Osten: Kielcer Region, Lubliner Land, Wolhynien, manchmal (v.a. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts) Bessarabien.

Bezüglich Berlin hat Hans-Jürgen Bömelburg ganz zutreffend geantwortet. Das ist ein Phänomen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Für Mittelpolen gibt es ein ähnliches: alles strebt nach Łódź. Wenn man in die Stadt will, geht man zunächst dorthin. Abgänge nach Berlin sind ganz selten. Im 20. Jahrhundert fahren dann viele deutsche Siedler ins Reich saisonal zur Landarbeit (mir scheint, ganz besonders ab Mitte der 1920er Jahre).

Mit der geplanten, preußischen Kolonisation kenne ich mich nicht so gut aus. Über die Vorgänge bei deren Ansiedlung und Kontakten in „die Heimat“ gibt es einige Andeutungen in den Büchern von Oskar Kossmann, z. B. „Deutsche Mitten in Polen. Unsere Vorfahren am Webstuhl der Geschichte“ (1985). Bekannt ist mir auch, dass es nach Ende der preußischen Herrschaft vereinzelt Versuche gab, die polnisch gewordenen Gebiete wieder zu verlassen und in den verbliebenen preußischen Gebieten Aufnahme zu finden. Davon berichten Albert Breyer in „Die deutschen ländlichen Siedlungen des mittelpolnischen Warthebruches“ (in: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen 34 (1938), 33–75, hier 62f.) und Alfred Pockrandt in den Artikeln „Deutsche Rückwanderung aus Mittelpolen nach 1815“ (Deutsche Monatshefte in Polen 3 (13).3/4 (1936), 105–146) und „Die Rückwanderung deutscher Kolonisten aus Süd- und Neuostpreußen nach 1815 und ihre Ansiedlung in Ostpreußen“ (Altpreußische Forschungen 14 (1937), 65–109).

Zu den städtischen Handwerkerfamilien, die unabhängig von diesen beiden großen Siedlungsbewegungen nach Mittelpolen gingen, bin ich leider nicht auskunftsfähig. Für die Einwanderer nach 1815 werden auch andere wesentlich besser Bescheid wissen.

Vielleicht gibt das Gesagte trotzdem einigen Aufschluss.

Herzliche Grüße,

Marcus König.

Hallo Michael,

vielen Dank für Deine spannenden und sehr aufschlussreichen Beobachtungen! Die von Dir geschilderten Eindrücke samt Deinem letzten Satz kann ich alle bestätigen. Nur folgende kleine Ergänzungen:

>> Die deutschen Bauern sind wegen ihrer besonderen Kenntnisse bei der Urbarmachung von Wald- und Sumpfland gezielt angeworben worden und genossen besondere Privilegien. Dies gilt nicht nur für die staatliche preußische Kolonisation in den Jahren 1799-1805, sondern auch für die Ansiedlung von schlesischen/märkischen/pommerschen Hauländern und später Hessen durch polnische Adlige. [...] Richtiger wäre aber meines
Erachtens der Begriff "Fachkräfteeinwanderung".<<

Hier würde ich konkretisieren, dass es insbesondere für die Hauländer/Holländer gilt. Die Kolonisten aus Südwestdeutschland waren ja nicht solche Spezialisten, die mit Sumpf- und Bruchurbarmachung vertraut waren. Teilweise hat die preußische Regierung sogar Hauländer aus schon vorhandenen deutschen Siedlungen um Lodz engagiert, um den zuziehenden staatlichen Kolonisten bei der Rodung/Anlage der Dörfer vorzuarbeiten. Diese bäuerlichen, staatlichen Kolonisten waren also weniger Fachkräfte. Sicherlich hatten sie einerseits wirtschaftliche Gründe zur Auswanderung, andererseits wurden sie natürlich gezielt vom preußischen Staate angeworben und mit Versprechungen gelockt.

Und zum Thema nationale/konfessionelle Mischehen: Mischehen von Deutschen und Polen untereinander sind in der Tat sehr selten, was sicherlich v. a. an der Konfession liegt, aber ich würde auch sagen, dass sie noch seltener sind als rein deutsche gemischtkonfessionelle Ehen. Im Kreis Radomsko etwa gab es zu Anfang einige deutsche Kolonistenfamilien katholischer Konfession, die zwar in einigen Fällen auch in polnische, katholische Familien einheirateten (am ehesten von allen Kolonisten), aber sich doch zumeist zu den evangelischen Deutschen hielten und deren Nachfahren dann fast ausnahmlos evangelisch waren. Die deutschen Katholiken kamen - wie Du auch schreibst - v. a. aus dem Böhmen und dem böhmisch-schlesischen Grenzgebiet, die evangelischen Deutschen v.a. aus Brandenburg, der Neumark, dem Posener Land. Die regionale Herkunft, ob aus Sachsen, Österreich oder Preußen spielte somit für die Heiraten keine Rolle. Wenn man vielleicht vereinzelt davon sprechen kann, dass vermehrt Familien, die aus ein und demselben Gebiet stammten, untereinander heirateten, dann vermutlich, weil sie sich von dort her schon kannten.

