Tagging im Genealogieprogramm webtrees verfügbar

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In den letzten Tagen wurden mehrere Erweiterungsmodule für das Genealogieprogramm webtrees veröffentlicht, die alle eine neue Funktion unterstützen, das „Tagging“, also das Markieren von Datensätzen. Diese Funktion ermöglicht es beispielsweise, ausgewählte Personen im Stammbaum flexibel zu ettiketieren. Wir haben hier im Blog bereits mehrfach über das Programm webtrees berichtet.

Wofür kann man „Tags“ verwenden?

Das erste, was einem bei Tags in den Sinn kommt, ist die Kennzeichnung von Personen, aber grundsätzlich können auch andere Objekte markiert werden. Tags können beispielsweise folgende Markierungen sein

  • Personen: „Euthanasie-Opfer“, „Zwilling“, „Y-DNA Haplogruppe E-M35“, „berühmte Person“, „Auswanderer nach Australien“
  • Familien: „kinderlos“
  • Orte: „untergegangener Ort“, „zu besuchender Ort“
  • Quellen: „widersprüchliche Quellenlage“
  • Medienobjekte: „von KI erzeugt“.

Tags werden vom Nutzer statisch an Objekte angehängt (und bei Bedarf wieder entfernt). Ein Objekt kann auch mehrere Tags tragen. Einem Tag kann man eine Farbe zuordnen, sodass etwa bei der grafischen Darstellung einer Person im Stammbaum diese farblich hervorgehoben wird. Oder man kann einem Tag eine kleine Grafik zuordnen, ein Icon. Diese Grafik wird dann an den Namen der Person angehängt. Das spezifische Merkmal der Person ist somit in Listen und Berichten sichtbar, die den Namen der Person verwenden.

Wenn man über einen großen Stammbaum verfügt, kann es sinnvoll sein, Untergruppen zu definieren, etwa die Untergruppe der nach Australien ausgewanderten Personen oder aller Personen, für die ein DNA-Testergebnis vorliegt oder aller Personen, die auch im WikiTree-Weltbaum vorkommen. Anschließend kann man beispielsweise diese getaggten Gruppen auswählen und als GEDCOM-Datei exportieren, damit ein anderer Nutzer sie in einem anderen Programm weiterbearbeiten kann.

Umsetzung in webtrees

In webtrees kann man Tags als „gemeinsame Notizen“ anlegen. Dies erfolgt auf der GEDCOM-Ebene mit dem Kennzeichen „NOTE“, etwa in der Form „0 @X114@ NOTE TAG: berühmte Person“. Solche Tags kann man mit den Standardfunktionen von webtrees erzeugen und bearbeiten. Besser funktioniert dies jedoch mit dem neuen Erweiterungsmodul tsm (Tagging-Dienst Verwaltung) und dem erweiterten Sammelbehälter-Modul cce. Die Module GVExport und das Vesta-Modul „Classic Look & Feel“ mit der neuen „Name Badge“-Funktion ermöglichen die Visualisierung von Tags. Auch die Erweiterungsmodule TAM und LIN zeigen Tags an, sobald man die grafische Darstellung einer Person mit der Maus überfährt.

Ausblick

Derzeit sind die Tagging-Funktionen noch nicht wirklich umfassend in webtrees implementiert, aber es ist zu hoffen, dass immer mehr Module hier etwas beitragen werden. Auch die Dokumentation im deutschsprachigen webtrees-Handbuch ist noch in Arbeit. Im Genealogieprogramm Gramps etwa ist Tagging bereits seit längerer Zeit verfügbar. Auch MyHeritage nutzt grafische Kennzeichnungen im Stammbaum, wobei diese nicht vom Nutzer beeinflusst werden können. Dort werden etwa verstorbene Personen mit einem Trauerflor gekennzeichnet und bevorstehende Geburtstage oder Hochzeitstage werden mit bunten Ballons angezeigt.

Es wäre hilfreich, wenn die Funktion „Tagging“ direkt vom GEDCOM-Standard unterstützt werden würde, um programmübergreifend genutzt werden zu können. Die Implementierung mit Hilfe einer „gemeinsame Notiz“, ermöglicht zwar den Export und Import per GEDCOM (in GEDCOM 5.5.1 als „shared NOTE“, in GEDCOM 7.0 als „SNOTE“), aber ob eine solche Notiz nun ein Tag ist oder einfach nur eine textuelle Anmerkung zu einem Objekt, ist für andere Programme nicht klar. Wünschenswert ist auch eine Übersetzungsmöglichkeit für Tags in andere Sprachen; derzeit handelt es sich bei den Tag-Titeln um nicht übersetzte Benutzereingaben.

Wenn Du ein erfahrener webtrees-Nutzer bist, dann probiere das Tagging doch aus. Und berichte bitte in Discourse von Deinen Anwendungsszenarien (siehe untenstehender Link).

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Eine weitere Anwendung wäre etwa das Markieren der Personen, die zu einem Haus gehören. Auf meiner Ferienlieblingsinsel Hiddensee hat zum Beispiel jedes alte Fischerhaus ein eigenes Kennzeichen, eine Art Rune. Mit diesem Kennzeichen wurde auch das Eigentum, das zum Haus gehört, gekennzeichnet. Auch in vielen anderen, vor allem in ländlichen Bereichen, spielt die Zugehörig zu einem Hof eine große Rolle. Manchmal sogar so weit, dass die Bewohner nicht mit ihrem Familiennamen, sondern mit dem Hofnamen bezeichnet wurden. Im Heimatort meiner Mutter ist die Gallauer-Maria eigentlich die Maria Sautter, die im Gallauer-Hof lebt (nur ein Beispiel).

