Ostpreußenblatt Juni 1955, Folge 26, Teil 1

Folge 26 vom 25.06.1955

Seite 3 Mit Foto. Albrecht Czygan gestorben.
Mitten aus verantwortungsvoller Arbeit, wurde uns am 16. Juni 1955 der Zeitungsverleger und Buchdruckereibesitzer Albrecht Czygan aus Treuburg entrissen.
Als Vertreter des Heimatkreises Treuburg gehörte er zu den Begründern der Landsmannschaft Ostpreußen, in deren Arbeit und Kampf er aufging. Sein Wissen und seine Erfahrung, getragen von dem Vertrauen seiner Schicksalsgefährten, ließen die Landsmannschaft Ostpreußen ihn in die Aufgabe des stellvertretenden Leiters der Heimatauskunftstelle seines heimatlichen Regierungsbezirks Gumbinnen entsenden.
Getreu dem Gesetz, nach dem er als Soldat und Offizier in zwei Weltkriegen Heimat und Vaterland gedient hat, gab er sein Bestes. Eine Persönlichkeit vornehmer Denkungsart, vergleichbar den Eichen seiner Heimat, ist von uns gegangen. Sein Kampf um Heimat und Recht soll uns Verpflichtung sein.
Die Landsmannschaft Ostpreußen. Der Bundesvorstand, im Auftrage Dr. Gille.

Durch den plötzlichen und unerwarteten Heimgang von Albrecht Czygan, erlitt die Landsmannschaft Treuburg, einen schmerzlichen Verlust. Einer der besten Streiter für unser Recht ist mit ihm von uns gegangen. Als Verleger der Treuburger Zeitung, die während des Abstimmungskampfes in Masuren 1920 und in den späteren schweren Jahren ein bedeutsames Sprachrohr der Ostpreußen an der Grenze war, hatte er in der Heimat einen geachteten Namen. In der Ausübung seiner pflichten als stellvertretender Leiter der Heimatauskunftstelle für den Regierungsbezirk Gumbinnen ereilte ihn der Tod; er starb am 16. Juni 1955 in seinem Dienstzimmer in Lübeck, mitten in der Arbeit für seine Landsleute.
Albrecht Czygan wurde am 9. August 1891 in Treuburg als Sohn des Zeitungsverlegers und Buchdruckereibesitzers Friedrich Wilhelm Czygan geboren. Nach Ablegung der Reifeprüfung am Realgymnasium in Insterburg 1910, studierte er an den Technischen Hochschulen in München und Danzig das Maschinenbaufach. 1914 eilte er zu den Fahnen, und er wurde während des Krieges zum Offizier befördert. Um sich Kenntnisse für die spätere Leitung des väterlichen Betriebes zu erwerben, volontierte Albrecht Czygan nach dem ersten Kriege in größeren und auch kleineren Zeitungsbetrieben der Heimat. 1922 übernahm der Einunddreißigjährige als alleiniger Inhaber den väterlichen Verlag, in dem die Treuburger Zeitung und das Treuburger Kreisblatt erschienen. Zu diesem Betrieb gehörten eine Buchdruckerein, eine Buchbinderei und eine Buch- und Papierwarenhandlung. Nahezu fünfzig Menschen fanden dort ihr Brot.
Den, 1933 an die Macht gekommenen Nationalsozialisten, war die Zeitung nicht genehm. Sie wurde einmal verboten, und Albrecht Czygan erhielt eine empfindliche Geldstrafe wegen unnationalsozialistischen Verhaltens. Es kostete große Anstrengungen und Überwindungen, den Betrieb unter den damaligen Verhältnissen weiterzuführen.

Nach unserer Vertreibung gehörte Czygan zu den Landsleuten, die die Landsmannschaft Ostpreußen gründeten. Seine Treuburger Schicksalsgefährten wählten ihn zu ihrem Kreisvertreter. Sie trauern mit seiner Frau Hildegard, geborene Gisevius, seinen fünf Kindern und drei Enkeln um ihn.

Ein treuer Sohn Masurens, ein bewusster Kämpfer für Einigkeit und Recht und Freiheit, so wird Albrecht Czygan in unserer Erinnerung weiterleben.