Viele Grüße,

Marcus König

Hallo Irmgard,danke sehr.Hallo Marcus und Mitleser,es sind alles feine Gedanken und alles interessant, aber.....Die Hauptakteure können wir nicht mehr fragen, sie können ihre Meinung nicht mehr äußern....... Wir interpretieren also nur. Und da stellt sich mir die Frage nach dem Nutzen.- Ludwik Dorn kam aus Tnisbrun in Baiern, seit 16 hundertundtoback Fleischer- Illichman kam aus der Gegend um Liberec, er war Weber- Drath kam aus Posen- Barbara Teichert kam aus dem Königreich&nbsp;WürtembergBei den anderen bin ich noch nicht soweit, aber Arndt kam wahrscheinlich aus dem Pfälzischen....Als die Leute aus allen Kleckerfürstentümern und manchmal über Zwischenstationen nach Gostynin kamen hatten sie nur ein Ziel. Ein besseres Leben zu finden. Manche haben es gefunden, manche nicht.Was könnte sie geeint haben? In einer Umwelt, welche ihnen nicht immer freundlich gesinnt war?1. Der Glauben. Es waren mehr oder weniger Evangeliken die traditionelle Anschauungen vertraten. Leonberg war z.B. nicht nur urschwäbisch, sondern hatte auch Verbindungen zu den Herrnhutern. Der Friedhof in Gostynin ist evangelisch-augsburgisch.2. Ein Grundverständnis einer gemeinsamen Sprache. Auch wenn viele nicht Lesen und Schreiben konnten, so hatten sie doch durch die Lutherbibel ein Werk, welches alle verstanden.&nbsp;3. ein gemeinsames Ziel: Ein neues Leben.Um in der Fremde zu überleben, braucht es eine Gemeinschaft. Als Einzelner gehst Du unter.Für das geplante Regionalmuseum in Gostynin schwebt mir eine Karte bei welcher die GESICHERTEN Herkunftsorte genadelt und mit Zwirn in Gostynin enden.Zu der "Russentreue" noch ein Wort.&nbsp;Der Zar war der oberste Lehnsherr. Um die Kirche in Gostynin bauen zu können musste das Einverständnis und die Baubewilligung vom Zaren eingeholt werden. Der Zar sicherte Ordnung und Recht. Warum sollte man sich dann auf die unsichere polnische Seite begeben? Die Willkür der polnischen Grundbesitzer war bekannt.Ich lebe nun das 14-te Jahr in Gostynin und mache mit Absicht keinen Bezug zu aktuellen Ereignissen, auch wenn mich vieles dabei an vergangene Zeiten erinnert.Wir sind hier ein ehemaliger Schlesier, Evangelik, welcher lange Zeit in Schweden gelebt hat. Er hat sich abgeschottet. Ein ursprünglicher Franke, Katholik, der beim Studium seine polnische Frau gefunden hat. Sie wohnen zwei Dörfer weiter - kein Interesse sich mit mir zu unterhalten. Und ich Sachse, konfessionslos. Der sich mit dem evangelischem Frydhof seit mehr als 14 Jahren beschäftigt und dort seine Zeit und sein Geld versenkt. Und als Sachse renne ich keinem hinterher, habe auch meinen Stolz.Bleibt gesund.Günther in Gostynin&nbsp;Temat: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland nach 1815Data: 2021-06-12 7:24Nadawca: "Irmgard Müller via Mittelpolen-L" Adresat: "'Günther via Mittelpolen-L'" ; &gt;
&gt;
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&gt;
&gt; Von: Marcus König
&gt; Gesendet: Freitag, 11. Juni 2021 12:16
&gt; An: Günther via Mittelpolen-L
&gt; Betreff: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland nach 1815
&gt;
&gt;
&gt;
&gt; Hallo in die Runde,
&gt;
&gt; in die Diskussion um das Selbstverständnis der mittelpolnischen Kolonisten würde ich mich auch gerne einschalten und ein bisschen gegen das bisher Gesagte argumentieren.
&gt;
&gt; &gt;&gt; Zu fragen wäre deshalb, sahen sich die Zuwanderer überhaupt als "Deutsche"? Und wenn ja, ab wann? Oder nicht stärker als Sachsen, Schlesier, Böhmen (Österreich-Orientierung?), Polendeutsche, Deutschpolen... Die neuere Forschung (Winson Chu) geht von einer "Fabrikation" von Deutschen erst im 20. Jh. aus. Ich schreibe gerade ein Buch über Lodz und würde mich dem anschließen.&lt;&lt;
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&gt; „Sahen sich die Zuwanderer überhaupt als Deutsche?“ Ich würde die Frage bejahen und das – zumindest in unserem Kontext – nicht erst ins 20. Jahrhundert legen. Ist es nicht selbstverständlich, dass sich Deutsche und sei es auch aus verschiedenen deutschen Staaten durch ihre gemeinsame Sprache in einer fremdsprachigen Umgebung geeint fühlen? Auch sind die kulturellen Ähnlichkeiten der meisten deutschen Zuwanderer untereinander fraglos immer noch enger als die zur polnischen Kultur gewesen. Bei den Zuwanderern aus der „Holländersiedlung“, die schon seit Generationen im großpolnischen Raum ansässig waren, mag man darüber diskutieren können, vielleicht auch noch bei den Schlesiern aus zweisprachigen Gebieten. Bei den Schwaben, Pfälzern, Märkern, Mecklenburgern glaube ich, ist die Lage jedoch eindeutig. Hinzu kommt, dass abgesehen von dem engeren Lodzer Raum, wo es auch einige deutsch-katholische Siedlungen gab, die überwiegende Mehrzahl der deutschen Kolonisten evangelisch war und dadurch auch noch einmal anders geprägt als die polnische Umwelt. Und diese Kolonisten hatten ja auch ein eigenes, sie verbindendes – deutschsprachiges! – Schulwesen (und es gibt öfters Klagen darüber - auch bei Schlesiern -, dass die dort eingesetzten Lehrer, auch noch in den 1850er und 1860er Jahren, als polnische Kinder diese Schulen mitbesuchen wollten, nicht einmal polnisch konnten - deutsche Parallelkultur!). Ebenso differenzierte die polnische Umwelt nicht zwischen Württembergern, Pfälzern, Hessen, usw. – für sie waren alle „Szwaby“ oder „Olędrzy“, unabhängig von der Herkunft. Das alles wird dazu beigetragen haben, dass man sich auch als eine Einheit verstand. So gibt es auch Ortsnamen wie „Deutschland“ (ich meine, schon in den 1820er Jahren belegt; polnischer Name: Trząs) bei Bełchatów und „Koschminer Deutsch Hauland“ (bereits 18. Jhd; und nicht etwa „Schlesisch Hauland“) in Großpolen und Kolonien mit dem Ortsnamenzusatz „niemiecki“.
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&gt; Natürlich ist es selbstverständlich, dass man sich, wo viele Deutsche an einem Ort zusammenkamen wie im engeren Lodzer Raum, eher zu seinen Landsleuten im engeren Sinne hielt und sich dort über das Deutschsein hinaus eine Art Regionalbewusstsein herausbildete. Bei denen, mit denen man in seiner Mundart reden kann und noch enger durch Sitten und Gebräuche geeint ist, fühlt man sich heimischer. Und wo die Zuwanderer aus ein und demselben Gebiet kamen, benennt man die Kolonien nach seinen Heimatdörfern, wie Günther bemerkt hat. Aber kann man daraus schon folgern, dass man sich - insbesondere dem polnischen Umfeld gegenüber - nur als Sachse, Schwabe, Pfälzer fühlt und nicht mindestens in gleichem Maße als Deutscher? Ich halte das für unwahrscheinlich.
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&gt; Ich glaube nicht, dass man, wenn man so urteilt, damit automatisch schon einer „deutschnationalen“ Deutung verfällt und ich halte es nicht für sinnvoll, das Bewusstsein der Kolonisten um ihre deutsche Identität (wenn auch aus guten Absichten heraus) zu leugnen. Sicher hat man die Forschung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielen Punkten sehr kritisch zu sehen und muss sich von ihren mitunter ideologischen Deutungen freimachen. Diese erblicke ich aber noch nicht in der Konstruktion einer (natürlich ganz unpolitisch verstandenen) deutschen Identität bei den Kolonisten, die meiner Ansicht nach aus den genannten Punkten ganz natürlich zustandekam und in der Tat von Anfang an vorhanden war, sondern erst darin, ihre kulturelle, kognitive, usw. Überlegenheit gegenüber der polnischen Umwelt erweisen und daraus irgendwelche Ansprüche ableiten zu wollen. Dagegen finde ich gerade dieses Pochen auf die einzelnen deutschen „Stammestümer“ (Sachsen, Märker, usw.) für die Forschung der 1930er/40er Jahre typisch und problematisch (Albert Breyer, Walter Kuhn, etc.). Da hat man ein Interesse daran, einzelne Gruppencharaktere herauszuarbeiten und konstruiert „den pommerschen Bauern“ und stilisiert „den schlesischen“ und charaktarisiert sehr oberflächlich und pauschal die Ortschaften als märkisch, andere als schlesisch, württembergisch usw. Dabei gab es viele, die von Anfang an vollkommen gemischt waren und wo dies nicht der Fall war, setzte die Vermischung schon sehr bald, in den ersten Jahrzehnten nach der Ansiedlung ein. Zumindest sind dies meine Erfahrungen für die Kolonien südlich von Petrikau.
&gt;
&gt; Und nun noch zu der Frage von Andreas „weiß jemand zufällig, wie stark nach 1815 die Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland waren?“, die ich auch für eine der spannendsten halte. Ich glaube, hier ist noch sehr viel Forschungsbedarf und kann nur einige, wenige Eindrücke, ausgehend von meinen eigenen – regional v. a. auf den Kreis Radomsko konzentrierten – Nachforschungen, wiedergeben.
&gt;
&gt; Vielleicht ist es sinnvoll, zwischen den zwei großen ländlichen Siedlungsbewegungen zu unterscheiden: der ungeplanten „Holländersiedlung“ und der geplanten Kolonisation in südpreußischer Zeit. Die Bewohner der „Holländerdörfer“ waren ja zumeist schon seit mehreren Generationen in polnischen Gebieten, bevor sie in den Lodzer Raum kamen: in den Wald- und Sumpfgebieten und Bruchlandschaften im Raum Kalisch-Konin-Słupca-Turek, vorher auf dem Gebiet der späteren Provinz Posen und in den Randgebieten Westpreußens und Pommerns. Kontakte bestehen meistens noch zu den Orten, die die vorherige „Station“ der Wanderungsbewegung waren, weil man da noch Familie hatte, die vor Ort geblieben ist. Sie haben nichts mit dem Wunsch, irgendwie Kontakt nach Deutschland zu halten zu tun, sondern sind rein familiär motiviert. Die ursprüngliche, regionale Herkunft der Familie ist oft in der Erinnerung aufbewahrt (oft auch ungenau), aber eine faktische Beziehung zu dieser Urheimat besteht nicht mehr. Auch die Einwanderer aus der Neumark pflegen mitunter Kontakte zu ihren Familienangehörigen dort, manchmal kommen sogar einige Jahrzehnte später Verwandte nach. Rückwanderungen aus Mittelpolen nach Westen sind mir aber im 19. Jahrhundert bisher nicht aufgefallen. Die Bewegung derer, die fortziehen, geht eher – wie man es gewohnt war – immer weiter nach Osten: Kielcer Region, Lubliner Land, Wolhynien, manchmal (v.a. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts) Bessarabien.
&gt;
&gt; Bezüglich Berlin hat Hans-Jürgen Bömelburg ganz zutreffend geantwortet. Das ist ein Phänomen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Für Mittelpolen gibt es ein ähnliches: alles strebt nach Łódź. Wenn man in die Stadt will, geht man zunächst dorthin. Abgänge nach Berlin sind ganz selten. Im 20. Jahrhundert fahren dann viele deutsche Siedler ins Reich saisonal zur Landarbeit (mir scheint, ganz besonders ab Mitte der 1920er Jahre).
&gt;
&gt; Mit der geplanten, preußischen Kolonisation kenne ich mich nicht so gut aus. Über die Vorgänge bei deren Ansiedlung und Kontakten in „die Heimat“ gibt es einige Andeutungen in den Büchern von Oskar Kossmann, z. B. „Deutsche Mitten in Polen. Unsere Vorfahren am Webstuhl der Geschichte“ (1985). Bekannt ist mir auch, dass es nach Ende der preußischen Herrschaft vereinzelt Versuche gab, die polnisch gewordenen Gebiete wieder zu verlassen und in den verbliebenen preußischen Gebieten Aufnahme zu finden. Davon berichten Albert Breyer in „Die deutschen ländlichen Siedlungen des mittelpolnischen Warthebruches“ (in: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen 34 (1938), 33–75, hier 62f.) und Alfred Pockrandt in den Artikeln „Deutsche Rückwanderung aus Mittelpolen nach 1815“ (Deutsche Monatshefte in Polen 3 (13).3/4 (1936), 105–146) und „Die Rückwanderung deutscher Kolonisten aus Süd- und Neuostpreußen nach 1815 und ihre Ansiedlung in Ostpreußen“ (Altpreußische Forschungen 14 (1937), 65–109).
&gt;
&gt; Zu den städtischen Handwerkerfamilien, die unabhängig von diesen beiden großen Siedlungsbewegungen nach Mittelpolen gingen, bin ich leider nicht auskunftsfähig. Für die Einwanderer nach 1815 werden auch andere wesentlich besser Bescheid wissen.
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&gt; Vielleicht gibt das Gesagte trotzdem einigen Aufschluss.
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&gt; Herzliche Grüße,
&gt;
&gt; Marcus König.
&gt;
&gt;
&gt;
&gt; _______________________________________________
&gt; Mittelpolen-L mailing list
&gt; Mittelpolen-L@genealogy.net
&gt; https://list.genealogy.net/mm/listinfo/mittelpolen-l
&gt;

Guten morgen,

eine kleine Ergänzung von mir zu diesem Thema.

