Sprachen in Ostpreußen

Die Ausschnitte stammen aus dem Preussischen Wörterbuch, das sich mit den deutschen Dialekten in Ostpreussen befasst, nicht etwa mit dem Prußischen.
"In derselben Zeit, in der in die südlichen Wildnisgebiete Masowier
einwanderten - d.h. im späten 15. und 16.Jahrhundert-, strömten in den
Nordostteil des Ordenslandes litauische Bevölkerungsteile ein. Durch
diese Zuwanderung bildete sich eine Mischbevölkerung aus Altpreußen,
Deutschen und Litauern heraus, in der sich wegen des zahlenmäßigen
Überwiegens des litauischen Bevölkerungsteils zunächst auch die
litauische Sprache großenteils durchsetzte. Damals erst kamen in jenem
Nordostgebiet auch litauische Ortsnamen auf, die sogar verschiedentlich
alte deutsche Ortsnamen verdrängten. Die Litauer gingen aber allmählich
im deutschen Volkstum auf und nahmen dessen Sprache an. Vor allem seit
der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts, als nach der starken Dezimierung
der Bevölkerung durch den Tatareneinfall von 1656 und die Pest von 1709
beträchtliche mittel- und oberdeutsche Bevölkerungsteile in den
Nordosten der Provinz einströmten, scheint das Litauische sehr
zurückgegangen zu sein.
Damals war die Lebenskraft der niederdeutschen Mundart noch so groß, daß
sie sich im ganzen Nordostgebiet durchsetzte und schließlich auch das
Memelland bis an die alte deutsch-litauische Grenze erfüllte. Wie und in
welchem zeitlichen Rahmen dieser Sprachwandel vor sich gegangen ist,
vermögen wir mangels aller Quellen über die früheren Sprachverhältnisse
nicht zu sagen. Die niederdeutsche Mundart setzte sich aber nicht nur an
die Stelle des Litauischen, sondern sie verdrängte auch die
mitteldeutsche Mundart der aus Nassau und der Pfalz zugezogenen Siedler
und das Oberdeutsche der Salzburger. Auch die französischen Schweizer im
Amt Insterburg übernahmen im Laufe weniger Generationen das
Niederdeutsche ihrer neuen Heimat. Daß dieser Sprachwandel so schnell
vor sich ging, lag wohl daran, daß die verschiedenen Siedlergruppen
einzeln auf wüst gewordenen Höfen innerhalb schon bestehender
Ortschaften angesetzt worden waren. Da sie also stets in der Minderzahl
waren, paßten sie sich sprachlich der Mehrheit der Dorfnachbarn an.
Zunächst waren sie wohl über mehrere Generationen hin zweisprachig, denn
wir hören, daß im frühen 19.Jahrhundert noch in vielen Salzburger
Familien oberdeutsche Mundart gesprochen wurde. Letzte Spuren dieser
oberdeutschen Mundart haben Walther Ziesemer vor dem Ersten Weltkrieg
bei ganz alten Salzburgern in dem Dorf Warglauken Kr.Insterburg und Otto
Natau 1930 im Kreis Goldap festgestellt und aufgezeichnet. Bei der seit
1953 von mir durchgeführten Materialsammlung für das neue Preußische
Wörterbuch hat sich keine Spur salzburgischer Mundart mehr feststellen
lassen. In der sprachlichen Auseinandersetzung zwischen dem Litauischen,
dem Niederpreußischen, und den mittel- und oberdeutschen Mundarten im
Ostgebiet hat also das Niederpreußische einen völligen Sieg
davongetragen."
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abschließend zu ganz Ostpreußen:
"In Ostpreußen hatte sich die Schicht deutscher Mundarten über eine
Grundschicht altpreußischer Sprache gelegt.
Es war die Sprache der Urbevölkerung im Gebiet zwischen Weichsel und
Memel. Diese Altpreußen oder Prußen waren keineswegs vom Orden
ausgerottet worden. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung, in der sie sich
im Lauf der Jahrhunderte immer mehr integrierten, war beträchtlich,
worauf auch die große Zahl altpreußischer Ortsnamen im Kerngebiet
Ostpreußens, vor allem im Samland, hindeutet. Das Altpreußische, das zum
baltischen Zweig der indogermanischen Sprachenfamilie gehörte, war im
Gegensatz zum Pomoranischen bereits im 17.Jahrhundert ausgestorben und
lebte nur noch in zahlreichen Orts-und Personennamen und in
Reliktwörtern im Wortschatz der ostpreußischen Mundarten.
Quelle: Preußisches Wörterbuch von Erhard Riedmann
##########################Mit freundlichen Grüßen
Lutz Szemkus