Seite 6 Drüben lag die Mandschurei. Landsmann Masuhr war im fernsten Asien, Arbeitssklaven, Tiger und Gold
Erschütternd sind die Berichte, die unsere Landsleute von den Jahren ihrer Gefangenschaft in der Sowjetunion geben. Alle hatten sie ein schweres Schicksal zu tragen, waren jahrelang schwersten körperlichen und seelischen Leiden unterworfen. Niemand kann sagen, wer von all den Heimkehrern am meisten gelitten hat. Man kann da keine Vergleiche ziehen.
Schwerkrank kehrte vor wenigen Wochen unser Landsmann Johannes Masuhr aus dem östlichen Sibirien nach Deutschland zurück. Er trug achteinhalb Jahre lang ein besonderes schweres Los. Als Sechzehnjähriger wurde er im Memelland von den Sowjets verhaftet und unter der Beschuldigung, Partisan gewesen zu sein, zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Sein Weg führte ihn durch ganz Sibirien bis an die Küste des Stillen Ozeans. Unter Mongolen, Chinesen, Japanern, Koreanern, Russen und Angehörigen vieler anderer Völker arbeitete er jahrelang in den großen Urwaldgebieten an der Grenze der Mandschurei. Verbrecher in den Lagern, brutale Wachmannschaften, die Selbstsucht seiner Mitgefangenen und das mörderische Klima machten sein Leben zur Hölle.
Ein Gedanke aber peinigte ihn unausgesetzt, ließ ihn abgesehen von seinem schweren Leben nicht zur Ruhe kommen: Der Gedanke an seine Mutter und seine Schwester. Auch sie wurden nach Sibirien verschleppt und schmachten heute noch als Verbannte an den Ufern des Jenisseistromes.
Johannes Masuhr kehrte zurück. Seine Angehörigen aber blieben in Sibirien. Wann wird für die alte Mutter die Stunde der Rückkehr zu Sohn und Mann schlagen? Wir sprachen mit Johannes Masuhr unmittelbar nach seiner Ankunft in der Bundesrepublik. Dies ist die Geschichte seiner Leiden:

Angstzitternd standen meine Mutter und meine Schwester vor ein paar litauischen Milizsoldaten, die die Mündungen ihrer Maschinenpistolen auf uns richteten. Due verdammter deutscher Partisan, sagte der litauische Milizoffizier, wo hast Du Deine Waffen? Die Milizonäre durchsuchen jeden Winkel unseres Hauses und des Stalles. Sie fanden nichts. Mitkommen! befahl der Offizier. Ich war verhaftet.

Das war am 11. November 1946. Der litauische Bürgermeister des Dorfes Petrellen, in dem Johannes Masuhr mit seiner mutter und seiner Schwester nach der Flucht aus Klausmühlen bei Memel im Oktober 1944 Unterschlupf fand, hatte den siebzehnjährigen jungen beschuldigt, ein Partisan zu sein. Johannes Masuhr wurde fortgeschleppt. In der Zentrale der MWD (russische Geheimpolizei) in Heydekrug wurde er drei Monate lang Nacht für Nacht verhört.

Sie wollten von mir wissen, wie die Partisanenführer hießen. Ich kannte aber keinen. Nur deutsche Soldaten der Kurlandarmee hatten wir manchmal etwas zu essen gegeben. Die Wälder im Memelland waren damals voll von Soldaten, die sich ins Reich durchschlagen wollten.

Doch die Beteuerungen seiner Unschuld nutzen dem Jungen nichts. Für die Russen war er ein Partisan.

Am 12. April 1955 tagte in Heydekrug das oberste Gericht der litauischen Sowjetrepublik. Wir waren 15 Deutsche, die vor dem Richter standen. In einer Stunde waren die Urteile gefunden. Zwei Kameraden wurden zum Tode verurteilt. Ich bekam zehn Jahre Zuchthaus.

Johannes Masuhr kam in das Sammellager nach Wilna.

Dort wurde aus 3000 Gefangenen eine Etappe, so nennt man in der Sowjetunion einen Gefangenentransport, zusammengestellt. Über Archangelsk hoch im Norden am Eismeer fuhren wir auf einem ungeheuren Umweg wieder südlich nach Moskau, passierten die Wolga und langten in Swerdlowsk im Ural an. Die Fahrt dauerte zehn Tage. In Swerdlowsk durften wir den Zug zum erstenmal verlassen. Es ging zum Baden und zur Entlausung. In Omsk in Sibirien wurden wir noch einmal entlaust. Wir hatten es nötig. Die Läuse fraßen uns fast bei lebendigem Leibe auf.

