Volljährigkeits Alter für Trauung

Liebe Listenleser,

für die Trauung der Brautleute war die Volljährigkeit Voraussetzung; sobald
die Volljährigkeit nicht gegeben war, mußte der Vater des Minderjährigen
seine Vollmacht, Zustimmung hierzu erteilen – dies wurde in den Matriken
besonders vermekrt;

Fragen hierzu:
Ab wann war Volljährigkeit für die Heirat gegeben – einheitlich mit 25
Jahren für Bräutigam und Braut?
Gibt es regionale Unterschiede in der Handhabung der Altersgrenze für
Volljährigkeit?

Herzlichen Dank und mit freundlichen Grüßen
Rainer Vogel
Vogel_Rainer@gmx.de

Hallo Rainer,

nachstehende Information habe ich vor einiger Zeit aus einer Mailingliste
kopiert. Sie dürfte Deine Frage beantworten.

Volljährigkeit

Frage:
wenn man um 1870 mit 21 Jahren volljährig war - und das galt ja noch bis
1974 - warum war dann zur Eheschließung bei über 21-jährigen die Zustimmung
der Eltern oder des Vormundes erforderlich? In den Kirchenbüchern, die ich
bei den Mormonen angesehen habe, steht immer vermerkt, dass die Eltern oder
bei Halbwaisen ein Elternteil oder Vormund ihr Einverständnis gegeben haben,
oder war das einfach so üblich und eine reine Formsache?

Antwort:
Bei Mündigkeit/Volljährigkeit (Majorennität) "um 1870" lag den Regelungen in
den deutschen Staaten das neuere römische Recht zugrunde, nach dem
unterschieden wurde:
a) Kindesalter (infantia): unter 7 Jahre, keine Rechtsgeschäfte, Handlungen
ohne rechtliche Bedeutung;
b) Unmündigkeit (impubertas) unter 14 Jahre (bei weiblichen Personen 12
Jahre), Handelungen zum Erwerb von Rechten (z.B. Grundbesitz-Erwerb, aber
nicht Verkauf), d.h. man kann Gläubiger werden, aber nicht Schuldner,
Haftung nur bei
Bereicherung und nur in Höhe der Bereicherung
c) Mündigkeit (pubertas) unter 18 Jahre
d) volle Mündigkeit (plena pubertas) unter 25 Jahre

Bis zum 25. Lebensjahr galt man als "minderjährig" (minoren), d.h. wenn man
nicht unter "elterlicher Gewalt" stand war die Bestellung eines
Altersvormundes notwendig.
Die Rechte des Großjährigen konnten auch an Minderjährige (ab dem 20., bei
weibl. Personen ab dem 18. Lebensjahr) durch landesherrliches Reskript
verliehen werden, unter der Voraussetzung, dass "verständiger und
sittlicher" Lebenswandel nachgewiesen wurde. (Aber auch dann gab es bzgl.
Verkauf von Immobilien, Testament u.ä. besondere Bestimmungen).
e) Volljährigkeit ( aetas legitima oder Majorennität) ab 25 Jahre, alle
Rechtshandlungen des bürgerlichen Lebens (soweit nicht durch besondere
Gesetze anders geregelt).

Stand 1874:
- Baden, Bayern, Hessen, Preußen (als letztes, wohl nach 1870):
  Volljährigkeit 21 Jahre
- Hamburg: Volljährigkeit für Männer 22 Jahre
- Oldenburg: Volljährigkeit 24 Jahre

Hinsichtlich der Heirat gab es besondere Bestimmungen, nach denen auch bei
Volljährigkeit die Einwilligung des Vaters!! notwendig war (nach sächsischem
Recht auch der Mutter).

Das deutsche Reichsgesetz vom 6.2.1875 forderte für die Ehefähigkeit (d.h.
Heirat auch mit elterlicher Erlaubnis) ein Alter von 20 Jahren für Männer
und 16 Jahren für Frauen (nach altem römischen Recht 14 bzw. 12 Jahre). Nach
diesem Gesetz durften Witwen auch erst 10 Monate nach dem Tod des Ehemannes
heiraten, bei Verurteilung durch Ehebruch war eine zweite Heirat verboten.

Auch nach dem Gesetz von 1875 war trotz Volljährigkeit eine Einwilligung
notwendig, und zwar durch den Vater, nach dessen Tode durch die Mutter, bei
unehelichen Kindern die Mutter, (bei Minderjährigen ohne Vater war die
Einwilligung eines Vormundes notwendig, auch wenn die Mutter lebte):
Einwilligung war notwendig bei
- Söhnen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres
- Töchtern des 24. Lebensjahres
Bei Versagen der Einwilligung konnte ein richterlicher Entscheid
herbeigeführt werden.
Personen im Militärdienst (auch im kirchlichen Dienst) bedurften der
Einwilligung (Ehekonsens) der vorgesetzten Behörde.

Beste Grüße
Gerhard (Schröther)