Segiß - Ortsname oder Berufsbezeichnung?

Liebe Forscherfreunde,

die Frage im Titel ist für mich schon entschieden: Berufsbezeichnung. Lange Zeit war das aber als ein unidentifizierbarer Ortsname in der Schweiz eingestuft (sogar im alten Familienregister von Betzenweiler)
Heute habe ich mir mindestens das hundertste Mal die Heiratseintragung in Betzenweiler vom 15. Januar 1673 angesehen.Johann Stoffer „Segiß ex Ditione Lucernensi“ heiratete die Maria Buechlerin. Es fiel mir auf, dass vor dem Wort Segiß keine Präposition steht, die auf den Ursprung hinweisen würde, z.B. von, aus, zu oder lateinisch ex, de. Aber „ex Ditione Lucernensi“. Das ist kein Schreibefehler! Ebenso ist es bei dem Zeugen Georg Hummerl „Kiefer zu Betzenweiler“. Also, kein Name (nota bene, es gibt anderswo den Familiennamen Seegiß, aber in diesem Fall ist der Bräutigam wirklich Stoffer) und kein Ortsname.
Nun, also Berufsbezeichnung, aber dann was? Nach langer Suche entdeckte ich in alten Büchern Schweizer Dialekten, dass Segiss (in der Schweiz wird ß nicht benutzt) Sense bedeutet. Also, entweder soll der Beruf ein Sensenschmied sein, oder ein ein Landwirt - eher Tagelöhner - der mit Sense arbeitet.
Dann habe ich die Kombination Sensenschmiede und Luzern im Google gesucht, und es hat sich herausgestellt, dass '„Eine Art Exportgewerbe betrieben Luzerner Sensenschmiede, welche im 15. Jahrhundert ihre Produkte bis nach Genf verkauften.“.
So glaube ich, dass Johann Stoffer ein Senseschmied war. Merkwürdig, dass dieser Begriff in der neuen Heimat auch erhalten blieb - mindestens für eine Weile - aber die „Steinschweizer“ waren in Betzenweiler in großer Anzahl, vielleicht auch der Pfarrer, der diese Zeile in das Kirchenbuch eingetragen hat, war aus der Luzerner Gegend.
Was ist Ihre/Eure Meinung? Ist meine Vermutung haltbar? (alle erwähnten Quellen stehen zur Verfügung.) Oder war das doch schon längst bekannt?

Schöne Grüße

Kornel Pencz

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Guten Morgen,

im Schweizerischen Idiotikon gibt es eine Erläuterung dazu https://digital.idiotikon.ch/idtkn/id7.htm#!page/70471/mode/1up

Bei den älteren Bauern hier im Nordschwarzwald ist das immer noch eine Säges/Seges.

Viele Grüße
Bärbel Rehse

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Hallo Kornel,

ich kopiere hier mal den Heiratseintrag rein:

Mir war das nicht bekannt. Aber auch im Schwäbischen war das Wort für Sense immer „Saeges“, die Sense schärfen war „Saeges dengla“.

Im Heimatbuch Betzenweiler steht allerding von Segis (als Ort):

Hast du schon geschaut ob es eine Heiratsabrede gibt?

Der Pfarrer war kein Schweizer, ein Vikar Fischer war wohl nach dem Tod von Pfarrer Eberhard im Jahr 1712 in Betzenweiler im Amt (Heimatbuch Betzenweiler Seite 263)

Viele Grüße
Steffi

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Danke, Steffi, für Deine wertvollen Bemerkungen!

Ja, das Heimatbich habe ich, auch im Familienregister steht Segis, einfach, glaube ich, weil man mit dem Wort Segiß nichts anfangen konnte. Bisher ich auch nicht. Es gibt nicht einmal einen ähnlichen Ortsnamen im Kanton Luzern oder sonst irgendwo in der Schweiz, höchstens Weggis, aber das kann man nicht als Segiß verstehen. Und: die Präposition fehlt! Inzwischen habe ich sogar gefunden, dass der Sensenschmied in der Schweiz im Dialekt Sëgesser genannt wird. Meine andere Idee war, dass das eine verstellte Form von Sigrist, also Meßner ist, aber als junger Mann, frisch aus dem Luzerner Land angekommen konnte er kaum bereits als Meßner im neuen Ort dienen.
In der Tat, der Pfarrer war nicht aus der Schweiz, wohl nicht im Jahr 1712, sondern 1673 (merkwürdig ist, dass Tauf- und Sterbematrikel sind mit einer total anderen Handschrift gemacht, mindestens, ich sege es so).
Das ist aber erfreulich, dass auch im Schwäbischen dieses Mundartwort ähnlich ist, dann war es kein Problem für den Pfarrer.

