Via Internet Schätze heben in polnischen Archiven

Hallo,

auf dem polnischen Archivserver kann man wahre Schätze heben. Gerade
beschäftige ich mich mit Grundakten (Kreis Breslau) - mit denen ich
Lücken in der Kirchenbuch- oder Standesamts-Überlieferung schließen
konnte. Ich habe einige Personen und Familienzusammenhänge entdeckt, die
bisher unbekannt waren. Weil die Grundakten Erbfolgen enthalten.

Ansonsten sind auch Testamente, oder Einkommensteuerakten u.v.m. auf dem
polnischen Archivserver zu finden. Vieles gibt es als Scans.

https://www.szukajwarchiwach.gov.pl/, aufrufen auf deutsch umschalten,
suchen (z.B. nach Namen), ggf. filtern nach Archiv (links) oder nach
Aktenart - wobei „Pradziat“ Kirchenbücher (z.B. dort einige Bände
Taufberichte der Elisabethkirche Breslau, die in Matricula fehlen) oder
Standesamtsakten sind.

V.a. Standesamtsakten gibt es viele. Der Reader ist leider nicht
gelungen - aber man kann ganze Standesamtsbände oder Kirchenbücher
herunterladen und in Ruhe offline durchblättern, z.B. mit IrfanView.

Wenn eine Akte nicht gescannt ist, kann man sie scannen lassen: es ging
sehr einfach, war preiswert - man braucht nur etwas Geduld. Meine
Erfahrungen beziehen sich auf das Staatsarchiv Breslau.

Die Übersetzung mit DeepL hat bei mir immer gut geklappt.
Die Oberfläche von Szukajwarchiwach ist ausreichend übersetzt.

Das Prozedere war so:

 - Benutzerkonto anlegen, einloggen
 - Akte finden
 - Scan bestellen per Mausklick, es kommt eine Bestätigung per Mail
 - Dann kommt nach einer Weile per Mail eine Rechnung auf polnisch -

bezahlen mit etwas Aufschlag für Währungsschwankungen, das geht
einfach per ganz normaler SEPA-Überweisung; man muss das
Geschäftszeichen der Bestellung als Zweck angeben.
- Warten, ein paar Wochen
- Es kommt eine Mail mit einem Download-Link: herunterladen,
forschen…

Man kauft die Katze im Sack, aber bei 9 Euro oder so ist das nicht
tragisch. Ich habe eine Testamentsakte bekommen, in der leider das
Testament nicht mehr lag; eine Grundakte, in der leider das Geburtsdatum
des Eigentümers nicht stand (wodurch er nicht zu identifizieren ist);
und eine Grundakte mit einer detaillierten Erbfolge - das war ein echter
Treffer.

Bei der Suche hat mich das Archiv mit einigen Antworten unterstützt:
Fragen auf Deutsch, Antwort auf Polnisch, mit DeepL übersetzen.

Es gibt auch sehr umfangreiche Grundakten, die komplett zu scannen recht
teuer wäre. Das Archiv hatte die Akten rausgesucht und uns mitgeteilt,
dass etwas über die gesuchte Familie drin steht (das hat nichts
gekostet) und wir hatten die Gelegenheit, diese Akten vor Ort
durchzusehen und nur auszugsweise scannen zu lassen (fotografieren
durften wir diese Akten leider nicht, anders als Kirchenbücher).

Schöne Grüße,
Renate

Hallo,

dummerweise hatte ich den Ablauf der Scanbestellung für discourse
ungünstig geschrieben, dies hier sollte funktionieren:

  • Benutzerkonto anlegen, einloggen
  • Akte finden
  • Scan bestellen per Mausklick, es kommt eine Bestätigung per Mail
  • Dann kommt nach einer Weile per Mail eine Rechnung auf polnisch -
    bezahlen mit etwas Aufschlag für Währungsschwankungen, das geht
    einfach per ganz normaler SEPA-Überweisung; man muss das
    Geschäftszeichen der Bestellung als Zweck angeben.
  • Warten, ein paar Wochen
  • Es kommt eine Mail mit einem Download-Link: herunterladen, forschen…

Grüße,
Renate

Die Möglichkeit, ein Konto anzulegen, war mir gar nicht klar - eine Bestellung per E-Mail (wenn man auf Polnisch schreibt, also mit Deepl) funktioniert auch.