die deutsche Herkunft wurde schon von den Auswandern
gepflegt.
Ich befinde mich im Besitz einer Urkunde meines Urgroßonkels,
der sich sich vom russischen und deutschen Konsulat
in Kiew 1880 seine deutsche Staatsangehörigkeit
per Urkunde bescheinigen ließ.
Umgangssprachlich galt er damit als "Deutsch Untertäner"
und unterlag auch der Wehrpflicht im damaligen Deutschen Reich.

mfg

Armin Ziebart

Hallo Armin, interessante Ergänzung. Wobei ich das hier mehr als Schutzfunktion sehe um nicht in die zaristische Armee zu müssen. Zeitweise betrug der Dienst 25 Jahre, auch als Soldat.Grüße GüntherTemat: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschennach Deutschland nach 1815Data: 2021-06-13 13:39Nadawca: "Armin Ziebart via Mittelpolen-L" Adresat: irmgard-m@web.de; mittelpolen-l@genealogy.net; &gt; Guten morgen,
&gt;
&gt; eine kleine Ergänzung von mir zu diesem Thema.
&gt;
&gt; die deutsche Herkunft wurde schon von den Auswandern
&gt; gepflegt.
&gt; Ich befinde mich im Besitz einer Urkunde meines Urgroßonkels,
&gt; der sich sich vom russischen und deutschen Konsulat
&gt; in Kiew 1880 seine deutsche Staatsangehörigkeit
&gt; per Urkunde bescheinigen ließ.
&gt; Umgangssprachlich galt er damit als "Deutsch Untertäner"
&gt; und unterlag auch der Wehrpflicht im damaligen Deutschen Reich.
&gt;
&gt; mfg
&gt;
&gt; Armin Ziebart
&gt;
&gt; -----Ursprüngliche Nachricht-----
&gt; From: Irmgard Müller via Mittelpolen-L
&gt; Sent: Saturday, June 12, 2021 7:23 AM
&gt; To: 'Günther via Mittelpolen-L'
&gt; Subject: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschennach
&gt; Deutschland nach 1815
&gt;
&gt;
&gt;
&gt;
&gt;
&gt; Von: Marcus König
&gt; Gesendet: Freitag, 11. Juni 2021 12:16
&gt; An: Günther via Mittelpolen-L
&gt; Betreff: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen
&gt; nach Deutschland nach 1815
&gt;
&gt;
&gt;
&gt; Hallo in die Runde,
&gt;
&gt; in die Diskussion um das Selbstverständnis der mittelpolnischen Kolonisten
&gt; würde ich mich auch gerne einschalten und ein bisschen gegen das bisher
&gt; Gesagte argumentieren.
&gt;
&gt; &gt;&gt; Zu fragen wäre deshalb, sahen sich die Zuwanderer überhaupt als
&gt; &gt;&gt; "Deutsche"? Und wenn ja, ab wann? Oder nicht stärker als Sachsen,
&gt; &gt;&gt; Schlesier, Böhmen (Österreich-Orientierung?), Polendeutsche,
&gt; &gt;&gt; Deutschpolen... Die neuere Forschung (Winson Chu) geht von einer
&gt; &gt;&gt; "Fabrikation" von Deutschen erst im 20. Jh. aus. Ich schreibe gerade ein
&gt; &gt;&gt; Buch über Lodz und würde mich dem anschließen.&lt;&lt;
&gt;
&gt; „Sahen sich die Zuwanderer überhaupt als Deutsche?“ Ich würde die Frage
&gt; bejahen und das – zumindest in unserem Kontext – nicht erst ins 20.
&gt; Jahrhundert legen. Ist es nicht selbstverständlich, dass sich Deutsche und
&gt; sei es auch aus verschiedenen deutschen Staaten durch ihre gemeinsame
&gt; Sprache in einer fremdsprachigen Umgebung geeint fühlen? Auch sind die
&gt; kulturellen Ähnlichkeiten der meisten deutschen Zuwanderer untereinander
&gt; fraglos immer noch enger als die zur polnischen Kultur gewesen. Bei den
&gt; Zuwanderern aus der „Holländersiedlung“, die schon seit Generationen im
&gt; großpolnischen Raum ansässig waren, mag man darüber diskutieren können,
&gt; vielleicht auch noch bei den Schlesiern aus zweisprachigen Gebieten. Bei den
&gt; Schwaben, Pfälzern, Märkern, Mecklenburgern glaube ich, ist die Lage jedoch
&gt; eindeutig. Hinzu kommt, dass abgesehen von dem engeren Lodzer Raum, wo es
&gt; auch einige deutsch-katholische Siedlungen gab, die überwiegende Mehrzahl
&gt; der deutschen Kolonisten evangelisch war und dadurch auch noch einmal anders
&gt; geprägt als die polnische Umwelt. Und diese Kolonisten hatten ja auch ein
&gt; eigenes, sie verbindendes – deutschsprachiges! – Schulwesen (und es gibt
&gt; öfters Klagen darüber - auch bei Schlesiern -, dass die dort eingesetzten
&gt; Lehrer, auch noch in den 1850er und 1860er Jahren, als polnische Kinder
&gt; diese Schulen mitbesuchen wollten, nicht einmal polnisch konnten - deutsche
&gt; Parallelkultur!). Ebenso differenzierte die polnische Umwelt nicht zwischen
&gt; Württembergern, Pfälzern, Hessen, usw. – für sie waren alle „Szwaby“ oder
&gt; „Olędrzy“, unabhängig von der Herkunft. Das alles wird dazu beigetragen
&gt; haben, dass man sich auch als eine Einheit verstand. So gibt es auch
&gt; Ortsnamen wie „Deutschland“ (ich meine, schon in den 1820er Jahren belegt;
&gt; polnischer Name: Trząs) bei Bełchatów und „Koschminer Deutsch Hauland“
&gt; (bereits 18. Jhd; und nicht etwa „Schlesisch Hauland“) in Großpolen und
&gt; Kolonien mit dem Ortsnamenzusatz „niemiecki“.
&gt;
&gt; Natürlich ist es selbstverständlich, dass man sich, wo viele Deutsche an
&gt; einem Ort zusammenkamen wie im engeren Lodzer Raum, eher zu seinen
&gt; Landsleuten im engeren Sinne hielt und sich dort über das Deutschsein hinaus
&gt; eine Art Regionalbewusstsein herausbildete. Bei denen, mit denen man in
&gt; seiner Mundart reden kann und noch enger durch Sitten und Gebräuche geeint
&gt; ist, fühlt man sich heimischer. Und wo die Zuwanderer aus ein und demselben
&gt; Gebiet kamen, benennt man die Kolonien nach seinen Heimatdörfern, wie
&gt; Günther bemerkt hat. Aber kann man daraus schon folgern, dass man sich -
&gt; insbesondere dem polnischen Umfeld gegenüber - nur als Sachse, Schwabe,
&gt; Pfälzer fühlt und nicht mindestens in gleichem Maße als Deutscher? Ich halte
&gt; das für unwahrscheinlich.
&gt;
&gt; Ich glaube nicht, dass man, wenn man so urteilt, damit automatisch schon
&gt; einer „deutschnationalen“ Deutung verfällt und ich halte es nicht für
&gt; sinnvoll, das Bewusstsein der Kolonisten um ihre deutsche Identität (wenn
&gt; auch aus guten Absichten heraus) zu leugnen. Sicher hat man die Forschung
&gt; aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielen Punkten sehr kritisch
&gt; zu sehen und muss sich von ihren mitunter ideologischen Deutungen
&gt; freimachen. Diese erblicke ich aber noch nicht in der Konstruktion einer
&gt; (natürlich ganz unpolitisch verstandenen) deutschen Identität bei den
&gt; Kolonisten, die meiner Ansicht nach aus den genannten Punkten ganz natürlich
&gt; zustandekam und in der Tat von Anfang an vorhanden war, sondern erst darin,
&gt; ihre kulturelle, kognitive, usw. Überlegenheit gegenüber der polnischen
&gt; Umwelt erweisen und daraus irgendwelche Ansprüche ableiten zu wollen.
&gt; Dagegen finde ich gerade dieses Pochen auf die einzelnen deutschen
&gt; „Stammestümer“ (Sachsen, Märker, usw.) für die Forschung der 1930er/40er
&gt; Jahre typisch und problematisch (Albert Breyer, Walter Kuhn, etc.). Da hat
&gt; man ein Interesse daran, einzelne Gruppencharaktere herauszuarbeiten und
&gt; konstruiert „den pommerschen Bauern“ und stilisiert „den schlesischen“ und
&gt; charaktarisiert sehr oberflächlich und pauschal die Ortschaften als
&gt; märkisch, andere als schlesisch, württembergisch usw. Dabei gab es viele,
&gt; die von Anfang an vollkommen gemischt waren und wo dies nicht der Fall war,
&gt; setzte die Vermischung schon sehr bald, in den ersten Jahrzehnten nach der
&gt; Ansiedlung ein. Zumindest sind dies meine Erfahrungen für die Kolonien
&gt; südlich von Petrikau.
&gt;
&gt; Und nun noch zu der Frage von Andreas „weiß jemand zufällig, wie stark nach
&gt; 1815 die Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland waren?“,
&gt; die ich auch für eine der spannendsten halte. Ich glaube, hier ist noch sehr
&gt; viel Forschungsbedarf und kann nur einige, wenige Eindrücke, ausgehend von
&gt; meinen eigenen – regional v. a. auf den Kreis Radomsko konzentrierten –
&gt; Nachforschungen, wiedergeben.
&gt;
&gt; Vielleicht ist es sinnvoll, zwischen den zwei großen ländlichen
&gt; Siedlungsbewegungen zu unterscheiden: der ungeplanten „Holländersiedlung“
&gt; und der geplanten Kolonisation in südpreußischer Zeit. Die Bewohner der
&gt; „Holländerdörfer“ waren ja zumeist schon seit mehreren Generationen in
&gt; polnischen Gebieten, bevor sie in den Lodzer Raum kamen: in den Wald- und
&gt; Sumpfgebieten und Bruchlandschaften im Raum Kalisch-Konin-Słupca-Turek,
&gt; vorher auf dem Gebiet der späteren Provinz Posen und in den Randgebieten
&gt; Westpreußens und Pommerns. Kontakte bestehen meistens noch zu den Orten, die
&gt; die vorherige „Station“ der Wanderungsbewegung waren, weil man da noch
&gt; Familie hatte, die vor Ort geblieben ist. Sie haben nichts mit dem Wunsch,
&gt; irgendwie Kontakt nach Deutschland zu halten zu tun, sondern sind rein
&gt; familiär motiviert. Die ursprüngliche, regionale Herkunft der Familie ist
&gt; oft in der Erinnerung aufbewahrt (oft auch ungenau), aber eine faktische
&gt; Beziehung zu dieser Urheimat besteht nicht mehr. Auch die Einwanderer aus
&gt; der Neumark pflegen mitunter Kontakte zu ihren Familienangehörigen dort,
&gt; manchmal kommen sogar einige Jahrzehnte später Verwandte nach.
&gt; Rückwanderungen aus Mittelpolen nach Westen sind mir aber im 19. Jahrhundert
&gt; bisher nicht aufgefallen. Die Bewegung derer, die fortziehen, geht eher –
&gt; wie man es gewohnt war – immer weiter nach Osten: Kielcer Region, Lubliner
&gt; Land, Wolhynien, manchmal (v.a. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts)
&gt; Bessarabien.
&gt;
&gt; Bezüglich Berlin hat Hans-Jürgen Bömelburg ganz zutreffend geantwortet. Das
&gt; ist ein Phänomen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Für Mittelpolen
&gt; gibt es ein ähnliches: alles strebt nach Łódź. Wenn man in die Stadt will,
&gt; geht man zunächst dorthin. Abgänge nach Berlin sind ganz selten. Im 20.
&gt; Jahrhundert fahren dann viele deutsche Siedler ins Reich saisonal zur
&gt; Landarbeit (mir scheint, ganz besonders ab Mitte der 1920er Jahre).
&gt;
&gt; Mit der geplanten, preußischen Kolonisation kenne ich mich nicht so gut aus.
&gt; Über die Vorgänge bei deren Ansiedlung und Kontakten in „die Heimat“ gibt es
&gt; einige Andeutungen in den Büchern von Oskar Kossmann, z. B. „Deutsche Mitten
&gt; in Polen. Unsere Vorfahren am Webstuhl der Geschichte“ (1985). Bekannt ist
&gt; mir auch, dass es nach Ende der preußischen Herrschaft vereinzelt Versuche
&gt; gab, die polnisch gewordenen Gebiete wieder zu verlassen und in den
&gt; verbliebenen preußischen Gebieten Aufnahme zu finden. Davon berichten Albert
&gt; Breyer in „Die deutschen ländlichen Siedlungen des mittelpolnischen
&gt; Warthebruches“ (in: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen 34
&gt; (1938), 33–75, hier 62f.) und Alfred Pockrandt in den Artikeln „Deutsche
&gt; Rückwanderung aus Mittelpolen nach 1815“ (Deutsche Monatshefte in Polen 3
&gt; (13).3/4 (1936), 105–146) und „Die Rückwanderung deutscher Kolonisten aus
&gt; Süd- und Neuostpreußen nach 1815 und ihre Ansiedlung in Ostpreußen“
&gt; (Altpreußische Forschungen 14 (1937), 65–109).
&gt;
&gt; Zu den städtischen Handwerkerfamilien, die unabhängig von diesen beiden
&gt; großen Siedlungsbewegungen nach Mittelpolen gingen, bin ich leider nicht
&gt; auskunftsfähig. Für die Einwanderer nach 1815 werden auch andere wesentlich
&gt; besser Bescheid wissen.
&gt;
&gt; Vielleicht gibt das Gesagte trotzdem einigen Aufschluss.
&gt;
&gt;
&gt;
&gt; Herzliche Grüße,
&gt;
&gt; Marcus König.
&gt;
&gt;
&gt;
&gt; _______________________________________________
&gt; Mittelpolen-L mailing list
&gt; Mittelpolen-L@genealogy.net
&gt; https://list.genealogy.net/mm/listinfo/mittelpolen-l
&gt;
&gt; _______________________________________________
&gt; Mittelpolen-L mailing list
&gt; Mittelpolen-L@genealogy.net
&gt; https://list.genealogy.net/mm/listinfo/mittelpolen-l
&gt;

