Vertreibungen/Antwort

Lieber Klaus,

zunächst sage ich erstmal danke für deine Mail, aber ich kann diese nicht
unbeantwortet lassen.

KlaLiwo@web.de schrieb:

das kann man doch so nicht schreiben - um Gottes Willen!

Geschriebene Worte können nicht mit einer Klangfarbe unterlegt werden, wie
ein gesprochenes Wort, das man noch deuten kann. Denn das Relativ bezog sich auf
die Zahlen und nicht auf das absolute Gräuel, das man wohl kaum beschreiben
kann. Ich würde mich nicht mit diesen Zahlen und mit Schlesien auseinander
setzen, wenn ich nicht Schlesier, wenn auch kein dort geborener, wäre.

Man müßte noch untersuchen, warum der Prozentsatz in Ostbrandenburg
doppelt so groß ist, vermutlich stellt diese Zahl Deine Relation dar,
aber wenn 18% der Bevölkerung einer Provinz ermordet wurden, kann man
dies unter gar keinen Umständen als 'relativ wenig' bezeichnen.

Ich habe keine Relation.

Die Kämpfe in Schlesien dauerten ungefähr 3 1/2 Monate. Am Schluß waren

noch die Festung Breslau sowie ein großer Teil von Südschlesien
(Grafschaft Glatz und weiter rüber in Richtung Frankenstein) von dt.
Truppen besetzt. Massive Luftschläge wie in Westdeutschland gab es
praktisch nicht. Die Schlesier wurden also vor allem nach Einstellung
der jeweiligen Kampfhandlungen ermordet. Da die wehrtüchtigen Männer von
Januar 1945 bis August 1945 an der Front waren oder sich in
Gefangenschaft befanden, waren es hauptsächlich die Frauen, Kinder und
Alte, die für den Nazi-Terror in Polen und der Sowjetunion büßen mußten.
Die Verhältnisse damals in Schlesien lassen sich eigentlich nur mit
denen aus dem 30jährigen Krieg vergleichen.<<
Das beantwortet doch schon mal einen teil meiner Frage. Ich habe in diesem
Zusammenhang aber auch nicht danach gefragt, wer wofür büßen musste, sondern nur
das reine Zahlenmaterial genommen; und hier sind auch die Schlesier
aufgenommen, die den Krieg überlebt haben.

Vor diesem Hintergrund ist
es also unmöglich, das Wort 'wenig' [Tote] zu gebrauchen.

Wie hätte ich es deiner Meinung nach schreiben sollen?

Bei den 700 000 Schlesiern, die später in Polen geblieben sind, handelt
es sich vor allem um Bergleute, aber auch um mehrsprachige Autochtone.

Auch hier wird ein Teil meiner Frage beantwortet, danke. Was sind Autochtone?

Hier muß zwischen OS und NS unterschieden werden. In OS hatten sich ja

etwa 40% damals (Abstimmung nach dem I.WK!) für Polen entschieden.
Einige dieser 'Deutschen' haben beim Einmarsch der Roten Armee in OS
schnell die polnische Fahne aufgezogen, damit ihr Hab und Gut verschont
blieb. Diese Leute haben ohne größere Probleme später die poln.
Staatsangehörigkeit erhalten.<<
Dieses kann man auch nicht so schreiben, oder sollten wir hier noch zwischen
OS und Ost-OS um Tarnowitz und Kattowitz unterscheiden (wohl kaum?), denn in
Gesamtoberschlesien stimmten 59,6 % des Volkes für den Verbleib bei
Deutschland, trotzdem musste Ostoberschlesien 1922 an Polen abgetreten werden. Und wie
verhält es sich mit dem Hultschiner Ländchen, das schon 1920 an die
Tschechoslowakei abgetreten wurde?

Das Thema ist nicht internettauglich. Weder in einer mailing-Liste noch

auf den paar Internetseiten, die es darüber gibt, erhält man genügend
Informationen in ausreichender Qualität.<<
Leider kann ich nicht bei meinem Nachbarn an der Tür klingeln und mich mit
ihm über dieses Thema unterhalten, würde es ihn überhaupt interessieren???
Deswegen ist das Internet für mich die einzige Möglichkeit mich mit diesem Thema
auseinanderzusetzen. Sind die Zahlen des Bundesministeriums von 1967 oder die
DOKUMENTATION DER VERTREIBUNG DER DEUTSCHEN AUS OSTMITTELEUROPA nicht
qualitativ genug?

Zweifelsohne ist hier das Buch

dem neuen Medium noch immer haushoch überlegen.<<
Wenn Du Buchtitel haben möchtest, lass es mich wissen.

Also, einfach mal wieder

eine gute Bibliothek besuchen.<<
Wann ist ene Bibliothek gut oder woran kann ich das messen?

Trotz aller Trauer oder auch Polemik sollte man über diese Zahlen sprechen
und schreiben dürfen.

Viele Grüße
Dr. Roland Mattern
www.schlesien.mattern-online.info

Romattern@aol.com schrieb:

Trotz aller Trauer oder auch Polemik sollte man �ber diese Zahlen sprechen und schreiben d�rfen.

Hallo Roland,

ich sehe, von Deiner Seite stellt sich die Sache etwas komplizierter
dar. Ich w�rde Dir daher gerne vorschlagen, da� wir unseren
Meinungsaustausch privat fortsetzen. Es handelt sich hier um eine
MailingListe zum Thema Schlesische Familienforschung und weitere
Beitr�ge von anderen Teilnehmern gibt es auch nicht.

Ich schreibe Dir dann also privat meine Ansicht �ber die Bedeutung von
'relativ', 'Relation' und 'Polemik'.

Ich denke, das ist dann auch ganz im Sinne unseres listowners Jesper
Zedlitz.

Mit freundlichem Gru�
Klaus Liwowsky