Originally published at: Vortrag am CompGen-Stand zur Genealogica 2022: Hörerlisten Universität Greifswald • Verein für Computergenealogie e.V. (CompGen)
Für Genealogen und Familienforscher sind Universitätsmatrikeln seit langem eine wichtige und erfolgreich genutzte Quelle. In diesen Verzeichnissen trugen sich die Studierenden ein, wenn Sie in die Universität aufgenommen werden. In der Regel erhalten wir daraus die biographischen „Kerndaten“. Was wir aus den Matrikeln nicht erfahren ist: wie es für die Leute auf der Universität weiterging, also was sie eigentlich studierten und bei wem und bis wann? Darüber geben die Hörerlisten Auskunft, die im Mittelpunkt des gemeinsamen Erfassungsprojektes von Compgen und dem Universitätsarchiv Greifswald stehen. Hier im Blog haben wir bereits im Januar 2020 darüber berichtet.
Der Leiter des Universitätsarchivs der Uni Greifswald, Dr. Dirk Alvermann, informiert am 1.4. 2022 um 16:30 Uhr in einem Vortrag am CompGen-Stand zur Genealogica 2022 zum Projekt „Hörerlisten Universität Greifswald“. Besuchen Sie auch die Projektseite des DES-Projekts!
Die Hörerlisten der Universität Greifswald
Die Greifswalder Professoren mussten nämlich jedes Semester in einem standardisierten Tabellenvordruck angeben, welche Lehrveranstaltungen sie abgehalten hatten und vor allem, wer – namentlich – daran teilgenommen hatte. Damit sollte eigentlich der Fleiß sowohl der Professoren als auch der Studenten dokumentiert werden. Aber ihr historischer Wert geht heute natürlich darüber hinaus.
Beispielseite einer Hörerliste beim Professor der Rechte Dr. Pütter im Sommersemester 1864
Vergleicht man diese Listen nämlich mit der Matrikel oder auch mit den gedruckten Verzeichnisse der Studierenden, dann zeigt sich, dass sie nicht nur reichhaltigere Informationen zu den einzelnen Personen bieten, sondern dass in den Hörerlisten auch Studenten vorkommen, deren Namen in der Matrikel oder den anderen Verzeichnissen nicht auftauchen. Wir rechnen damit, dass sich hier etwa 10–15% mehr Namen finden, als in der Matrikel (z. B. nicht immatrikulierte „Gasthörer“). Für Familienforscher besteht der Wert der Fleißlisten (= Labores)darin, dass sie über den reinen Matrikel-Eintrag hinaus Details zum Studium und zum Studienverlauf ihres Vorfahren erhalten können.
Biographische Informationen aus Hörerlisten
Und bei den in den Hörerlisten verzeichneten Studenten handelt es sich übrigens nicht nur um Pommern. Sie machen nur etwa ein Drittel aller Namen aus. Die meisten Greifswalder Studenten kamen aus anderen Provinzen, allen voran Westfalen und der Rheinprovinz, aber auch aus Sachsen, Schlesien, Posen und Brandenburg. Das macht die Quelle auch für Genealogen interessant, deren Vorfahren vielleicht keine engen Beziehungen zu Pommern hatten.
Für die Universitätsgeschichte sind die Hörerlisten noch aus einem anderen Grund spannend, nicht so sehr wegen der einzelnen historischen Individuen, sondern eher wegen ihrer „Studienbiographien“. Die sahen nämlich anders aus, als wir das heute dank geregelter Studiengänge kennen. Universitäre Ausbildung war damals weitaus vielseitiger und im eigentlichen Sinne auch „interdisziplinär“. Die Hörerlisten können uns also heute helfen, die Art des Studierens und Lernens im 19. Jahrhundert etwas besser zu verstehen.
Dr. Dirk Alvermann
(Leiter des Universitätsarchivs der Uni Greifswald)