Hallo Marcus,

vielen Dank für deine Rückmeldung.

Du hast natürlich Recht, so ist es auch bei Kossmann (Die Anfänge des
Deutschtums in Litzmannstädter Raum) nachzulesen: die Hauländer übernahmen
weitgehend die Aufgabe, das Wald- und Sumpfland für die Schwaben urbar zu
machen. Darin hatten sie über viele Generationen hinweg Erfahrung gesammelt,
die Schwaben waren damit großenteils überfordert.
Gleichwohl glaube ich gelesen zu haben, dass die Schwaben Kenntnisse bei der
eigentlichen Landwirtschaft mitbrachten, die fortschrittlicher waren als
jene östlich der Oder. Dazu kenne ich aber keine Details.

Meine eigene Ahnentafel spiegelt fast die komplette regionale
Zusammensetzung der ländlichen Einwanderung ins Lodzer Umland wider.
Es waren (ursprünglich) schlesische, märkische und pommersche Hauländer
dabei, die über Zwischenstationen im Posener und Kalischer Land, an Netze
oder Warthe, Kujawien schließlich Mittelpolen erreichten.
Außerdem Badener und Württemberger (teils über Westpreußen) - keine Elsässer
oder Pfälzer - und zuletzt Hessen.
Ich habe mal geschaut, wann die "Vermischung" stattfand und dabei
festgestellt, dass zumindest bei meiner begrenzten Stichprobe die Öffnung
eher graduell verlief. Vor allem die Zahl der Ehen zwischen Süddeutschen und
Hauländern nahm erst nach einigen Jahrzehnten zu. Das mag auch an der
räumlichen Verteilung gelegen haben. Meine Schwaben bewegten sich offenbar
eher in ihrem Cluster im Südosten von Lodz, die Pommern (meine Verwandten
sprachen von Kaschuben) eher im Norden und die Schlesier hauptsächlich im
Westen. Was andererseits manche Hessen aus Babice und Bechcice (im Westen)
nicht darin hinderte, alsbald Kontakt zu den Schwaben aufzunehmen.
Die wenigen katholischen deutschen (meist badischen???) Bauern werden sich
wohl entweder den Lutheranern angeschlossen haben oder polonisiert worden
sein, schon aufgrund der polnischsprachigen kath. Schulen - und damit aus
unserem Betrachtungsfeld verschwunden sein (sie hatten ja dann meist keine
deutschen Nachfahren mehr).
Anders sah es vermutlich in der Stadt Lodz aus, wo es ja gar nicht so wenige
Katholiken aus Böhmen und Schlesien gab. In die Stadt habe ich, wie schon
erwähnt, kaum Verbindungen.
Neben den konfessionellen, sprachlichen und stammesmäßigen Abgrenzungen kam
ja noch die soziale dazu. Ehen kamen vermutlich in der Regel weder mit den
polnischen leibeigenen Bauern (vor 1861) noch mit dem deutschen/polnischen
Proletariat in der Stadt in Frage. Natürlich auch nicht mit den
Fabrikantenfamilien.

Dabei fällt mir auf, dass sich in unserem Kreis hier weit überwiegend
Nachfahren der ländlichen Familien tummeln.
Liegt es daran, dass wir größere Mühe haben, die Herkunft unserer Vorfahren
zu erforschen?
Die Städter sind ja überwiegend nach 1820 eingetroffen, da dürften die
Herkunftsangaben in den KB wohl meist recht vollständig sein.
Ich habe weiterhin einige Lücken und werden sie vermutlich auch nicht mehr
schließen können.

Viele Grüße
Michael Stockhausen

Hallo Armin,

das ist sehr interessant.
Wann hat die Familie denn Deutschland verlassen?
Hatte er tatsächlich die "deutsche" Staatsbürgerschaft? War es nicht bis zum
1. WK die preußische, württembergische etc?

Gruß
Michael

Hallo Maik,

danke auch Dir für die Rückmeldung.

Die starke Auswanderung aus Süddeutschland, vor allem Baden, um 1816 auch nach Russland war mir zwar bekannt, ich wäre bisher aber immer eher von dem Ziel Bessarabien und die Schwarzmeerregion ausgegangen.
Trafen zu dieser Zeit auch Familien im Lodzer Raum ein?
Nach meinem Eindruck gab es nach 1815 eher eine Abwanderung der “Schwaben” aus der Lodzer Gegend, z. B. nach Bessarabien. Die freiwerdenden Höfe wurden dann hauptsächlich von Hauländern nachbesetzt, aber auch von frisch ausgewanderten Süddeutschen? Neue Kolonien für sie gab es ja keine, oder?