Ergänzen möchte ich noch, dass mehrere Bibliotheken in Schlesien massiv digitalisieren (Breslau, Oppeln, Kattowitz, auch Posen), gerade die Altbestände vor 1945 mit Zeitungen, lokalen Veröffentlichungen, Schematismen etc. Da kann man auch gigantisch fündig werden, auch mit Heiratsanzeigen, Todesanzeigen etc.

Viele Grüße
TK

Hallo Renate,

super Forschungshinweis! Danke für den Tipp.

Zum Einstieg mal eine Frage.

Ein Familienzweig von mir kommt aus Klein Kniegnitz im Kreis Nimptsch. Dort gab es ein Haus im Familienbesitz.
Unter der Suchfunktion habe ich nun eine Akte „Grundbuchamt Klein Kniegnitz“ gefunden.
Ohne die Katze im Sack zu kaufen, kann ich hier eine kurze Recherche Anfragen und ich bekommen am Ende nur die relevanten Unterlagen? Geht dies über das Onlinekonto oder muss ich diese Anfrage separat platzieren?

Viele Grüße

Aaron

Hallo Aaron,

die ganze Grundbuchamts-Akte ist sicher sehr umfangreich - und da steht
dann nur wenig über Deine Vorfahren drin. Die komplett scannen zu lassen
ist ehern nicht zielführend.

Die „Grundakten“, die ich kenne, haben eine Nummer, die das Anwesen
bezeichnet („Häuslerstelle“ steht auf einer Akte). Der Bestand ist in
dem Fall „Amtsgericht Breslau“. In den Grundakten sind Dokumente zu
Hypotheken, Testamenten und Erbgängen. Du hast also etwas anderes gefunden.

Insofern wäre eine weitere Recherche nach dem konkreten Anwesen wohl
angesagt. Ich hatte das Glück diese Nummern zu finden, weil ich bei der
Suche nach Familiename und Ort auf die erste dieser Akten stieß und dann
weiterkam.

Hast Du es mit Familienname und Ort schon versucht?

Ich weiß auch nicht, ob die Bestände vollständig in Szukajwarchiwach
abgebildet sind. Manches existiert auch nicht mehr. Aber das, was nach
dem Krieg noch existierte, haben die Archive über Jahrzehnte gepflegt,
erschlossen, und jetzt auch zum Teil schon digitalisiert, z.B.
Standesamtsakten und Kirchenbücher. Sie pflegen das Erbe eines anderen
Staates mit anderer Sprache - das ist auch mal einen Gedanken wert.

Wenn Du nicht allein zum Ziel kommst, kannst Du an das Archiv schreiben.
Entweder sie antworten Dir mit konkreten Signaturen, oder sie sagen: Das
ist eine Recherche, die bezahlt werden muss. Die Kosten pro Stunde sind
aber gering, sie stehen dann in dem Brief.

Schreibe auf Deutsch an die Adresse des Archivs: Im Interview mit der
COMPUTERGENEALOGIE vor ein paar Jahren bat der Direktor des
Staatsarchivs Breslau darum, weil die Übersetzungsprogramme oft Unfug
erzeugen (die kommen mit genealogischen oder Archivbegriffen nicht gut
klar, was nicht so stört, wenn man selbst weiß, worum es geht und es die
eigene Sprache ist). Im Archiv kann immer irgendwer Deutsch - sonst
könnten sie mit den Akten gar nicht arbeiten. Bei unserem letzten Besuch
in Breslau sprach die Mitarbeiterin im Leesesaal sehr gut Englisch, Du
könntest also evtl. zusätzlich Deine Anfrage auf Englisch schicken, aber
immer auch auf Deutsch.

Die Antwort kommt immer auf Polnisch als PDF-Anhang einer Mail. Den
Brief kannst Du mit DeepL übersetzen.

Schöne Grüße,
Renate

Das finde ich auch immer sehr bemerkenswert. Vor allem ist es nicht nur das Erbe eines anderen Staates, sondern das Erbe eines Staates, der den eigenen Staat ab 1939 mit einem brutalen und gnadenlosen Vernichtungskrieg überzogen hat, in dem gerade Archive und Kulturgüter in besonderer Weise zerstört wurden.

