So langsam wird man auch Geschichte

Artikel aus der NORD-AMERIKA Zeitung (August 1952)

[Die Flüchtlingsfamilie Rump erreichte Amerika am 15. März, 1952.
Fritz Rump ging als junger Essener in den späten 20. Jahren auf
Wanderschaft und gründete als Meister in 1933 ein Schneidergeschäft
in Elbing/Westpreußen.]

Essener Auswanderer in USA

Grüße von Südoldenburgern in Nordamerika

Essen/Oldenburg. Unter den 40 013 Deutschen, die im Laufe des 1.
Vierteljahres 1952 auswanderten, befand sich auch die Familie Rump
aus Essen, die nach ihrer Flucht aus dem Osten eine notdürftige
Unterkunft in der Vaterheimat fand und mit Unterstützung von
Bekannten nach den USA auswanderte. Herr Rump berichtet in einem
ausführlichen Brief über seine Erlebnisse in der neuen Heimat und
schildert die dortigen Verhältnisse die unsere Leser sicherlich
interessieren dürften.

Nach einer stürmischen Überfahrt im Februar nahmen sie schon zwei
Tage nach der Landung in New York ihre Arbeit in einer
Wäschereinigungsanstalt eines Esseners - Theo Ellerkamp - in
Philadelphia auf. Während der Mann im Betrieb arbeitete, übernahm
die Frau die Leitung einer Filiale, in der sie schon bald eine geräumige
und bequeme Wohnung beziehen konnten. Da Herr Rump die stickige
Luft in dem Betrieb nicht aushalten konnte, bemühte er sich um eine
Beschäftigung in seinem erlernten Beruf als Schneidermeister, was
jedoch an den ungenügenden Sprachkenntnissen scheitern sollte.
Kurz entschlossen nahm er deshalb eine Arbeit als Abwäscher in
einer Wurstfabrik an und verdient hier 60-70 Dollar in der Woche
(Samstags wird nicht gearbeitet). In dem Betrieb sind ein Drittel der
Beschäftigten Deutsche, so daß er sich gut verständigen kann. "Ich
habe schon richtige Arbeitshände bekommen", schreibt er, "aber
hier sieht niemand darauf, die Hauptsache ist, man tut etwas."

Während seine eigenen Sprachkenntnisse noch zu wünschen übrig
lassen, kann sich seine Frau schon gut verständigen und macht heute
alle Einkäufe ohne Schwierigkeiten. Und der zehnjährige Wolfgang
[eigentlich 13-jährige] - die Tochter Annette [Anneliese] wird in Kürze
nach den USA fliegen [dauerte noch Jahre wegen Lungenschatten] -
beherrscht das Englische, "als ob er schon jahrelang im Lande wäre".
Er besucht eine von katholischen deutschen Schwestern geleitete
Schule und hat bereits die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium
[highschool] bestanden. "Nebenamtlich" verdient er sich etwas Geld
als "paper-boy" - schon viele Millionäre haben als Zeitungsjungen
angefangen!

Inzwischen hat die Familie eine neue Dreizimmerwohnung bei einem
doppel-amputierten Deutschen bezogen. Frau Rump hat die Pflege
übernommen, dafür brauchen sie keine Miete zu zahlen. Sie konnten
deshalb viel Geld sparen und sich allerhand anschaffen. (Ein
Eisschrank war natürlich schon eingebaut in die moderne
Dreizimmerwohnung.) Mit Unterstützung eines Emstekers, Josef
Moors, der vor 25 Jahren auswanderte und in Essen bei Leonhard
Ellerkamp seine Meisterprüfung machte, wurden Polstermöbel zum
Selbstkostenpreis beschafft. Dieser vermittelte ihnen auch einen
Amerikaner, der eine komplette Eßzimmereinrichtung für 15 Dollar frei
Haus lieferte. "Es ist wie geschenkt", schreibt Herr Rump.