Gruß
Michael

Hallo Michael,wann wurde das deutsche Reich "gegründet" ? 1871?Damit hörte die Oberhoheit der Fürsten und Kleinkönige auf ;-)GrüßeGüntherTemat: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen DeutschennachDeutschland nach 1815Data: 2021-06-13 14:09Nadawca: "Michael Stockhausen via Mittelpolen-L" Adresat: ziearm@web.de; irmgard-m@web.de; mittelpolen-l@genealogy.net; &gt; Hallo Armin,
&gt;
&gt; das ist sehr interessant.
&gt; Wann hat die Familie denn Deutschland verlassen?
&gt; Hatte er tatsächlich die "deutsche" Staatsbürgerschaft? War es nicht bis zum
&gt; 1. WK die preußische, württembergische etc?
&gt;
&gt; Gruß
&gt; Michael
&gt;
&gt; -----Ursprüngliche Nachricht-----
&gt; From: Armin Ziebart via Mittelpolen-L
&gt; Sent: Saturday, June 12, 2021 11:16 AM
&gt; To: irmgard-m@web.de ; mittelpolen-l@genealogy.net
&gt; Subject: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen
&gt; DeutschennachDeutschland nach 1815
&gt;
&gt; Guten morgen,
&gt;
&gt; eine kleine Ergänzung von mir zu diesem Thema.
&gt;
&gt; die deutsche Herkunft wurde schon von den Auswandern
&gt; gepflegt.
&gt; Ich befinde mich im Besitz einer Urkunde meines Urgroßonkels,
&gt; der sich sich vom russischen und deutschen Konsulat
&gt; in Kiew 1880 seine deutsche Staatsangehörigkeit
&gt; per Urkunde bescheinigen ließ.
&gt; Umgangssprachlich galt er damit als "Deutsch Untertäner"
&gt; und unterlag auch der Wehrpflicht im damaligen Deutschen Reich.
&gt;
&gt; mfg
&gt;
&gt; Armin Ziebart
&gt;
&gt; -----Ursprüngliche Nachricht-----
&gt; From: Irmgard Müller via Mittelpolen-L
&gt; Sent: Saturday, June 12, 2021 7:23 AM
&gt; To: 'Günther via Mittelpolen-L'
&gt; Subject: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschennach
&gt; Deutschland nach 1815
&gt;
&gt;
&gt;
&gt;
&gt;
&gt; Von: Marcus König
&gt; Gesendet: Freitag, 11. Juni 2021 12:16
&gt; An: Günther via Mittelpolen-L
&gt; Betreff: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen
&gt; nach Deutschland nach 1815
&gt;
&gt;
&gt;
&gt; Hallo in die Runde,
&gt;
&gt; in die Diskussion um das Selbstverständnis der mittelpolnischen Kolonisten
&gt; würde ich mich auch gerne einschalten und ein bisschen gegen das bisher
&gt; Gesagte argumentieren.
&gt;
&gt; &gt;&gt; Zu fragen wäre deshalb, sahen sich die Zuwanderer überhaupt als
&gt; &gt;&gt; "Deutsche"? Und wenn ja, ab wann? Oder nicht stärker als Sachsen,
&gt; &gt;&gt; Schlesier, Böhmen (Österreich-Orientierung?), Polendeutsche,
&gt; &gt;&gt; Deutschpolen... Die neuere Forschung (Winson Chu) geht von einer
&gt; &gt;&gt; "Fabrikation" von Deutschen erst im 20. Jh. aus. Ich schreibe gerade ein
&gt; &gt;&gt; Buch über Lodz und würde mich dem anschließen.&lt;&lt;
&gt;
&gt; „Sahen sich die Zuwanderer überhaupt als Deutsche?“ Ich würde die Frage
&gt; bejahen und das – zumindest in unserem Kontext – nicht erst ins 20.
&gt; Jahrhundert legen. Ist es nicht selbstverständlich, dass sich Deutsche und
&gt; sei es auch aus verschiedenen deutschen Staaten durch ihre gemeinsame
&gt; Sprache in einer fremdsprachigen Umgebung geeint fühlen? Auch sind die
&gt; kulturellen Ähnlichkeiten der meisten deutschen Zuwanderer untereinander
&gt; fraglos immer noch enger als die zur polnischen Kultur gewesen. Bei den
&gt; Zuwanderern aus der „Holländersiedlung“, die schon seit Generationen im
&gt; großpolnischen Raum ansässig waren, mag man darüber diskutieren können,
&gt; vielleicht auch noch bei den Schlesiern aus zweisprachigen Gebieten. Bei den
&gt; Schwaben, Pfälzern, Märkern, Mecklenburgern glaube ich, ist die Lage jedoch
&gt; eindeutig. Hinzu kommt, dass abgesehen von dem engeren Lodzer Raum, wo es
&gt; auch einige deutsch-katholische Siedlungen gab, die überwiegende Mehrzahl
&gt; der deutschen Kolonisten evangelisch war und dadurch auch noch einmal anders
&gt; geprägt als die polnische Umwelt. Und diese Kolonisten hatten ja auch ein
&gt; eigenes, sie verbindendes – deutschsprachiges! – Schulwesen (und es gibt
&gt; öfters Klagen darüber - auch bei Schlesiern -, dass die dort eingesetzten
&gt; Lehrer, auch noch in den 1850er und 1860er Jahren, als polnische Kinder
&gt; diese Schulen mitbesuchen wollten, nicht einmal polnisch konnten - deutsche
&gt; Parallelkultur!). Ebenso differenzierte die polnische Umwelt nicht zwischen
&gt; Württembergern, Pfälzern, Hessen, usw. – für sie waren alle „Szwaby“ oder
&gt; „Olędrzy“, unabhängig von der Herkunft. Das alles wird dazu beigetragen
&gt; haben, dass man sich auch als eine Einheit verstand. So gibt es auch
&gt; Ortsnamen wie „Deutschland“ (ich meine, schon in den 1820er Jahren belegt;
&gt; polnischer Name: Trząs) bei Bełchatów und „Koschminer Deutsch Hauland“
&gt; (bereits 18. Jhd; und nicht etwa „Schlesisch Hauland“) in Großpolen und
&gt; Kolonien mit dem Ortsnamenzusatz „niemiecki“.
&gt;
&gt; Natürlich ist es selbstverständlich, dass man sich, wo viele Deutsche an
&gt; einem Ort zusammenkamen wie im engeren Lodzer Raum, eher zu seinen
&gt; Landsleuten im engeren Sinne hielt und sich dort über das Deutschsein hinaus
&gt; eine Art Regionalbewusstsein herausbildete. Bei denen, mit denen man in
&gt; seiner Mundart reden kann und noch enger durch Sitten und Gebräuche geeint
&gt; ist, fühlt man sich heimischer. Und wo die Zuwanderer aus ein und demselben
&gt; Gebiet kamen, benennt man die Kolonien nach seinen Heimatdörfern, wie
&gt; Günther bemerkt hat. Aber kann man daraus schon folgern, dass man sich -
&gt; insbesondere dem polnischen Umfeld gegenüber - nur als Sachse, Schwabe,
&gt; Pfälzer fühlt und nicht mindestens in gleichem Maße als Deutscher? Ich halte
&gt; das für unwahrscheinlich.
&gt;
&gt; Ich glaube nicht, dass man, wenn man so urteilt, damit automatisch schon
&gt; einer „deutschnationalen“ Deutung verfällt und ich halte es nicht für
&gt; sinnvoll, das Bewusstsein der Kolonisten um ihre deutsche Identität (wenn
&gt; auch aus guten Absichten heraus) zu leugnen. Sicher hat man die Forschung
&gt; aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielen Punkten sehr kritisch
&gt; zu sehen und muss sich von ihren mitunter ideologischen Deutungen
&gt; freimachen. Diese erblicke ich aber noch nicht in der Konstruktion einer
&gt; (natürlich ganz unpolitisch verstandenen) deutschen Identität bei den
&gt; Kolonisten, die meiner Ansicht nach aus den genannten Punkten ganz natürlich
&gt; zustandekam und in der Tat von Anfang an vorhanden war, sondern erst darin,
&gt; ihre kulturelle, kognitive, usw. Überlegenheit gegenüber der polnischen
&gt; Umwelt erweisen und daraus irgendwelche Ansprüche ableiten zu wollen.
&gt; Dagegen finde ich gerade dieses Pochen auf die einzelnen deutschen
&gt; „Stammestümer“ (Sachsen, Märker, usw.) für die Forschung der 1930er/40er
&gt; Jahre typisch und problematisch (Albert Breyer, Walter Kuhn, etc.). Da hat
&gt; man ein Interesse daran, einzelne Gruppencharaktere herauszuarbeiten und
&gt; konstruiert „den pommerschen Bauern“ und stilisiert „den schlesischen“ und
&gt; charaktarisiert sehr oberflächlich und pauschal die Ortschaften als
&gt; märkisch, andere als schlesisch, württembergisch usw. Dabei gab es viele,
&gt; die von Anfang an vollkommen gemischt waren und wo dies nicht der Fall war,
&gt; setzte die Vermischung schon sehr bald, in den ersten Jahrzehnten nach der
&gt; Ansiedlung ein. Zumindest sind dies meine Erfahrungen für die Kolonien
&gt; südlich von Petrikau.
&gt;
&gt; Und nun noch zu der Frage von Andreas „weiß jemand zufällig, wie stark nach
&gt; 1815 die Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland waren?“,
&gt; die ich auch für eine der spannendsten halte. Ich glaube, hier ist noch sehr
&gt; viel Forschungsbedarf und kann nur einige, wenige Eindrücke, ausgehend von
&gt; meinen eigenen – regional v. a. auf den Kreis Radomsko konzentrierten –
&gt; Nachforschungen, wiedergeben.
&gt;
&gt; Vielleicht ist es sinnvoll, zwischen den zwei großen ländlichen
&gt; Siedlungsbewegungen zu unterscheiden: der ungeplanten „Holländersiedlung“
&gt; und der geplanten Kolonisation in südpreußischer Zeit. Die Bewohner der
&gt; „Holländerdörfer“ waren ja zumeist schon seit mehreren Generationen in
&gt; polnischen Gebieten, bevor sie in den Lodzer Raum kamen: in den Wald- und
&gt; Sumpfgebieten und Bruchlandschaften im Raum Kalisch-Konin-Słupca-Turek,
&gt; vorher auf dem Gebiet der späteren Provinz Posen und in den Randgebieten
&gt; Westpreußens und Pommerns. Kontakte bestehen meistens noch zu den Orten, die
&gt; die vorherige „Station“ der Wanderungsbewegung waren, weil man da noch
&gt; Familie hatte, die vor Ort geblieben ist. Sie haben nichts mit dem Wunsch,
&gt; irgendwie Kontakt nach Deutschland zu halten zu tun, sondern sind rein
&gt; familiär motiviert. Die ursprüngliche, regionale Herkunft der Familie ist
&gt; oft in der Erinnerung aufbewahrt (oft auch ungenau), aber eine faktische
&gt; Beziehung zu dieser Urheimat besteht nicht mehr. Auch die Einwanderer aus
&gt; der Neumark pflegen mitunter Kontakte zu ihren Familienangehörigen dort,
&gt; manchmal kommen sogar einige Jahrzehnte später Verwandte nach.
&gt; Rückwanderungen aus Mittelpolen nach Westen sind mir aber im 19. Jahrhundert
&gt; bisher nicht aufgefallen. Die Bewegung derer, die fortziehen, geht eher –
&gt; wie man es gewohnt war – immer weiter nach Osten: Kielcer Region, Lubliner
&gt; Land, Wolhynien, manchmal (v.a. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts)
&gt; Bessarabien.
&gt;
&gt; Bezüglich Berlin hat Hans-Jürgen Bömelburg ganz zutreffend geantwortet. Das
&gt; ist ein Phänomen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Für Mittelpolen
&gt; gibt es ein ähnliches: alles strebt nach Łódź. Wenn man in die Stadt will,
&gt; geht man zunächst dorthin. Abgänge nach Berlin sind ganz selten. Im 20.
&gt; Jahrhundert fahren dann viele deutsche Siedler ins Reich saisonal zur
&gt; Landarbeit (mir scheint, ganz besonders ab Mitte der 1920er Jahre).
&gt;
&gt; Mit der geplanten, preußischen Kolonisation kenne ich mich nicht so gut aus.
&gt; Über die Vorgänge bei deren Ansiedlung und Kontakten in „die Heimat“ gibt es
&gt; einige Andeutungen in den Büchern von Oskar Kossmann, z. B. „Deutsche Mitten
&gt; in Polen. Unsere Vorfahren am Webstuhl der Geschichte“ (1985). Bekannt ist
&gt; mir auch, dass es nach Ende der preußischen Herrschaft vereinzelt Versuche
&gt; gab, die polnisch gewordenen Gebiete wieder zu verlassen und in den
&gt; verbliebenen preußischen Gebieten Aufnahme zu finden. Davon berichten Albert
&gt; Breyer in „Die deutschen ländlichen Siedlungen des mittelpolnischen
&gt; Warthebruches“ (in: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen 34
&gt; (1938), 33–75, hier 62f.) und Alfred Pockrandt in den Artikeln „Deutsche
&gt; Rückwanderung aus Mittelpolen nach 1815“ (Deutsche Monatshefte in Polen 3
&gt; (13).3/4 (1936), 105–146) und „Die Rückwanderung deutscher Kolonisten aus
&gt; Süd- und Neuostpreußen nach 1815 und ihre Ansiedlung in Ostpreußen“
&gt; (Altpreußische Forschungen 14 (1937), 65–109).
&gt;
&gt; Zu den städtischen Handwerkerfamilien, die unabhängig von diesen beiden
&gt; großen Siedlungsbewegungen nach Mittelpolen gingen, bin ich leider nicht
&gt; auskunftsfähig. Für die Einwanderer nach 1815 werden auch andere wesentlich
&gt; besser Bescheid wissen.
&gt;
&gt; Vielleicht gibt das Gesagte trotzdem einigen Aufschluss.
&gt;
&gt;
&gt;
&gt; Herzliche Grüße,
&gt;
&gt; Marcus König.
&gt;
&gt;
&gt;
&gt; _______________________________________________
&gt; Mittelpolen-L mailing list
&gt; Mittelpolen-L@genealogy.net
&gt; https://list.genealogy.net/mm/listinfo/mittelpolen-l
&gt;
&gt; _______________________________________________
&gt; Mittelpolen-L mailing list
&gt; Mittelpolen-L@genealogy.net
&gt; https://list.genealogy.net/mm/listinfo/mittelpolen-l
&gt;
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&gt; Mittelpolen-L mailing list
&gt; Mittelpolen-L@genealogy.net
&gt; https://list.genealogy.net/mm/listinfo/mittelpolen-l
&gt;

