Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Lüben

Hallo in die Runde,

könnte mir vielleicht jemand ein paar Tipps geben, wo ich (idealerweise) Patientenakten, Verwaltungsakten oder auch ander Unterlagen die „Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Lüben“ betreffend finden kann?
Der Onkel meines Vaters ist dort sehr wahrscheinlich im Februar 1945 ums Leben gekommen. Ob nun durch die anrückende Front und die Flucht des Personals begünstigt oder bereits zuvor im Rahmen der Aktion T4 - das zu ermitteln ist mir bisher nicht gelungen.

Was habe ich bisher unternommen?

  1. Es gibt ja eine vom Umfang und von der Quellenbeschaffenheit einmalig gute Seite lueben-damals.de, mit deren Urheberin ich auch schon vormals in Kontakt stand. Leider antwortet sie zurzeit nicht mehr auf Anfragen. Die dort genannten Quellen weiter zu verfolgen wäre ideal.
  2. Ich habe einen Rechercheauftrag im Bestand R 179 (siehe https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Downloads/Aus-unserer-Arbeit/liste-patientenakten-euthanasie.pdf?__blob=publicationFile) im Bundesarchiv in Berlin ausführen lassen. Diese Recherche hat einen Treffer für den Namen meines Großonkels geliefert, die Akte habe ich als Digitalisat erhalten. Leider bezieht sich der Inhalt auf eine andere Person gleichen Namens. Es ist also nicht mein Großonkel.
  3. Ich habe das USC Lubin angeschrieben (im Mai 2023) und um Auskunft gebeten, da das USC Lubin laut Jerzy Grzelak (https://www.bundesarchiv.de/geschichte_euthanasie/Inventar_euth_polen.pdf) für die Heilanstalt Lüben Unterlagen archiviert hat. Das USC Lüben hat darauf bisher nicht geantwortet.
  4. Ich habe seit ca. 12 Monaten eine Suchauftrag beim DRK laufen, der aber nach Aussage des DRK Suchdienstes noch mehrere Jahre dauern wird :rofl:
  5. Ich habe im Arolsen Archive recherchiert, dort aber nichts gefunden.

Gibt es hier Expertinnen oder Experten, die auf diesem Gebiet schon gearbeitet haben? Oder kennt möglw. hier jemand jemanden :wink:, der jemand anderen kennt, der auf diesem Gebiet gearbeitet hat?

Gibt es Zeitzeugenberichte über die Flucht des Personals, die Lage im Jahr 1945 oder über Einzelschicksale?

Über ein paar Tipps würde ich mich sehr freuen.

Grüße vom
Christian (Mette)

Hallo Christian,

Bundesarchivbestand bezieht sich auf die Zeit 1941 das ist ein Aktenbestand der sogenannten „Aktion T4“. Das hätte man gleich ausschließen können.

Die Situation der psychisch Kranken auch in der Nachkriegszeit war katastrophal. Kann man bei Heinz Faulstich Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949 gebraucht kaufen (rebuy.de) nachlesen.

Hast du auf szukajwarchiwach nachgesehen?

Wo kam er her? Wie lautet der Name deines Onkels? Gerne per PN.

Ja, es gibt Zeitzeugenberichte aus Meseritz, aber Lublin sagt mir nichts.

Schreib mir mal bitte ein PN. Dann sag ich dir mehr. Oder bist du auf dem Genealogentag in Kleve? Ich halte dort einen Vortrag zum Thema.

Viele Grüße

Inga (Guttzeit)

Hallo Inga,

vielen Dank für Deine Antwort! Ich habe Dir eine PN geschickt.

Viele Grüße
Christian (Mette)

Hallo Christian,

ich konnte mich an deinen Namen erinnern, aber ich habe die alte Nachricht nicht gefunden. Ich komme immer noch nicht so richtig mit Discourse klar. Jetzt habe ich sie aber.

Manchmal sind Patientenakten tatsächlich nicht gelistet. Ich habe das im Staatsarchiv Hamburg auch bemerkt. Da ich aber mit Dr. Harald Jenner (Historiker) zusammen forsche, allerdings zu Meseritz-Obrawalde, kommen mir auch mal Akten in die Hände oder Namenslisten. In den nächsten Monaten sowieso. Diese betreffen allerdings Hamburger, Bremer Patienten, Schleswig-Holsteiner, deren Akten aus Meseritz zurückgeschickt wurden.

Nein, die Aktion T4 war nie offiziell. Sie ist einfach aufgeflogen, obwohl man es auch so wissen konnte. Und ich habe nicht bedacht, dass 1945 nichts mit den Akten 1941 im Bundesarchiv zu tun hat. Ich habe mir einige Sachen ungenau gemerkt und Harald hat mir das vor ein paar Tagen noch mal deutlicher erklärt. Es verhält sich nämlich so:

Akten im Bundesarchiv - vom Stopp der Gaskammern übrig gebliebene Akten von Patienten aus dem Jahr 1941, die später erforscht werden sollten - nach dem „Endsieg“. Die Akten wurden aus der Tiergartenstraße in Berlin ausgelagert. Vom neuen Lagerort mehrere LKW losgeschickt, ein LKW kam in Pfaffenrode an - mit 30.000 Akten. Dieser wurde beschlagnahmt zu DDR Zeiten gegen die Westdeutschen in der Stasi verwahrt, 1963 kamen sie nach Berlin, 1989 wiedergefunden und in das Bundesarchiv überführt. Was mit den anderen LKW passiert ist, ist unbekannt.
Die andere sogenannte „wilde Euthanasie“ mit Spritzen, verhungern etc ging natürlich weiter. Aber auch nach 45 hungerten die Patienten, die nicht hamstern oder klauen konnten, extrem.