Dann fuhren wir mit der Transsibirischen Bahn drei Wochen ohne Aufenthalt quer durch ganz Sibirien bis nach Buchtewanina, einer Stadt am Stillen Ozean, gegenüber der Insel Sachalin. In deren Süden bereits Japan liegt. Wir legten etwa 11 200 Kilometer zurück.

In Buchtewanina gab es ein Sammellager für Transporte nach dem Kolyma-Goldgebiet. Wir waren dort etwa 15 000 Gefangene und lebten zuerst in großen Leinwandzelten. Baracken wurden von den Gefangenen erst gebaut. Es war ein ganz neu entstandenes Lager. Im Lager Buchtewanina befanden sich außer Masuhr zwei weitere Deutsche und zwei Österreicher.

Es war ein fremdes Bild für mich. Überall sah man auf den Lagerstraßen Chinesen, Japaner, Koreaner, Mongolen, Perser und Armenier. Russisch war die Umgangssprache der Gefangenen. Ich hatte mittlerweile soviel Russisch gelernt, um mich wenigstens verständigen zu können.

Sie starben wie die Fliegen
In meiner Baracke wurde mir eine Pritsche angewiesen, auf der schon einer lag. Keine Sorge, sagte der Brigadier zu mir, Dein Schlafgenosse verreckt bald. Dann hast Du eine Pritsche für Dich allein.
Der Mann, mit dem ich die Gagerstatt teilen sollte, war ein Österreicher. Er war aus Kolyma zurückgekommen, wo er nach Gold hatte graben müssen. Der Mann war ohne Besinnung und phantasierte in hohem Fieber. Ich legte mich neben ihn und kroch unter seine Decke. Es war sehr kalt in der Baracke.

Am anderen Morgen rührte sich mein Schlafgenosse nicht. Die ganze Nacht hindurch hatte er um sich geschlagen und im Fieber von Wien und von gutem Essen geredet. Jetzt war er ganz still. Ich stand vorsichtig auf, um ihn nicht zu wecken. Dabei stieß ich an seine rechte Hand. Ich erschrak. Die Hand war eiskalt. Der Mann war in der Nacht an meiner Seite gestorben.

Er war nicht der einzige, der im Laufe der nächsten Monate starb. Der strenge sibirische Winter begann, und wir froren fürchterlich. In diesem Winter sind in Buchtewanin von den
15 000 Mann 9 000 gestorben. Ich hatte Glück. Ich kam durch.

Selbstverstümmler aus dem Goldgebiet
Aus dem Kolyma-Goldgebiet im Dalstroi hörte ich im Lager Erzählungen, bei denen sich mir die Haare sträubten. Da war ein Mann mit einem Transport von Selbstverstümmlern und Kranken nach Buchtewanina zurückgekommen, der hatte sich das rechte Bein weggesprengt, weil er es in den Goldminen nicht mehr aushielt. Er war ein Schlesier und sprach von der harten Arbeit in den Goldminen und von der schlechten Behandlung der Gefangenen durch die Natschalniks (freie Vorarbeiter).

Eines Tages ertrug ich es nicht mehr, erzählte der verstümmelte Schlesier. Ich nahm vom Arbeitsplatz eine Sprengpatrone mit und steckte sie in den Filzstiefel. Am Lagertor entzündete ich die Lunte mit einer Zigarette. Die Detonation zerschmetterte mir das rechte Bein. Der MWD-Posten am Tor wurde völlig zerrissen.

Den Deutschen haben sie dann in den Isolator gesperrt. Dort lag er zwei Tage ohne ärztliche Behandlung. Das Bein hatte er sich selbst abgebunden. Es war vollkommen zerfetzt. Später wurde es dann amputiert. Jetzt lief er mit einem Holzbein im Lager und hatte für seine Verstümmlung noch zehn Jahre dazubekommen. Aber er brauchte nicht mehr im Goldgebiet zu arbeiten und war sehr froh darüber. Andere hatten sich die Hände weggesprengt oder mit einem Messer die Finger der rechten Hand abgeschnitten. Die meisten aber waren unheilbar krank. Sie litten an Tuberkulose oder an schweren Herzkrankheiten und viele starben im Lager Buchtewanina.

In der goldenen Hölle von Kolyma
Von den Rückkehrern erfuhr Johannes Masuhr einiges über die Art der Arbeit in dem großen nordsibirischen Gebiet am Kolyma-Fluß, in dem die sowjetische Regierung unter der Parole, Mehr Metall für das Vaterland, Zehntausende von Sträflingen nach Gold suchen lässt. (Foto: Johannes Masuhr (rechts auf dem Bild) mit zwei seiner Lagergefährten im Jahre 1954. Die Aufnahme wurde von einem Wachtposten im Lager in Krasnojarsk gemacht. Masuhr konnte das Bild trotz aller Filzungen nach Deutschland mitbringen).