Hallo Günther,
   Laut Wikipedia:
   Im [1]Norddeutschen Bund, der 1867 in gesamtstaatlichem Sinne zu
   einem [2]Bundesstaat umgewandelt, der [3]1870 territorial erweitert und
   1871 in [4]Deutsches Reich umbenannt wurde, gab es keine deutsche
   Staatsangehörigkeit. Vielmehr bestanden die Staatsangehörigkeiten der
   jeweiligen [5]Gliedstaaten, z. B. die
   von [6]PreuÃen, [7]Bayern, [8]Württemberg etc., fort.
   Das deutsche Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) stammt
   aus dem Jahr 1913.
   GruÃ
   Michael
   Gesendet mit der WEB.DE iPad App

Hallo Michael,
völlig richtig, und ich denke, genau dies wollte Günther mit seiner
fragenden Feststellung auch deutlich machen
(Deutsches Reich ab 1871).
Was mir immer wieder aufgefallen ist:
in vielen lutherischen Kirchenbüchern aus dem südlichen Russland von
Mitte 1800 ist die Bezeichnung "preussischer Untertan" als
Nationalitätsangabe zu finden, was ich so in dieser Form in
Kongresspolen oder Russisch-Polen nicht gesehen habe.
Diese Begrifflichkeit von "deutschen" Kolonisten im Unterschied zu den
polnischen Menschen, ist meines Erachtens erst rückwirkend in der
Geschichtsschreibung nach 1920/30 entstanden, natürlich im Geist der
damaligen Zeit;
100, 150 Jahre vorher fühlten sich die Siedler, Kolonisten, Handwerker
usw. entsprechend ihrer Herkunft als Sachsen, Würtemberger, Schlesier,
Pommern usw.
Sicher kann man als ein verbindendes Element auch den lutherischen
Glauben annehmen, aber schon bei der Sprache "Deutsch" hege ich gewisse
Zweifel, außer es wird "nicht Polnisch" als Minimalkonsens herangezogen.
Ich weiß jetzt nicht, wie z.B. der böhmische Dialekt klang, aber ein
Pommer hatte mit z.B. einem Schwaben oder Hessen sicher
Verständnisprobleme :wink: (als 10-jähriger mit brandenburgischen Eltern
hatte ich z.B. erhebliche Schwierigkeiten, meinen Cousin aus Rimbach
überhaupt zu verstehen).

