Liebe Alle,
ein unangenehmes Problem, mit dem jeder Sozialstatistiker in Berührung kommt, ist, wenn die Repräsentativität von Umfragen angezweifelt wird, weil „man selbst nicht befragt wurde“.
Vorweg: Dass wir nicht beweisen können, ob der Discourse-Teil der Umfrage repräsentativ war, heißt nicht, dass sie nicht repräsentativ war! Es kann durchaus sein, dass sie es war.
Repräsentativität bedeutet, dass die Umfrageteilnehmer (fast immer nur eine Stichprobe) die Zielgruppe der Studie in ihren wesentlichen Merkmalen widerspiegeln. Dadurch können die Ergebnisse der Umfrage als annähernd genaue Abbildung der Meinungen oder Verhaltensweisen der gesamten Zielgruppe angesehen werden. Was ist wesentlich? Weiß man meist erst hinterher (oder aufgrung einer vorherigen Umfrage); man sollte alles nehmen, was unterschiedliche Erfahrungen und Sichtweisen widerspiegelt.
In der CompGen-Umfrage sind m.E.n. wesentliche Merkmale Alter, Anzahl Vereinszugehörigkeiten und deren Dauer, Engagement-Level, etc. Geschlecht hat sich als unwesentlich herausgestellt. Aber es wird trotzdem gerne genutzt weil es leicht zu erheben ist.
Um Repräsentativität zu zeigen, braucht man:
- Größe der Zielgruppe (hier: Wie viele nutzen Discourse aktiv?)
- Charakteristika der Zielgruppe
- Selbe Charakteristika der Stichprobe
Weil Discourse so datensparsam aufgebaut ist, wie es ist, können wir die ersten beiden Bedingungen nicht erfüllen. Wir wissen nichts über die Discourse-Nutzenden. Man konnte uns nicht mal beantworten, wie viele Umfrage-Einladungen über Discourse geschickt wurden (außer, dass sie an alle ging - wer sie ignoriert hat: Schade!)
Was wissen wir über sie?
- In der Umfrage haben 805 Teilnehmer angegeben, Discourse zu nutzen. Sind das viele, sind das wenig? Keine Ahnung. Ständig hört und liest man, durch den Wechsel wären viele weggegangen, und das haben wir in einem eigenen Umfrage-Teil ja auch eruiert. Also sind 805 viele? Es sind immerhin mehr als 50% aller Umfrage-Teilnehmer.
- 474 Discourse-Nutzende haben angebeben, Mitglied im CompGen zu sein; Mitglied in anderen Vereinen waren 396 (davon 140, die nicht Teil des CompGen sind). 169 waren in keinem Verein Mitglied (mindestens diese habe wir ausschließlich über Discourse erreicht, da sie auch nicht im Forum aktiv sind)
- 69% sind männlich, 23% sind weiblich laut eigenen Angaben (Rest: keine Angabe oder divers)
- Altersverteilung: über 75: 13.6%, 66-75: 29.9%, 51-65: 36.6%, 31-50: 12.4%, unter 30: 0.2%
Wer also meint, die Discourse-Umfrage war nicht repräsentativ, kann mir gerne Daten liefern, idealerweise Stand Januar 2023.
Was wissen wir sonst noch?
- 72% der 805 Discourse-Nutzenden waren schon vorher in einer der offenen Mailingliste; wahrscheinlich sind die übrigen 28% also erst Herbst 2021 zu Discourse dazu gestoßen.
- 51% der Wechsler sind bei allen Listen mitgegangen, 41% nur bei einigen, 7% bei keinem (die sind in gänzlich andere Kategorien gewechsel). Ein häufiger Grund, nicht mitzuwechseln war übrigens das Aufräumen/Ausmisten
- 45% der Wechsler geben an, Discourse genauso intensiv zu nutzen wie vorher die offenen Mailinglisten, 34% weniger und 10% mehr
Ich wäre für eine weitere Umfrage nur für Discourse zu haben. Ich würde heute etliches, speziell zu diesem Teil, anders machen. Aber bitte nicht einfach schimpfen, weil man selbst nicht abgestimmt hat!
VG
Michael