Seit unserem letzten Kontakt habe ich Patientenakten in der Hand gehabt. Und wenn ich auf Namen stoße, dann versuche ich mir Namen von Opfern der Forscher zu merken, zu denen ich schon mal Kontakt hatte.

Schreib bitte dem Archiv wo die Verwaltungsakten angegeben wurden in Polen an. Es kann wirklich sein, dass in der Tektonik nichts angeben ist. Hast du im Standesamt Lüben (sorry war wohl spät gestern, dass ich mich verschrieben habe) mal nach einem Sterbeintrag gefragt? Wenn er nach Februar 1945 gestorben ist, dann ist das vielleicht wieder verzeichnet, weil die Russen das gemacht haben könnten. Kirchenbücher hast du durchforstet? - In Bunzlau habe ich da was gelesen.

Es kann aber auch sein, dass in dem Chaos nicht mehr verzeichnet wurde. In Bunzlau wurden Patienten nach der Befreiung erschossen, einige sind gen Westen geflohen und irrten auf dem Bahnhof in Pirna oder Dresden herum und wurden in die dortige Heilanstalt gebracht. Sie waren spärlich bekleidet. (mündliche Aussage von Hagen Markwardt, Telefonat mit ihm, er arbeitet in Pirna/Sonnenstein, Gedenkstätte).
Von daher…tut mir leid, dass ich da nicht viel helfen kann.

In dem Buch von 1910, meine Linkliste…stand da was zu Lüben? Dann hätte man wenigstens mal eine Vorstellung von der Anstalt. Aber auf der Seite Lüben-damals-heute ist ja auch einiges zu finden. Sogar Bilder.

Vielleicht nur so eine Idee…wenn die Patienten sich selbst überlassen waren, so wie in Meseritz, könnte er sich auf eigene Faust auf den Weg gen Westen durchgeschlagen haben. Dann wäre das wirklich schwierig.

Ich versuche gerade einen Forscherkontakt von jemanden bekommen, der was zu Lüben wissen könnte. Ich melde mich, wenn ich den Kontakt bekomme.

Viele Grüße

Inga

Hallo Inga,

vielen Dank! Forscherkontakte bzgl. Lüben wären wirklich sehr interessant. Mal sehen, ob Du was findest…

Soweit ich weiss, wurden auch einige Patienten von Lüben nach Pirna verlegt und verstarben dort. Vielleicht sollte ich auch mal mit Pirna Kontakt aufnehmen. Das liegt ja hier „um die Ecke“.

Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag!

Viele Grüße vom
Christian

PS: und ja, discourse ist mir auch nicht geheuer… da habe ich selbst als Informatiker so meine Probleme :smile: muss ich offen zugeben…

Hallo Christian,

dir auch einen schönen Sonntag, ich warte noch auf die E-Mail-Adresse, die mir jemand geben möchte.

Aber was ich dir schon mal sagen kann ist, dass die aus Pirna sehr, sehr nett sind. Ich kenne die von der Tagung und von dem einen Telefonat.

Ich habe mal hinten in dem Faulstich im Verzeichnis geguckt und ein paar Seiten gelesen, da steht allgemein was zu Lüben drin. Zur Sterblichkeit und so weiter, aber ich habe nicht alles gelesen. Ich habe im Moment so wenig Zeit dafür.
Bin immer noch an den Lübecker Gräbern der Opfer dran, weil Lüneburg eine Petition starten möchte, das alle deutschen Gräber der Euthanasie-Opfer, die noch in Familiengrabpflege sind, unter Dauerruhe gestellt werden. Eigentlich ist die Liste der NS-Opfer geschlossen, aber wer weiß, was sie erreichen.

Wenn du was weißt, dann bitte an die Gedenkstätte Lüneburg, Frau Rudnik melden. Ich habe 33 Urnengräber und 1 Erdbestattung gefunden. Und das nur in einem Friedhofsbuch für 4 Friedhöfe. Jetzt kommt erst mal die Anfrage ans Friedhofsamt.

Pirna hat ein Gedenkbuch, die können ganz schnell nachsehen. Also nur Mut, die kennen das und sind offen für Angehörige - wie alle anderen Gedenkstätten auch.

Melde mich, sobald ich was weiß.

Viele Grüße

Inga

Hallo Inga,

ja - vielen Dank! Ich schreibe gerade eine Mail nach Pirna (ist noch nicht fertig).

Auch Dir viel Erfolg bei dieser anstrengenden und sich nicht einfachen Arbeit!

Wenn ich was finde, melde ich mich gern…

Viele Grüße vom
Christian