Gruß
Manfred

Liebe Freunde,&nbsp;sehr interessant. Es muss aber da vorher eine Vereinbarung der Bundesstaaten gegeben haben, dann die Beglaubigung 1880 wurde ja von einem "deutschem" Diplomaten ausgestellt und von keinem sächsischem oder bayerischem.In den evangelischen Kirchenbüchern von Gostynin, welche ich von 1810 bis 1858 auf dem Rechner habe, spielt die Staatsbürgerschaft überhaupt keine Rolle. Entweder wurde die Person in einem konkretem Ort geboren oder es wurde die Bezeichnung "Prusy" verwendet.&nbsp;GrüßeGüntherTemat: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen DeutschennachDeutschland nach 1815Data: 2021-06-13 21:00Nadawca: "M.Hensel" Adresat: mittelpolen-l@genealogy.net; &gt; Hallo Michael,
&gt; völlig richtig, und ich denke, genau dies wollte Günther mit seiner
&gt; fragenden Feststellung auch deutlich machen
&gt; (Deutsches Reich ab 1871).
&gt; Was mir immer wieder aufgefallen ist:
&gt; in vielen lutherischen Kirchenbüchern aus dem südlichen Russland von
&gt; Mitte 1800 ist die Bezeichnung "preussischer Untertan" als
&gt; Nationalitätsangabe zu finden, was ich so in dieser Form in
&gt; Kongresspolen oder Russisch-Polen nicht gesehen habe.
&gt; Diese Begrifflichkeit von "deutschen" Kolonisten im Unterschied zu den
&gt; polnischen Menschen, ist meines Erachtens erst rückwirkend in der
&gt; Geschichtsschreibung nach 1920/30 entstanden, natürlich im Geist der
&gt; damaligen Zeit;
&gt; 100, 150 Jahre vorher fühlten sich die Siedler, Kolonisten, Handwerker
&gt; usw. entsprechend ihrer Herkunft als Sachsen, Würtemberger, Schlesier,
&gt; Pommern usw.
&gt; Sicher kann man als ein verbindendes Element auch den lutherischen
&gt; Glauben annehmen, aber schon bei der Sprache "Deutsch" hege ich gewisse
&gt; Zweifel, außer es wird "nicht Polnisch" als Minimalkonsens herangezogen.
&gt; Ich weiß jetzt nicht, wie z.B. der böhmische Dialekt klang, aber ein
&gt; Pommer hatte mit z.B. einem Schwaben oder Hessen sicher
&gt; Verständnisprobleme :wink: (als 10-jähriger mit brandenburgischen Eltern
&gt; hatte ich z.B. erhebliche Schwierigkeiten, meinen Cousin aus Rimbach
&gt; überhaupt zu verstehen).
&gt;
&gt; Gruß
&gt; Manfred
&gt;
&gt;
&gt; Am 13.06.21 um 17:06 schrieb Michael Stockhausen via Mittelpolen-L:
&gt; &gt; Hallo Günther,
&gt; &gt; Laut Wikipedia:
&gt; &gt; Im [1]Norddeutschen Bund, der 1867 in gesamtstaatlichem Sinne zu
&gt; &gt; einem [2]Bundesstaat umgewandelt, der [3]1870 territorial erweitert und
&gt; &gt; 1871 in [4]Deutsches Reich umbenannt wurde, gab es keine deutsche
&gt; &gt; Staatsangehörigkeit. Vielmehr bestanden die Staatsangehörigkeiten der
&gt; &gt; jeweiligen [5]Gliedstaaten, z. B. die
&gt; &gt; von [6]Preu�en, [7]Bayern, [8]Württemberg etc., fort.
&gt; &gt; Das deutsche Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) stammt
&gt; &gt; aus dem Jahr 1913.
&gt; &gt; Gru�
&gt; &gt; Michael
&gt; &gt; Gesendet mit der WEB.DE iPad App
&gt; &gt; Am 13.06.21 um 16:58 schrieb fuchsi@poczta.fm
&gt; &gt; Von: fuchsi@poczta.fm
&gt; &gt; Datum: 13. Juni 2021
&gt; &gt; An: "ziearm@web.de" ,
&gt; &gt; "irmgard-m@web.de" ,
&gt; &gt; mittelpolen-l@genealogy.net,
&gt; &gt; michael.stockhausen.ff@web.de
&gt; &gt; Cc:
&gt; &gt; Betreff: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen
&gt; &gt; DeutschennachDeutschland nach 1815
&gt; &gt;
&gt; &gt; Hallo Michael,
&gt; &gt; wann wurde das deutsche Reich "gegründet" ? 1871?
&gt; &gt; Damit hörte die Oberhoheit der Fürsten und Kleinkönige auf :wink:
&gt; &gt; Grü�e
&gt; &gt; Günther
&gt; &gt; Temat: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen
&gt; &gt; DeutschennachDeutschland nach 1815
&gt; &gt; Data: 2021-06-13 14:09
&gt; &gt; Nadawca: "Michael Stockhausen via Mittelpolen-L"
&gt; &gt; Adresat: ziearm@web.de; irmgard-m@web.de; mittelpolen-l@genealogy.net;
&gt; &gt;
&gt; &gt;&gt; Hallo Armin,
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; das ist sehr interessant.
&gt; &gt;&gt; Wann hat die Familie denn Deutschland verlassen?
&gt; &gt;&gt; Hatte er tatsächlich die "deutsche" Staatsbürgerschaft? War es nicht bis zum
&gt; &gt;&gt; 1. WK die preu�ische, württembergische etc?
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Gru�
&gt; &gt;&gt; Michael
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; -----Ursprüngliche Nachricht-----
&gt; &gt;&gt; From: Armin Ziebart via Mittelpolen-L
&gt; &gt;&gt; Sent: Saturday, June 12, 2021 11:16 AM
&gt; &gt;&gt; To: irmgard-m@web.de ; mittelpolen-l@genealogy.net
&gt; &gt;&gt; Subject: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen
&gt; &gt;&gt; DeutschennachDeutschland nach 1815
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Guten morgen,
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; eine kleine Ergänzung von mir zu diesem Thema.
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; die deutsche Herkunft wurde schon von den Auswandern
&gt; &gt;&gt; gepflegt.
&gt; &gt;&gt; Ich befinde mich im Besitz einer Urkunde meines Urgro�onkels,
&gt; &gt;&gt; der sich sich vom russischen und deutschen Konsulat
&gt; &gt;&gt; in Kiew 1880 seine deutsche Staatsangehörigkeit
&gt; &gt;&gt; per Urkunde bescheinigen lie�.
&gt; &gt;&gt; Umgangssprachlich galt er damit als "Deutsch Untertäner"
&gt; &gt;&gt; und unterlag auch der Wehrpflicht im damaligen Deutschen Reich.
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; mfg
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Armin Ziebart
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; -----Ursprüngliche Nachricht-----
&gt; &gt;&gt; From: Irmgard Müller via Mittelpolen-L
&gt; &gt;&gt; Sent: Saturday, June 12, 2021 7:23 AM
&gt; &gt;&gt; To: 'Günther via Mittelpolen-L'
&gt; &gt;&gt; Subject: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschennach
&gt; &gt;&gt; Deutschland nach 1815
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Von: Marcus König
&gt; &gt;&gt; Gesendet: Freitag, 11. Juni 2021 12:16
&gt; &gt;&gt; An: Günther via Mittelpolen-L
&gt; &gt;&gt; Betreff: Re: [Mittelpolen-L] Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen
&gt; &gt;&gt; nach Deutschland nach 1815
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Hallo in die Runde,
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; in die Diskussion um das Selbstverständnis der mittelpolnischen Kolonisten
&gt; &gt;&gt; würde ich mich auch gerne einschalten und ein bisschen gegen das bisher
&gt; &gt;&gt; Gesagte argumentieren.
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt;&gt;&gt; Zu fragen wäre deshalb, sahen sich die Zuwanderer überhaupt als
&gt; &gt;&gt;&gt;&gt; "Deutsche"? Und wenn ja, ab wann? Oder nicht stärker als Sachsen,
&gt; &gt;&gt;&gt;&gt; Schlesier, Böhmen (�sterreich-Orientierung?), Polendeutsche,
&gt; &gt;&gt;&gt;&gt; Deutschpolen... Die neuere Forschung (Winson Chu) geht von einer
&gt; &gt;&gt;&gt;&gt; "Fabrikation" von Deutschen erst im 20. Jh. aus. Ich schreibe gerade ein
&gt; &gt;&gt;&gt;&gt; Buch über Lodz und würde mich dem anschlie�en.&lt;&lt;
&gt; &gt;&gt; �Sahen sich die Zuwanderer überhaupt als Deutsche?� Ich würde die Frage
&gt; &gt;&gt; bejahen und das � zumindest in unserem Kontext � nicht erst ins 20.
&gt; &gt;&gt; Jahrhundert legen. Ist es nicht selbstverständlich, dass sich Deutsche und
&gt; &gt;&gt; sei es auch aus verschiedenen deutschen Staaten durch ihre gemeinsame
&gt; &gt;&gt; Sprache in einer fremdsprachigen Umgebung geeint fühlen? Auch sind die
&gt; &gt;&gt; kulturellen �hnlichkeiten der meisten deutschen Zuwanderer untereinander
&gt; &gt;&gt; fraglos immer noch enger als die zur polnischen Kultur gewesen. Bei den
&gt; &gt;&gt; Zuwanderern aus der �Holländersiedlung�, die schon seit Generationen im
&gt; &gt;&gt; gro�polnischen Raum ansässig waren, mag man darüber diskutieren können,
&gt; &gt;&gt; vielleicht auch noch bei den Schlesiern aus zweisprachigen Gebieten. Bei den
&gt; &gt;&gt; Schwaben, Pfälzern, Märkern, Mecklenburgern glaube ich, ist die Lage jedoch
&gt; &gt;&gt; eindeutig. Hinzu kommt, dass abgesehen von dem engeren Lodzer Raum, wo es
&gt; &gt;&gt; auch einige deutsch-katholische Siedlungen gab, die überwiegende Mehrzahl
&gt; &gt;&gt; der deutschen Kolonisten evangelisch war und dadurch auch noch einmal anders
&gt; &gt;&gt; geprägt als die polnische Umwelt. Und diese Kolonisten hatten ja auch ein
&gt; &gt;&gt; eigenes, sie verbindendes � deutschsprachiges! � Schulwesen (und es gibt
&gt; &gt;&gt; öfters Klagen darüber - auch bei Schlesiern -, dass die dort eingesetzten
&gt; &gt;&gt; Lehrer, auch noch in den 1850er und 1860er Jahren, als polnische Kinder
&gt; &gt;&gt; diese Schulen mitbesuchen wollten, nicht einmal polnisch konnten - deutsche
&gt; &gt;&gt; Parallelkultur!). Ebenso differenzierte die polnische Umwelt nicht zwischen
&gt; &gt;&gt; Württembergern, Pfälzern, Hessen, usw. � für sie waren alle �Szwaby� oder