Die neue Tagging-Funktion erlaubt es nun alle zu einem Fischerhaus gehörigen Personen mit dem Etikett des Hauses zu versehen. Dazu ordnet man den Personen eine gemeinsame Notiz zu, etwa „TAG: Haus Albert Gau in Vitte“. Und dann kann man im Vesta-Modul ein Name Badge definieren, das die entsprechende Namensrune als Icon an den Personennamen anhängt, so dass man in allen Tabellen jederzeit sehen kann, zu welchem Haus eine Person gehört. Im Diagramm GVExport kann man den Häusern (genauer: den Tags) dann eine Farbe zuordnen, so dass im Stammbaum alle Personenkästchen entsprechend dem Haus gefärbt werden. Und wenn man alle zu einem Haus gehörenden Personen als GEDCOM-Datei exportieren möchte, dann geht man in der Liste der gemeinsamen Notizen auf das entsprechende Haus-Tag, legt alle zugehörigen Personen in den Sammelbehälter und exportiert genau diese Gruppe zur Weiterbearbeitung in einem anderen Genealogieprogramm.

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Zur Einordnung und weil entsprechende Fragen kamen, ist es aus meiner Sicht noch wichtig zu betonen, dass Tagging keine alternative Methode ist um Informationen im Stammbaum zu speichern. Dafür bietet GEDCOM bereits sehr viele Möglichkeiten, die man alle nutzen sollte,

Tagging dient dem flexiblen Management der Daten im Stammbaum und der genealogischen Arbeit, es unterstützt die Visualisierung von Informationen in einer flexiblen Weise und dient somit auch der Qualitätssicherung.

Ich sehe ein weiteres Anwendungsfeld für Tagging: die Klassifikation von Berufen und Todesursachen.

Was ist das Problem: In GEDCOM werden beide Datenfelder unterstützt, aber ihre Nutzung für eine systematische Auswertung ist eher schwierig. Ich trage dort möglichst das ein, was ich in den Quellen dazu finde: etwa für den Beruf „Bauer“, „Landwirt“, „retired farmer“ oder für die Todesursache „Auszehrung“, „Spanische Grippe“. Schön wäre es, wenn man solche Angaben klassifizieren könnte, damit man Berufe oder Todesursachen auch gruppieren oder hierarchisch ordnen könnte.

@Katrin_Moeller erstellt dazu ja eine „Ontologie historischer, deutschsprachiger Amts- und Berufsbezeichnungen“. Ich stelle mir vor, dass es im Prinzip möglich sein müsste in dieser Ontologie automatisch einen „Bauer“ und einen „Landwirt“ zu finden und damit zu klassifizieren. Aber schon beim „retired farmer“ wird das scheitern. Und zur später Nachvollziehbarkeit würde ich ungern aus einem „Landw.“ einfach in meinen GEDCOM-Daten einen „Landwirt“ machen, nur weil ich vermute, dass er Landwirt gewesen sein könnte.

Hier könnten aus meiner Sicht nun Tags helfen. Ich tagge alle „Landw.“, „Bauer“, „retired farmer“ mehr oder weniger manuell mit dem ID-Code aus der Ontologie für „Landwirt/Bauer“. Das ist dann eine bewusste Entscheidung, die man jederzeit nachvollziehen und hinterfragen kann. In allen Auswertungen/Darstellungen kann dann auf diese Angabe zurückgegriffen werden. Ich kann also in einem Stammbaum alle Bauern grün einfärben, ich kann für einen englisch sprechenden Nutzer den Beruf als „farmer“ ausgeben (derzeit sieht ein solcher ja meine Eingabe in die Felder Beruf/Todesursache immer unübersetzt in deutscher Sprache bzw. in der Sprache der Quelle).

Für mich wären die Ontologien der historischen Berufsbezeichnungen und Todesursachen so etwas wie GOV. Dort erlaubt die GOV-ID, dass man Ortsangaben in verschiedenen Sprachen und in ihrer zeitabhängigen Hierarchie eindeutig finden und im Genealogieprogramm passend präsentieren kann (zumindest webtrees erlaubt das). Ohne eine solche nachvollziehbare Klassifikation sind Auswertungen im großen Stil kaum denkbar. Wäre es nicht toll, wenn irgendwann alle Ortsfamilienbücher und Stammbäume in GEDBAS für die Berufsangaben und Todesursachen definierte IDs als Tags verwenden würden? Was könnte man da nicht alles für interessante Auswertungen darauf fahren!

Und uns als Verein für Computergenealogie, der sich die Zusammenarbeit mit der historischen Forschung auf die Fahne geschrieben hat, stände hier eine weltweit führende Vorreiterrolle gut zu Gesicht.

Hallo Hermann,

danke für den informativen Beitrag über die Möglichkeiten und Umsetzung in webtrees.
Werde ich sicher auch mal austesten. Das Kategorisieren und Zusammenfassen von Datensätzen kann beim Erschließen und Bearbeiten der Daten hilfreich sein. Insbesondere die Umsetzung mit den Boardmitteln des GEDCOM-Standards finde ich gut, so dass die Informationen beim Export nicht verloren gehen.
Mal sehen wie es sich weiter entwickelt :slight_smile:

LG Bernd

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