Die Kameraden erzählten mir dass die leichtere Arbeit die in den Minen unter Tage ist. Dort werden Stollen in den Fels getrieben. Nachdem Geologen die goldhaltigen Adern festgestellt haben, sprengt man einfach das Gestein fort und klopft das gediegene Gold aus den Steinbrocken heraus. Aber zu dieser Arbeit, bei der Häftlinge schon manchmal Goldklumpen von mehr als 500 Gramm gefunden haben, werden nur diejenigen eingeteilt, die sich vorher im Übertagebau bewährt haben. Der Häftling, der neu in ein Lager im Goldgebiet kommt, muss zunächst über Tage arbeiten. Diese Arbeit ist sehr schwer, da der Boden durchweg gewachsener Felsen ist.

Skizze: Der Weg von Landsmann Hans Masuhr.

Diesen felsigen Untergrund müssen die Gefangenen mit den primitiven Werkzeugen, die ihnen zur Verfügung stehen, bearbeiten. Jeder Strafarbeiter bekommt an Arbeitsgeräten eine Spitzhacke, eine an beiden Seiten spitze Brechstange, eine kurze Schaufel und einen Löffel. Am Arbeitsort wird jedem Gefangenen seine Schurfa zugeteilt. Das ist ein Rechteck von 1,20 Meter Länge und 80 Zentimeter Breite. Hier wird zunächst die dünne Erdkrume mit der Schaufel weggekratzt und dann mit der Brechstange an der linken oberen Ecke der Schurfa ein Loch gestoßen. Das Loch muss 50 Zentimeter tief sein und einen Durchmesser von zehn Zentimeter haben. Schräg gegenüber von diesem ersten Burki, so heißt das Loch auf russisch, wird dann an der anderen Ecke des Schüffeldes ein Loch von gleicher Beschaffenheit wie das erste gestoßen. Bis 12 Uhr mittags müssen die Sprenglöcher fertig sein. Mit der Anlage beginnt der Häftling um 8 Uhr. In jedes fertige Sprengloch legt der Sprengmeister ein Päckchen Dynamit, an dem eine Zündschnur befestigt ist. All die vielen Zündschnüre werden dann mit einer Wattelunte in Brand gesetzt. Der Sprengmeister springt dabei von Loch zu Loch.

Sie wurden entsetzlich gequält.
Hat man durch diese Sprengung eine Tiefe von etwa drei Metern erreicht, dann wird ein Paket, das drei Kilogramm Sprengstoff enthält, in jede Schurfa gelegt und das gesamte Arbeitsfeld elektrisch gezündet. Im Frühjahr werden Bäche durch die bloßgelegten Goldfelder geleitet und die Arbeit der Goldwäscher beginnt. Das sind Häftlinge, die das Vertrauen der Natschalniks besitzen.
Die Kameraden berichteten auch von dem mörderischen Klima im Dalstroi. Im Winter gibt es Temperaturen bis zu 60, ja 70 Grad unter Null. Gewaltige Schneestürme brausen über das Gebirge. Im Sommer aber brennt von Juni bis September die Sonne erbarmungslos vom Himmel und Schwärme von Stechmücken steigen aus den Urwäldern und Sumpfgebieten am Fuße des Hochlandes auf und peinigen die Arbeiter. Gefangene, die ihr Pensum auf den Schurfas nicht erfüllen, werden von den Brigadiers oft bis zur Bewusstlosigkeit zusammengeschlagen und entsetzlich gequält. Im Winter ist das ganze Gebiet, das etwa doppelt so groß ist, wie es Deutschland im Jahre 1935 war, oft von der Außenwelt abgeschnitten. Dann gibt es schlimmste Hungersnöte in den Gefangenenlagern. Lebensmittel werden dann wohl mit Flugzeugen herbeigeschafft, aber sie reichen nicht aus.

Ich wusste also ziemlich genau, was mir bevorstand, wenn ich in das Goldgebiet kommen sollte. Zum Glück wurde ich wieder ruhrkrank, als der nächste Transport nach Magdan zusammengestellt wurde. So blieb ich in Buchtewanina und brauchte nicht am Kolyma-Fluss Burkis anlegen oder auf einer Bergspitze zu erfrieren. Fortsetzung folgt.