&gt; &gt;&gt; �Ol�drzy�, unabhängig von der Herkunft. Das alles wird dazu beigetragen
&gt; &gt;&gt; haben, dass man sich auch als eine Einheit verstand. So gibt es auch
&gt; &gt;&gt; Ortsnamen wie �Deutschland� (ich meine, schon in den 1820er Jahren belegt;
&gt; &gt;&gt; polnischer Name: Trz�s) bei Be�chatów und �Koschminer Deutsch Hauland�
&gt; &gt;&gt; (bereits 18. Jhd; und nicht etwa �Schlesisch Hauland�) in Gro�polen und
&gt; &gt;&gt; Kolonien mit dem Ortsnamenzusatz �niemiecki�.
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Natürlich ist es selbstverständlich, dass man sich, wo viele Deutsche an
&gt; &gt;&gt; einem Ort zusammenkamen wie im engeren Lodzer Raum, eher zu seinen
&gt; &gt;&gt; Landsleuten im engeren Sinne hielt und sich dort über das Deutschsein hinaus
&gt; &gt;&gt; eine Art Regionalbewusstsein herausbildete. Bei denen, mit denen man in
&gt; &gt;&gt; seiner Mundart reden kann und noch enger durch Sitten und Gebräuche geeint
&gt; &gt;&gt; ist, fühlt man sich heimischer. Und wo die Zuwanderer aus ein und demselben
&gt; &gt;&gt; Gebiet kamen, benennt man die Kolonien nach seinen Heimatdörfern, wie
&gt; &gt;&gt; Günther bemerkt hat. Aber kann man daraus schon folgern, dass man sich -
&gt; &gt;&gt; insbesondere dem polnischen Umfeld gegenüber - nur als Sachse, Schwabe,
&gt; &gt;&gt; Pfälzer fühlt und nicht mindestens in gleichem Ma�e als Deutscher? Ich halte
&gt; &gt;&gt; das für unwahrscheinlich.
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Ich glaube nicht, dass man, wenn man so urteilt, damit automatisch schon
&gt; &gt;&gt; einer �deutschnationalen� Deutung verfällt und ich halte es nicht für
&gt; &gt;&gt; sinnvoll, das Bewusstsein der Kolonisten um ihre deutsche Identität (wenn
&gt; &gt;&gt; auch aus guten Absichten heraus) zu leugnen. Sicher hat man die Forschung
&gt; &gt;&gt; aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielen Punkten sehr kritisch
&gt; &gt;&gt; zu sehen und muss sich von ihren mitunter ideologischen Deutungen
&gt; &gt;&gt; freimachen. Diese erblicke ich aber noch nicht in der Konstruktion einer
&gt; &gt;&gt; (natürlich ganz unpolitisch verstandenen) deutschen Identität bei den
&gt; &gt;&gt; Kolonisten, die meiner Ansicht nach aus den genannten Punkten ganz natürlich
&gt; &gt;&gt; zustandekam und in der Tat von Anfang an vorhanden war, sondern erst darin,
&gt; &gt;&gt; ihre kulturelle, kognitive, usw. �berlegenheit gegenüber der polnischen
&gt; &gt;&gt; Umwelt erweisen und daraus irgendwelche Ansprüche ableiten zu wollen.
&gt; &gt;&gt; Dagegen finde ich gerade dieses Pochen auf die einzelnen deutschen
&gt; &gt;&gt; �Stammestümer� (Sachsen, Märker, usw.) für die Forschung der 1930er/40er
&gt; &gt;&gt; Jahre typisch und problematisch (Albert Breyer, Walter Kuhn, etc.). Da hat
&gt; &gt;&gt; man ein Interesse daran, einzelne Gruppencharaktere herauszuarbeiten und
&gt; &gt;&gt; konstruiert �den pommerschen Bauern� und stilisiert �den schlesischen� und
&gt; &gt;&gt; charaktarisiert sehr oberflächlich und pauschal die Ortschaften als
&gt; &gt;&gt; märkisch, andere als schlesisch, württembergisch usw. Dabei gab es viele,
&gt; &gt;&gt; die von Anfang an vollkommen gemischt waren und wo dies nicht der Fall war,
&gt; &gt;&gt; setzte die Vermischung schon sehr bald, in den ersten Jahrzehnten nach der
&gt; &gt;&gt; Ansiedlung ein. Zumindest sind dies meine Erfahrungen für die Kolonien
&gt; &gt;&gt; südlich von Petrikau.
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Und nun noch zu der Frage von Andreas �wei� jemand zufällig, wie stark nach
&gt; &gt;&gt; 1815 die Verbindungen der mittelpolnischen Deutschen nach Deutschland waren?�,
&gt; &gt;&gt; die ich auch für eine der spannendsten halte. Ich glaube, hier ist noch sehr
&gt; &gt;&gt; viel Forschungsbedarf und kann nur einige, wenige Eindrücke, ausgehend von
&gt; &gt;&gt; meinen eigenen � regional v. a. auf den Kreis Radomsko konzentrierten �
&gt; &gt;&gt; Nachforschungen, wiedergeben.
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Vielleicht ist es sinnvoll, zwischen den zwei gro�en ländlichen
&gt; &gt;&gt; Siedlungsbewegungen zu unterscheiden: der ungeplanten �Holländersiedlung�
&gt; &gt;&gt; und der geplanten Kolonisation in südpreu�ischer Zeit. Die Bewohner der
&gt; &gt;&gt; �Holländerdörfer� waren ja zumeist schon seit mehreren Generationen in
&gt; &gt;&gt; polnischen Gebieten, bevor sie in den Lodzer Raum kamen: in den Wald- und
&gt; &gt;&gt; Sumpfgebieten und Bruchlandschaften im Raum Kalisch-Konin-S�upca-Turek,
&gt; &gt;&gt; vorher auf dem Gebiet der späteren Provinz Posen und in den Randgebieten
&gt; &gt;&gt; Westpreu�ens und Pommerns. Kontakte bestehen meistens noch zu den Orten, die
&gt; &gt;&gt; die vorherige �Station� der Wanderungsbewegung waren, weil man da noch
&gt; &gt;&gt; Familie hatte, die vor Ort geblieben ist. Sie haben nichts mit dem Wunsch,
&gt; &gt;&gt; irgendwie Kontakt nach Deutschland zu halten zu tun, sondern sind rein
&gt; &gt;&gt; familiär motiviert. Die ursprüngliche, regionale Herkunft der Familie ist
&gt; &gt;&gt; oft in der Erinnerung aufbewahrt (oft auch ungenau), aber eine faktische
&gt; &gt;&gt; Beziehung zu dieser Urheimat besteht nicht mehr. Auch die Einwanderer aus
&gt; &gt;&gt; der Neumark pflegen mitunter Kontakte zu ihren Familienangehörigen dort,
&gt; &gt;&gt; manchmal kommen sogar einige Jahrzehnte später Verwandte nach.
&gt; &gt;&gt; Rückwanderungen aus Mittelpolen nach Westen sind mir aber im 19. Jahrhundert
&gt; &gt;&gt; bisher nicht aufgefallen. Die Bewegung derer, die fortziehen, geht eher �
&gt; &gt;&gt; wie man es gewohnt war � immer weiter nach Osten: Kielcer Region, Lubliner
&gt; &gt;&gt; Land, Wolhynien, manchmal (v.a. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts)
&gt; &gt;&gt; Bessarabien.
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Bezüglich Berlin hat Hans-Jürgen Bömelburg ganz zutreffend geantwortet. Das
&gt; &gt;&gt; ist ein Phänomen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Für Mittelpolen
&gt; &gt;&gt; gibt es ein ähnliches: alles strebt nach �ódź. Wenn man in die Stadt will,
&gt; &gt;&gt; geht man zunächst dorthin. Abgänge nach Berlin sind ganz selten. Im 20.
&gt; &gt;&gt; Jahrhundert fahren dann viele deutsche Siedler ins Reich saisonal zur
&gt; &gt;&gt; Landarbeit (mir scheint, ganz besonders ab Mitte der 1920er Jahre).
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Mit der geplanten, preu�ischen Kolonisation kenne ich mich nicht so gut aus.
&gt; &gt;&gt; �ber die Vorgänge bei deren Ansiedlung und Kontakten in �die Heimat� gibt es
&gt; &gt;&gt; einige Andeutungen in den Büchern von Oskar Kossmann, z. B. �Deutsche Mitten
&gt; &gt;&gt; in Polen. Unsere Vorfahren am Webstuhl der Geschichte� (1985). Bekannt ist
&gt; &gt;&gt; mir auch, dass es nach Ende der preu�ischen Herrschaft vereinzelt Versuche
&gt; &gt;&gt; gab, die polnisch gewordenen Gebiete wieder zu verlassen und in den
&gt; &gt;&gt; verbliebenen preu�ischen Gebieten Aufnahme zu finden. Davon berichten Albert
&gt; &gt;&gt; Breyer in �Die deutschen ländlichen Siedlungen des mittelpolnischen
&gt; &gt;&gt; Warthebruches� (in: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen 34
&gt; &gt;&gt; (1938), 33�75, hier 62f.) und Alfred Pockrandt in den Artikeln �Deutsche
&gt; &gt;&gt; Rückwanderung aus Mittelpolen nach 1815� (Deutsche Monatshefte in Polen 3
&gt; &gt;&gt; (13).3/4 (1936), 105�146) und �Die Rückwanderung deutscher Kolonisten aus
&gt; &gt;&gt; Süd- und Neuostpreu�en nach 1815 und ihre Ansiedlung in Ostpreu�en�
&gt; &gt;&gt; (Altpreu�ische Forschungen 14 (1937), 65�109).
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Zu den städtischen Handwerkerfamilien, die unabhängig von diesen beiden
&gt; &gt;&gt; gro�en Siedlungsbewegungen nach Mittelpolen gingen, bin ich leider nicht
&gt; &gt;&gt; auskunftsfähig. Für die Einwanderer nach 1815 werden auch andere wesentlich
&gt; &gt;&gt; besser Bescheid wissen.
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Vielleicht gibt das Gesagte trotzdem einigen Aufschluss.
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Herzliche Grü�e,
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt; Marcus König.
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt;
&gt; &gt;&gt;
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&gt; &gt; References
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&gt; &gt; 1. Norddeutscher Bund – Wikipedia
&gt; &gt; 2. https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesstaat_(Föderaler_Staat)
&gt; &gt; 3. Deutsche Reichsgründung – Wikipedia
&gt; &gt; 4. Deutsches Reich – Wikipedia
&gt; &gt; 5. Gliedstaat – Wikipedia
&gt; &gt; 6. Königreich Preußen – Wikipedia
&gt; &gt; 7. Bayerische Staatsangehörigkeit – Wikipedia
&gt; &gt; 8. Königreich Württemberg – Wikipedia
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