Re: BEHEM in der Zeit der Hussitenbewegung

Hallo Guenter,
die Karte habe ich schon schon erhalten. Sie ist sehr informativ und gut
geeignet, meine schriftlichen Quellen anschaulicher zu machen. Herzlichen
Dank!

Zu Deiner Hussiten-Theorie:
die Hussiten, die diesen Namen erst nach dem Märtyrertod des Jan Hus von
außen erhielten, begannen ebenfalls erst nach dem Konstanzer Einschnitt vom
6.7.1415, sich als soziale Bewegung zu formieren. Erst nach 1419 (als nämlich
König Wenzel ihre Kelchpriester aus den königlich böhmischen Städten
entfernte) begannen sie, sich zu radikalisieren: 30.7.1419 "1. Prager
Fenstersturz" der katholischen Ratsherren aus dem Rathaus der Prager
Neustadt. Kriegerisch wurden sie quasi gezwungener Maßen erst, als Kaiser und
Papst nach dem Scheitern der böhmischen Huldigungsverhandlungen Sigismunds
1420 einen Kreuzzug gegen die Hussiten ausriefen (es folgten die weitgehend
vergeblichen Campagnen von 1421, 1422, 1427 und 1431).

Sowohl den Adelsstand als auch den Landkauf des Heincze BEHEM würde ich eher
mit der Schwäche der Böhmischen Krone unter Wenzel in Zusammenhang bringen,
als der durch seinen Vater, Kaiser Karl IV., weitgehend entmachtete böhmische
Adel aufzubegehren begann und durch materielle Zugeständnisse beschwichtigt
werden sollte. Erst später stellte sich dieser dann auf die Seite der
gemäßigten Hussiten (Calixtiner oder Utraquisten) und schaffte es sogar, mit
Georg von Kunstadt und Podiebrad einen eigenen König zu küren (die
Hussitenbewegung war im Kern frühbürgerlich, der Adel stieß - wie bei Luther
- erst dazu, als die Machtfrage gestellt wurde).

Doch die Namen BEHEM, BEHME und BEMISCHMAN sind mindestens ein halbes
Jahrhundert älter und bereits vor 1350 in größerer Zahl dokumentiert.

Als Vorbedingung für dieses Auftauchen in den Besitzstandsdokumenten sehe ich
die Entstehung und Emanzipation des tschechischen Bürgertums unter Pr'emysl
Otakar, Johann und Karl IV. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass es vor Karl
IV. im rechtlichen Sinne keine tschechischen sondern ausschließlich deutsche
Städte in Böhmen gab (meist wurde Magdeburger, in Bergbaustädten Freiberger
Stadtrecht verliehen), wird deutlich, welche Entwicklung der formalen
Gleichstellung der tschechischen Bürger vorausgegangen sein muss und welchen
tiefgreifenden Wandel sie bewirkt hat. Diese Bürgerschaften hatten sich ca.
ein Jahrhundert lang an der Seite der deutschrechtlichen Städte entwickelt
und ihre Gleichberechtigung eingefordert. Und sie waren logischerweise
letztendlich auch in der zahlenmäßigen Mehrheit. Wesentliches Kampfziel der
Hussitenbewegung musste es mithin sein, diese Mehrheit auch machtmäßig zur
Geltung zu bringen. So bewegte sie z.B. König Wenzel 1409 dazu, der
"Böhmischen Nation" in der Prager Universität drei Stimmen zu verleihen, den
"ausländischen" - v.a. deutschen - dagegen nur eine (vorher war das
Verhältnis umgekehrt). Der Streit endete mit dem Auszug der deutschen
Professoren und der Gründung der Leipziger Universität.

Bei näherem Hinsehen waren "Dein" BEHEM und "meine" BEHME und BEMISCHMAN wohl
nicht sehr weit auseinander. Auch letztere machten Geld- und Landgeschäfte
mit den Glatzer, Rathener (Wünschelburger) und Karpensteiner Burggrafen
Panwicz [v.Pannewitz], Muschcin [v.Moschczin] und Glubos [v.Glaubitz]. Sicher
waren sie vermögende Bürger und konnten vermutlich unter König Wenzel in
Einzelfällen in den niederen Adel aufsteigen. Ich will meine väterliche
Vorfahrenlinie beileibe nicht von diesen dokumentierten BEHME herleiten, bin
aber ziemlich sicher, dass sie - wenn sich denn irgendwann einmal die
Verwandtschaft zwischen den Braunauer Tuchmachern namens BEHME von 1570 und
den Braunauer Tuchmachern namens BÖHM von 1710 beweisen lässt - allesamt aus
demselben Stall kamen, also ursprünglich zu den leibeigenen und unter Karl
IV. emanzipierten tschechischen Vorbürgern (dies zeitlich wie örtlich
gemeint) gehörten. Dass sie sich zu Zeiten der Hussitenbewegung auf deren
Seite gestellt und in der Folge Macht und Einfluss verloren haben, ist
möglich, aber noch nicht bewiesen.

Du merkst: die Ideen kommen meist beim Schreiben; deshalb wird es meist etwas
lang. Ich bitte um Entschuldigung

Herzliche Grüße aus Hilden,
Günther