Seite 7 Memel-Stadt
Wer kann über die deutsche Staatsangehörigkeit der Frau Marinke Daugalies, geb. Pillosas, geb. 24.08.1908 in Jodicken, zuletzt Memel, Wertquerstraße 5 (Witwe des verstorbenen Elektrikers Martin Daugalies) Angaben machen? Meldungen an den Suchdienst der Memelländer, Oldenburg.

Aus der Heimat werden gesucht:
Heinrich Turowski, geb. 1904, früher Memel, Karlstraße
Walter Turowski, geb. 1912, früher Memel, Kantstraße 25
Richard Turowski, geb. 1911, früher Truschellen, Kreis memel, Torflager.

Seite 7 Bartenstein
Es fehlen die Anschriften von den Bauern:
August Klaffke; Willi Klink; Erich Krause; Freidrich Kohn; Gustav Lettke; Richiger; Erwin Persch; Julius Stelzer und Bernhard Schröder. Alle sind nicht in der Kreiskartei enthalten. Ich wäre sehr dankbar, wenn mir die Anschriften mitgeteilt werden könnten. Die große Bedeutung richtiger Seelenlisten für den Lastenausgleich ist ja wohl allgemein bekannt. Zeiß, Kreisvertreter (20a) Celle, Hanoversche Straße 2

Seite 7 Verschiedenes
Allen lieben Freunden und Bekannten zur Kenntnis, dass ich am 6. Juni 1955 in Stuttgart-W, Rötestraße 58, ein Tabakwaren-, Wein- und Spirituosengeschäft eröffnet habe. Die in Stuttgart ansässigen ostpreußischen Landsleute begrüße ich besonders herzlichst und bitte um Unterstützung meines Unternehmens. Otto Schumacher, früher Königsberg Pr., Gr. Sandgasse 21 und Mozartstraße 33

Seite 8 Keiner soll verloren sein. Suchdienst Hamburg feierte sein zehnjähriges Bestehen. Ostpreußenblatt half mit, viele ostpreußische Kinder ihren Eltern zuzuführen.
Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes in Hamburg konnte vor kurzem auf eine zehnjährige Tätigkeit zurückblicken. Eine besonders hohe Aufgabe erfüllt im Rahmen der Gesamtorganisation der Kindersuchdienst. Etwa 95 000 Kinder konnte er seit 1945 mit den Angehörigen zusammenführen. Aber 25 000 Kinder sind noch heute ohne Kenntnis vom Schicksal ihrer Familie, und 26 000 Angehörige suchen noch nach verlorengegangenen Kindern. Doch keiner soll verloren sein. Zur Zeit werden jeden Monat etwa sechshundert Kinder entweder ihren Eltern zugeführt oder ihr Schicksal kann in anderer Weise geklärt werden. Einen bedeutenden Beitrag zur Erfüllung dieser Aufgabe konnte das Ostpreußenblatt durch Veröffentlichung der Aufrufe und Suchanzeigen leisten; wo andere Wege versagten, war unser Batt oft das letzte Mittel zu einem Erfolg.

Noch immer denke ich, es ist ein Traum
Der Brief, den eine Mutter schrieb, die einst mit ihren Lieben in Königsberg glücklich gewesen war, und die durch eine Suchanzeige im Ostpreußenblatt ihr Kind wiederfand, spricht für unzählige Mütter; man braucht ihm kaum etwas hinzuzufügen. (Foto: Horst, der nach langen Jahren seine Mutter wiederfand, wurde in diesem Jahr zusammen mit seiner Schwester konfirmiert).
Erst heute komme ich dazu, Ihnen für Ihre großen Bemühungen und für die Nachricht, dass mein Sohn Horst noch am Leben ist, zu danken. Endlich ist mein langgehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Ich bin im Moment noch nicht in der Lage, das zu Papier zu bringen, wie es einer glücklichen Mutter zumute ist. Ich habe die nötigen Schritte unternommen, um mein kind bald in die Arme schließen zu können. Noch immer denke ich, es ist ein Traum, aber jetzt soll er bald Wirklichkeit werden. Heute habe ich das Bild und die Beschreibung aus dem Ostpreußenblatt bekommen und kann nun mit Bestimmtheit sagen, dass es mein Junge ist.