Im Heimatbuch steht auch falsch, dass die Frau von Johann Stoffer aus Reuti im Churer Amt stammte, es ist eindeutig im Kirchenbuch, dass der Trauzeuge, Johann Buechel von dort kam (natürlich, er konnte ein Verwandter der Braut sein!), aber sie stammte aus Betzenweiler schon (Betzenwilana).
Ich weiß nicht, ob Herr Schuber, der Verfasser des Buches lebt, ich war vor gut 20 Jahren im Kontakt mit ihm, damals war er auch nicht mehr jung, aber uch werde uhm schreiben, seine Meinung wäre auch wichtig.

Liebe Grüße

Kornel

Ach, zu viel geschrieben, das Wesentlichste vergessen: wo kann ich schauen, ob es Heiratsabrede gibt?

Hallo,

vielen Dank, das ist ja wirklich interessant! Inzwischen habe auch ich das im Idiotikon gefunden, meine Quellen waren zwei andere, alte, eingescannte Bücher über die Dialekten von Schaffhausen und Toggenburg (St. Gallen).

Viele Grüße
Kornel Pencz

Hallo Kornel,

ich hab zuerst über https://www.woerterbuchnetz.de/#0 gesucht. Dort bin ich aber zuerst nur über das Suchwort ‚Sense‘ fündig geworden. Ein Wort im Dialekt suchen ist immer etwas schwierig, wird ja nie einheitlich geschrieben.

Viele Grüße
Bärbel

Hallo Kornel,

für das Damenstift Buchau, da gehörte Betzenweiler komplett dazu, sind hier im Landesarchiv Protokolle Online:
Findbuch Dep. 30/14 T 2symbol,
Buchau: Amtsbücher

Heiratsabreden Dep. 30/14 T 2 Nr. 1609: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=6-535208

Manumissions-Büchlein Dep. 30/14 T 2 Nr. 1490: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=6-535082

In diesem Bestand gibt es auch noch Kornelier-Protokolle welche digitalisiert sind.

Gesucht habe ich jetzt nicht ob es für diesen Stofer (evtl. auch sein potentieller Vater?) etwas gibt.

Viele Grüße
Steffi

Liebe Steffi,

das war mir nicht bekannt, eine große Überraschung, vielen Dank!

Ich habe dann das Programm für heute Abend.

Liebe Grüße

Kornel

Ich weiss ja nicht, ob das dort auch so üblich ist - aber bei einem KB-Eintrag in der Schweiz würde ich davon ausgehen (oder das zumindest als Alternative betrachten), dass es sich um einem Übernamen handelt: die wurden verwendet, um verschiedenen Linien eines Familiennamens zu trennen. Ursprung kann(!) z.B. der Beruf eines Vorfahren sein - der Träger des Übernamens muss diesen Beruf aber nicht mehr ausführen.

Beste Grüsse - Wolf

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Kann ich nur bestätigen.

Beispiel am Kaiserstuhl: Ley-Wirts-Otto, obwohl es die Wirtschaft schon lange nicht mehr gibt.

Oder „de Pfätzer“, der die Fahrkarten, Tickets/Billets am Bhf geknipst hatte, usw.

Oder in Oberschwaben gab es in einem Ort für die Ruetz die Unterscheidung Berg - Tal oder die obere - die untere.

Beste Grüße, Franz

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Die Annahme finde ich äußerst akzeptabel, obwohl das Wort Segiß nur dieses einzige Mal neben dem Namen steht. Tatsache ist aber, dass der betroffene Johannes Stoffer von der anderen Stoffer-Familie zu unterscheiden scheint , mindestens ist er nicht in nachweisbarer Verwandtschaft mit dieser Familie, die aus Inwil - ebenfalls Luzern - kam. In der Umgebung von Luzern ist Stoffer (Stofer, Staufer) ein sehr häufiger Name.

Danke schön für den Hinweis!