Private Familienforschung, Citizen Science und kulturelles Gedächtnis: Auf dem Weg zu einer Leipziger Time Machine

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Beim Genealogentag in Gotha sprang kurzfristig unser zweiter Vorsitzender Georg Fertig mit einem Vortrag „Private Familienforschung, Citizen Science und kulturelles Gedächtnis: Auf dem Weg zu einer Leipziger Time Machine“ ein, da ein anderer Vortrag zum Thema Time Machine ausgefallen war.

Der Vortragende stellte drei Themen vor.


Das erste war die Frage nach der Stellung von Genealogie im Verhältnis zu akademischer Geschichtswissenschaft und Archivwesen.

Ist Genealogie eine eigenständige Wissenschaft von der Abstammung oder eine auf die Fragestellungen der historischen Sozialwissenschaft bezogene Hilfswissenschaft, oder vielleicht einfach eine Form der besonderen, auf verschiedenste Fragestellungen bezogenen Vertrautheit mit Quellen – also das, was Droysen die Heuristik oder die „Bergmannskunst“ nannte?

Die zweite Frage ist die, inwieweit die quantitative Sozial- und Wirtschaftsgeschichte eigentlich auf die Genealogie und besonders auf die moderne Mitmach-Computergenealogie angewiesen ist.

Die Antwort ist die, dass schon die traditionelleren Formen der Ahnenforschung, vor allem die Ortsfamilienbücher, für die Historische Demographie als Teilgebiet der Wirtschafts- und Sozialgeschichte seit den 1970er Jahren ein sehr wichtiges Material waren. Das gilt insbesondere dann, wenn die Familien durch eindeutige Numerierungen miteinander verbunden sind. Mitmachprojekte haben sich zunächst vor allem dort entwickelt, wo es darum ging, nicht diese einzelnen Verbindungen zu erstellen, sondern ganze Quellenbestände systematisch zu erfassen, beispielsweise die Verlustlisten.

Im dritten Teil ging es darum, was für Konsequenzen für die Wissenschaft es hat, wenn Mitmachprojekte auch auf komplexeres, OFB-ähnliches Quellenmaterial ausgeweitet werden.

Die Kartei Leipziger Familien wurde in jahrzehntelanger Privatarbeit vor allem aus Kirchenbüchern von Helga Moritz, einer Mitarbeiterin der Deutschen Zentralstelle für Genealogie, erarbeitet und jetzt von CompGen digitalisiert und erfasst. Dieser Bestand wird nun als nächstes in Gedbas4all, die Graphdatenbank von CompGen, übertragen. Gedbas4all hat den Vorteil, dass man Quellen und Interpretationen klar voneinander unterscheiden und damit auch nachvollziehbar machen kann, was bei älteren Formen der Genealogie nicht der Fall ist. Eine wichtige Aufgabe wird auch darin bestehen, die Daten aus der Moritz-Datei mit den Daten des von einigen Leipzigern privat betriebenen Projekts altes-leipzig.de abzugleichen und mit den in diesem Projekt ebenfalls erarbeiteten dreidimensionalen Daten zum historischen Stadtraum zu integrieren.

Hierzu hat sich kürzlich in Leipzig eine Arbeitsgruppe von ArchivarInnen, Uni-HistorikerInnen und Informatikern gebildet, die in Zusammenarbeit mit dem gesamteuropäischen Time-Machine-Projekt an einer Leipziger Time Machine arbeiten wird.