Übersetzungshilfe

Hallo liebe Mittelpolen-Forscher,
ich bin Sebastian Goerke und komme aus der schönen Eifel. Die Recherchen zu meinen Vorfahren mütterlicherseits hier vor Ort gestaltet sich recht einfach, da vieles erfasst und zugänglich ist.
Schwieriger sieht es väterlicherseits aus. Meine Urgroßmutter ist mit meinem Großvater und 2 seiner Brüder nach dem 2. Weltkrieg ins Rheinland gekommen. zuvor lebte die Familie zwischen den Kriegen in Görlitz und davor in Lodz. Zwischen 1909 und 1915 muss die Familie von Zyrardow nach Lodz gezogen sein (Wahrscheinlich in Folge des Ausbruchs 1. Weltkrieg), das geben die Geburtseinträge meiner Großonkel und -tanten her.
Unter nachfolgendem Link findet sich die Heiratsurkunde zur ersten Ehe meines Urgroßvaters Boleslaw Ludwig Goerke mit Helena Kaminski in Zyrardow 1905. Leider handelt es sich um eine kyrillische Handschrift, da Zyrardow zu dieser Zeit zu Russisch-Polen gehörte. Kann mir jemand helfen, relevante Daten zu den Brautleuten und deren Familie herauszuziehen? Die Namen des Brautpaares sind in der Urkunde auch in lateinischer Schrift erfasst, der Rest leider nicht: Metryki - Skanoteka - Baza skanów akt metrykalnych

Vielen Dank und beste Grüße
Sebastian Goerke

Hallo Sebastian,

hier sind die wesentlichen Informationen:

Ort und Tag der Trauung:
Zyrardów am 30.01./12.02.1905

Bräutigam:
Bolesław Ludwik Goerke, ledig, Schreiber? in der Fabrik, geboren in Budzyn Parochie Zychlin, wohnhaft in Ruda Guzowski, Sohn von Karl und Elisabeth geb. Dembicki/Dębicki Eheleute Goerke, 24 Jahre alt

Braut:
Helena Kamińska, ledig, bei der Familie in Ruda Guzowski wohnhaft, geboren in Zyrardow, Tochter des verstorbenen Johann und der Theophila geb. Lukawska Eheleute Kamiński, 22 Jahre alt

Gruß
Kai

Hallo Kai,
vielen vielen Dank. Das hilft mir sehr weiter! Der Geburtsort meines Urgroßvaters war eines der Rätsel, die es zu lösen galt. Damit ist definitiv klar, dass die Eheleute Carl und Elisabeth Goerke nicht auf direktem Wege von Schwetz nach Zyrardow sind, wenn sie denn selbst überhaupt dort hin sind.

Beste Grüße
Sebastian

Zur gleichen Familie habe ich jetzt noch eine Urkunde, deren Erschließung wichtig ist.
Gibt es in der folgenden Sterbebeurkundung Aussagen dazu, wo die verstorbene herkam, mit wem sie verheiratet war? Bisher gingen wir davon aus, dass diese Vorfahrin sehr alt wurde und noch auf alten Familienfotos aus 1938 zu sehen ist, jetzt habe ich meine Zweifel.
Im Index zur Urkunde steht drin, dass die Verstorbene Elzbieta Gierke bzw. Debicka ist. Verstorben ist ist sie im Jahr 1906. Als Eltern werden Jan und Apolonia angegeben. Sind diese eventuell Abwandlungen von Joanes und Paulina?

Hallo Sebastian,

Übersetzung der wichtigsten Details:

Żyrardów, 15. /28. November 1906

Zeugen: Stanislaw Tupczinski, Müller in Ruda Guzowska, 34 J. und Marcen (Marcin) Swenzki, Arbeiter in Żyrardów, 46 J.

  • gestern in Ruda Guzowska Elisabeth Gierke, 66 J., geboren in Preußen, Tochter von Jan (= Johann) und Apollonia (= Paulina) Dębicki, hinterlässt Ehemann Karl Gierke

Die polnischen Entsprechungen von Johann und Pauline findest Du u. a. im Poznan Project. Pauline (poln. Paulina) erscheint in den Urkunden gelegentlich auch als Apol(l)onia, obwohl beide Namen nichts miteinander zu tun haben.

https://www.poznan-project.psnc.pl/index.php?lastname=&lang=de

Grüße aus Solingen

Edelgard

Vielen lieben Dank Edelgard! Das hilft mir auf jeden Fall weiter :slight_smile:

