Reisebricht

Guten Abend Listenteilnehmer,

seit 1974 fahre ich sporadisch nach Schlesien. In diesem Jahr hatten wir uns für eine Woche in Klein Silsterwitz (ab 1937 Silingtal) ein Quartier genommen. Der Ort gehört heute zur Gemeinde Zobten. In dieser Zeit hat sich vieles geändert. Die Straßen sind meist in einem gut befahrbaren und Ferienorte und Sehenswürdigkeiten in einem ordentlichen Zustand. Unterhalb der/s Burg/Schlosses Fürstenstein, dem 3.-größten Schloss Schlesiens, geboren, war es für mich selbstverständlich, ihm nach - inzwischen - 10 Jahren einen Besuch abzustatten. Die ursprünglich gotische Burg erhielt durch eine Umgestaltung im 16. Jahrhundert barocke- und Renaissancezüge. Ein weiterer Umbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigt sie im Neorenaissancestil. Schloss und Gartenanlage sind sehr gut gepflegt, aber... - und jetzt äußere ich meine Meinung! Ich finde nämlich, dass
1. Wände, die voll gespickt sind mit Konterfeis von Genossen, die ab 1945 genügend Unheil angerichtet haben und
2. mehrere Räume mit ganz modern gestalteten Bildern
einfach nicht in ein so altes Schloss gehören. Was würden wohl die Pless'schen Erben dazu sagen?
3. Es wird nicht deutsch gesprochen. Erklärungen stehen in polnisch und englisch auf den Tafeln. Und da ich in der DDR zur Schule gegangen bin, wurde ich damals nur in Russisch und Latein unterrichtet. Meine Englischkenntnisse aus der Volkshochschule reichten für eine Übersetzung nicht aus.

Das Schloss in Krieblowitz (ab 1937 Blüchersruh), das Blücher 1814 von Friedrich Wilhelm lll. mit den umliegenden Gütern für seine Verdienste im Befreiungskrieg geschenkt wurde, ist, nachdem es noch vor 10 Jahren in einem erbärmlichen Zustand war, von Nachfahren Blüchers für angeblich 100.000 € zurück gekauft worden, inzwischen zu einem Schmuckstück geworden. Es wurde zu einem Hotel mit Tagungsräumen umgebaut und im Park ist ein Golfplatz angelegt. Die Familiengruft, die außerhalb des Ortes liegt, ist nicht gepflegt.

Weiter führte mich der Weg auf einige Friedhöfe, auf denen ich z. T. Epitaphien fand:
in Altenburg, Landkreis Breslau: "...der edle ehrenveste Herr Joachim von Rothkirch und Sebenitz auf Krisselwitz und Striegendorf...." im nach 1945 angebauten Vorbau vor dem Kirchenportal
ebenfalls in Altenburg noch einen Grabstein "...der Hausbesitzer Ernst RUOTHE...." aus dem Jahre 1926
in Gnichwitz, Landkreis Breslau: "Ruhestätte des Pfarrers undem Expriesters Bernard SCHLARUS....", + 1877 an der Kirchenmauer angebracht,
ebenfalls in Gnichwitz an der Kirchenmauer eine Grabplatte aus dem Jahre 1605. Da starb "...die ehrbare und tugendsame Fraw Sabina STURMIN ....."
Rogau-Rosenau, Landkreis Breslau: "Ruhestätte des Pfarrers Joseph SEIFFERT....", + 1879
in Greibnig, Kreis Liegnitz: "...Erb- und Freibauerngutsbesitzers u. Gerichtsgeschworenen hies. Gemeinde Christian Benjamin KIELMANN ...." + 1866
Ich habe die kompletten Beschriftungen, so weit sie zu entziffern waren, abgeschrieben und die Grabplatten fotografiert. Bei Interesse maile ich die Fotos zu.

Auf den etwas abgelegeneren Dörfern sieht es mitunter grauenvoll aus. Hier zerfällt die Bausubstanz, unabhängig davon, ob es sich um Bauernkaten oder ehemalige Gutshäuser handelt. Manchem Haus sieht man noch den Charme längst vergangener Zeiten an. Als ich das unserer Quartierwirtin, deren Mutter Deutsche war, sagte, bekam ich die lapidare Antwort, dass Schlesien ja nicht das von Deutschland bekommen hätte, was in die neuen Bundesländer gesteckt wurde!
Kirchen, die ich mir gerne angesehen hätte, waren verschlossen.
Aber Breslau wird immer schöner. Und, trotz mancher Ärgernisse, es wird nicht der letzte Schlesienbesuch gewesen sein. Die Zeit war, wie immer, zu kurz.

Schönen Sonntag und freundliche Grüße

Maria-Christine Meske