Kürzlich wurde dann noch eine moderne Waschmaschine für 159
Dollar angeschafft. "Es ist ein Wunderwerk der Technik, meine Frau
erledigt jetzt das Waschen im Vorbeigehen.'' Wenn ich noch daran
zurückdenke, daß wir in Essen jeden Tropfen Wasser aus dem
Nachbarhause holen mußten, kann ich es kaum glauben", meint der
Briefschreiber. Einen Radioapparat bekamen sie von einem Essener
Alfons Ellerkamp, und die Krone des ganzen ist ein Fernsehapparat,
der in fast keinem Haushalt fehlt. Das ist amerikanisches Tempo! In
einigen Jahren gedenkt sich Herr Rump ein kleines Einfamilienhaus
zu bauen. [es wurde ein Fertighaus gekauft, nicht gebaut]

Interessant ist auch sein Bericht über das Leben der Deutschen
untereinander. Philadelphia ist ja die Stadt, in der prozentual die
meisten Deutschen wohnen (mehr als in Köln oder München!). Es
gibt dort viele deutsche Klubs, die ihre eigenen Häuser mit
gepflegten Parks und modernen Badeanstalten haben, man fühle sich
dort wie zu Hause. "Nirgends wird die Heimat soviel besungen, wie
hier über dem Ozean und wenn man die schönen deutschen
Volkslieder hier - weit von der Heimat entfernt - hört dann muß ich
immer an den schönen deutschen Osten und an das Münsterland
denken" schreibt er etwas wehmütig. Der Sohn Wolfgang ist. einem
deutschamerikanischen Kinderchor beigetreten, der nicht nur auf
Veranstaltungen der Deutschen, sondern auch im Rundfunk und
im Fernsehen auftritt. In den deutschen Vereinen, deren es unzählige
gibt, wird nur Deutsch gesprochen und gesungen. Neulich hätten
sie sogar Plattdeutsch gesprochen, als er auf einer Veranstaltung
der Kolpings Familie gleich sechs Südoldenburger traf, und zwar drei
aus der Gemeinde Essen, einen aus Cloppenburg, einen aus Emstek
und eine Frau aus Friesoythe.

Nach einer Schilderung der Lebenshaltungskosten und der
Verdienstmöglichkeiten, schreibt Herr Rump dann: "Dies waren nun
alles die guten Seiten, ich will aber die schlechten nicht
verschweigen." Ohne Sprachkenntnisse könne man kaum fertig
werden, wichtig sei auch, daß man Verbindungen zu Landsleuten
haben müsse. "Sonst ist man hier verraten und verkauft denn es
kümmert sich niemand um einen. "Schlimm sei auch das Klima, im
Sommer herrsche eine lähmende Hitze. Die Damenwelt sei in
Badeanzügen zum Einkaufen gegangen, die Männer trugen lediglich
Hose und kurzes Polohemd. Die Hitzewelle hat drei Monate gedauert.
"Wir konnten nicht essen und schlafen, wenn Lisbeth (seine Frau. Die
Red.) für uns drei fünf Kartoffeln gekocht hatte, blieben meistens noch
welche übrig. Meine Anzüge aus Deutschland sind mir alle etwa 15
Zentimeter zu weit geworden."

Zum Abschluß des Briefes grüßt die Familie Rump alle Bekannten und
bedankt sich für die Unterstützung, die ihr nach der Flucht in Essen
zuteil wurde. "Aus diesen Zeilen mögen alle Freunde ersehen, daß die
Familie Rump nicht verschollen ist und die liebe deutsche Heimat
nicht vergessen hat", damit schließt der Auswanderer, der sich
jenseits des großen Teiches eine neue Existenz aufbaute, seinen
ausführlichen Bericht. Wir wünschen ihm von Herzen, daß er in der
neuen Heimat sein Glück machen möge. Den Grundstein dazu hat er
bereits gelegt.

[nach 50 Jahren sieht es ganz anders aus in Amerika. Die deutschen
Vereine sind fast alle verschwunden weil die Einwanderung stockte]

MfG

Wolfgang Fritz Rump

  26 Warren St.
Beverly, NJ 08010
FredRump@earthlink.net
609-386-6846
"Whenever you find yourself on the side of the majority,
it's time to pause and reflect." - Mark Twain (1835 -
1910)

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Hallo @fredrump,

eine tolle Geschicht, bin da gerade „drübergefallen“ bei der Suche nach Lebenshaltungsindex im Archiv.

Viele Grüße
Steffi (Schosser)

Das ist aber was ganz Altes von 2004. Da wohnten wir noch in New Jersey. Jetzt sind wir schon fast 20 Jahre in Florida und unser Sohn kommt unser Grundstück zu übernehmen.