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Und es gab Gerüchte, dass die Archive in der Oder schwammen u.ä. Gab es
Ideen, die Dokumente nach Deutschland zu holen (wenn ja, welches
Deutschland) - oder meinte man tatsächlich, sie sind alle weg und hat
gar nicht drüber nachgedacht? Es wäre vielleicht mal lohnend zu fragen,
wer entschieden hat, dass die Dokumente (aus dem Schutt gezogen und)
dort gepflegt werden wo sie entstanden sind. War das unumstritten? War
das überall so? Mussten die Archivare mutig sein? Wer waren sie? Wir
verdanken ihnen viel.

Schöne Grüße,
Renate

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Der Versuch einer Antwort über https://www.perplexity.ai/

Die Rettung und Bewahrung alter deutscher Archive in Polen ist ein komplexes Thema mit einer langen Geschichte. Hier sind einige wichtige Aspekte:

Nachkriegszeit und Archivverluste

Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen viele deutsche Archive in den ehemals deutschen Gebieten, die nun zu Polen gehörten, verloren oder wurden zerstört. Ein großer Teil der Bestände wurde jedoch gerettet und in polnische Staatsarchive überführt.

Polnische Staatsarchive

Viele der erhaltenen deutschen Archivbestände befinden sich heute in polnischen Staatsarchiven:

  • Das Hauptarchiv Alter Akten in Warschau bewahrt Dokumente vom 12. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg auf, darunter auch Bestände aus preußischer Zeit[2].

  • Das Staatsarchiv Danzig verfügt über wertvolle Quellen zur pommerschen Geschichte sowie zur Entwicklung des Ostseeraums vom 12. Jahrhundert an. Etwa 55% der dortigen Bestände stammen aus der Zeit vor 1945[2].

  • Im Staatsarchiv Posen machen Dokumente aus der Zeit der polnischen Teilungen mehr als die Hälfte des Bestandes aus, darunter Akten der Stadt Posen und des Reichsstatthalters Warthegau[2].

Digitalisierung und Zugänglichkeit

In den letzten Jahren gab es verstärkte Bemühungen, diese Archivbestände zu digitalisieren und zugänglich zu machen:

  • Das Pilecki-Institut in Polen führt großangelegte Digitalisierungsprojekte durch und sammelt Millionen von Scans historischer Dokumente, auch aus deutschen Beständen[1].

  • Ziel ist es, Forschern den Zugang zu erleichtern und die Notwendigkeit von Reisen zu verschiedenen Archivstandorten zu reduzieren[1].

Internationale Zusammenarbeit

Es gibt zunehmend internationale Kooperationen zur Bewahrung und Erschließung dieser Archivbestände:

  • Das Pilecki-Institut arbeitet mit ausländischen Einrichtungen zusammen, um Dokumente zu digitalisieren, die sich bisher nur in Archiven außerhalb Polens befanden[1].

  • 2019 begann eine Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Bundesarchiv zur Digitalisierung ausgewählter Materialien[1].

Insgesamt war die Rettung der deutschen Archive in Polen ein langwieriger Prozess, an dem viele polnische Archivare und Institutionen beteiligt waren. Die Bemühungen zur Bewahrung und Zugänglichmachung dieser wichtigen historischen Quellen dauern bis heute an.

Citations:
[1] https://www.vda.archiv.net/fileadmin/user_upload/pdf/Tag_der_Archive/form_49f23f40e202a3e6f9194dfc6ec1c7f54154192c/ARCHIV_DES_PILECKI_INSTITUTS_FREISCHALTUNG.pdf
[2] Staatsarchive - Deutsches Historisches Institut Warschau - DHIW
[3] Arolsen Archives – Wikipedia
[4] Polnische Archive
[5] Deutsche Besetzung Polens 1939–1945 – Wikipedia
[6] Ihre eigene Anfrage an polnische Standesämter oder Archive - Auswärtiges Amt
[7] https://www.bundesarchiv.de
[8] https://www.uni-regensburg.de/assets/philosophie-kunst-geschichte-gesellschaft/wirtschafts-und-sozialgeschichte/projekte/Broschuere_WS_2022.pdf

Guten Tag,
Danke für diesen Hinweis, eine weitere gute Recherchemöglichkeit zumal mit Downloadfunktion für eine Sichtung in Ruhe.
Gruß Wolfgang

Warum hätte man das tun sollen? Es gilt schon das Territorial- und Pertinenzprinzip.

Nun, die meisten Dinge, die heute in BReslau im Archiv sind, waren auch schon 1945 dort.
Dort, wo Stadtarchive oder Pfarrarchive vernichtet wurden in Schlesien, waren das in der Regel die Rotarmisten.