Hallo Edelgard,
erlaube mir zwei Anmerkungen:
Apolonia ist mir bisher (auch) nicht im polnischen Raum vorgekommen, jedoch oft, fast regelmäßig, in Böhmen, konkret in Nordböhmen zwischen Ende 1600 bis Anfang 1800, dafür kann ich mich in keinem Fall an eine Pauline erinnern.
Betreffend die o.g. Sterbeurkunde bin ich der Meinung, dass der Nachname der Elisabeth in Kyrillisch an sich(!) als „GERKE“ gelesen werden müsste, auch wenn der Schreiber „Gierke“ in lateinischen Buchstaben angefügt hat. „Gerke“ als ortstypische Aussprache für „Görke“ würde auch zum Nachnamen von Sebastian passen.
(meine schlesischen „Böbel“ mutierten in Polen zu gesprochenen „Bebel“, so wie zahlreiche andere Beispiele auch: Förster → Ferster, Böttcher → Betker usw.)

Grüße aus dem Westerwald
Manfred

Hallo Manfred,
vielen Dank für deine Anmerkungen.
Die Problematik mit Paulina und Apolonia taucht bei Paulina/ Apolonia Rosinska (der Mutter der Verstorbenen) mehrfach auf. Die Eltern der Verstorbenen lebten in Schwetz. Aufgrund der Konstellationen der Geburtsdaten der beiden, ist es in diesem Fall die identische Person.

Die Problematik mit meinem Nachnamen ist mir mehrfach begegnet. Von meinem Großvater, der Goerke hieß, weiß ich, dass sein Großvater Gehrke sich hat umbenennen lassen in Goerke. Ich vermute aber viel eher, dass die sich irgendwann darauf geeinigt haben Goerke zu heißen. Alleine die Geburtseinträge meines Urgroßvaters und seiner Geschwister weisen bei gleicher kyrillischer Schreibweise für Gehrke (so ist der Name aus der Hochzeitseintragung meiner Ururgroßeltern in Schwetz überliefert) die Schreibweisen: Gerke, Jerkie, Giergie, Guerkie und Gierke auf (Pfarrei Zychlin). Bei den weiteren Beurkundungen in Zyrardow finden sich dann vor allem Gerke, Gierke und Jerke, aber auch Jarke in der Übertragung vom Kyrillischen. Das hat sich bis auf die Grabsteine fortgesetzt. Auf einem Foto des Grabsteines einer Verwandten in Zyrardow ist Gierke die verwendete Schreibweise.

Hallo Sebastian,

ja, der Name birgt viele Varianten in sich. Meine Gerke-Vorfahren kamen vermutlich über Kalisch nach Kongress-Polen und waren um 1816 eingetragene Landwirte (drei Brüder: Martin, Christian und Christoph) in Mogilno, Kreis Dobron/Pabianice, ab 1849 in Paprotnia bei Zdunska Wola (Großraum Lodz).

Auch ich fand wilde Kombinationen vor: Jerke, Jorke, Gerke, Gierke oder Göricke? - Bereits ab 1820/30 wechselten sich insb. Gerke/Jerke ab, ab 1850 kam noch „Gierke“ dazu. Da die Leute meist nicht schreiben konnten, haben die Pastoren die Namen wohl so eingetragen, wie sie es verstanden haben (s. Aussprache G/J im Dt. oder Polnischen, dazu noch mögl. Dialekte „Ick bin da Jerke, wa!“). So wurde August 1852 als Jerke geboren, nachdem sein Vater Michael, auch ein geborener Jerke, als Jorke geheiratet hatte (das jedoch war eine Lesefehler e/o der Person, die das alte Dokument sichtete). Augusts 1855 geborener Bruder Gottfried hieß Gierke, die Schwester Gerke. August selbst heiratete als Gerke, wurde Vater zu 2 Gerkes und 13 Gierkes. Er wanderte mit seiner Familie 1916/17 zurück nach Deutschland (heutiges Sachsen-Anhalt), starb als Gierke und wurde (Grabstein) als Göricke begraben. Seine Nachfahren nennen sich heute wieder Gerke und sind über ganz Deutschland verteilt lebend. - „Gerke“ soll aus dem Niederdeutschen kommen und für „Gerhard“ stehen. - Und wer weiß, vielleicht sind wir ja doch über 10 Ecken verwandt? :slight_smile:

Viele Grüße von Sabine