Noch im Juli 1954, musste der Mutter auf ihre wiederholten Anfragen vom Suchdienst Hamburg mitgeteilt werden, dass von ihrem Sohn Horst bisher keine Spur gefunden war. Fast schien es, als sollte das Schicksal dieses Kindes ungeklärt bleiben.
Doch etwa um die gleiche Zeit gelangte an das Ostpreußenblatt ein Brief von einer Frau aus Thüringen, der im Wesentlichen folgendes sagte: In einem Kinderheim hier in der Nähe befindet sich ein etwa dreizehnjähriger Junge, der gern seine Eltern wiederfinden möchte. Er heißt Horst, aber seinen Nachnamen weiß er nicht. Man hat ihn vorläufig Neumann genannt. Seine Eltern sollen aus Königsberg sein. Sie haben dort in Ponarth gewohnt. Sonst weiß er nur zu berichten, dass er nach der Besetzung von Königsberg durch die Russen noch zwei Weihnachten bei seiner Mutter in Königsberg war. Dann wurde er von seiner Mutter einer Bekannten nach Litauen mitgegeben, weil es dort mehr zu essen gab. Die dortigen Sowjetbehörden haben ihn dann mit einem Transport in die Sowjetzone geschickt, und schließlich gelangte er in ein Kinderheim in Thüringen. Als besonderes Kennzeichen wäre eine Narbe an der linen Brustwarze zu nennen. Heinz ist wirklich ein netter, lieber Kerl, und ich möchte ihm gern behilflich sein.

Soweit der Brief. Das Ostpreußenblatt nahm sich der Angehlegenheit an und veröffentlichte die Angaben, die der Brief dieser Frau brachte, und auch das Bild, das dem Schreiben beigefügt war. Dieses Mal war es nicht die Mutter selbst, die diese Suchanzeige im Ostpreußenblatt las, dafür teilte uns der Suchdienst Hamburg mit: Wir sahen die Suchanzeige im Ostpreußenblatt und glauben, die Mutter für Horst gefunden zu haben, denn alle Angaben und Merkmale stimmen mit dem überein, was eine Mutter, die jetzt im Rheinland wohnt, uns über ihr vermisstes Kind mitgeteilt hat.

Bald danach ging ein Eilbrief aus Hamburg ins Rheinland, in dem zu lesen war: Wir können Ihnen eine große Freude machen, wir haben Ihren Sohn gefunden!

Ein schwarzer Spitz mit Namens Prinz
Da kam auch einmal, vor gar nicht langer Zeit, ein Brief von einem Mann aus einem Ort an der Elbe, adressiert an den Suchdienst Hamburg. Der Mann teilte mit, dass bei ihm ein Mädchen, ein Kind namens Gerda in Pflege sein, welches seine Eltern und Geschwister wiederfinden möchte. Gerda wusste manches von sich zu erzählen, ihren Namen, und dass sie in der Nähe von Labiau beheimatet war, und dass sie einen Hund besessen hatte, einen schwarzen Spitz mit Namen Prinz, und dass der Vater immer Kühe melken musste, vermutlich also Schweizer auf einem Gut gewesen sei.
Wir haben Gerda gern, schrieb der Mann, und möchten sie auch behalten; wir möchten aber auch, dass ihre Eltern und Geschwister wissen sollen, wenn sie noch am Leben sind, dass auch Gerda lebt.
Es bedurfte beim Suchdienst nur eines raschen Griffes in die Kartei, um festzustellen, dass Gerdas Bruder schon vor einiger Zeit einen Suchantrag gestellt hatte, der seiner kleinen Schwester galt, zugleich aber auch den Eltern und weiteren Geschwistern.
Die kleine Gerda war insofern ein wenig getröstet, als sie nun wenigstens von ihrem Bruder wusste, und auch ein Onkel meldete sich. Die Vereinten suchten nun gemeinsam die Eltern. Sie baten das Ostpreußenblatt um eine Suchanzeige, die auch erschien.
Daraufhin schrieb ein Landsmann an die Schriftleitung. Er teilte mit, er habe diese Suchanzeige gelesen. Zwar kenne er selbst die Familie nicht, es wäre ihm aber beim Lesen einefallen, dass vor gar nicht langer Zeit eine Frau gleichen Namens und mit den gleichen Geburtsdaten aus sowjetischer Gefangenschaft zurückgekehrt und dass ihr Mann im Ostpreußenblatt genannt worden sei. Der neue Wohnort dieser Frau sei ihm bekannt, man möge doch einmal nachforschen, ob es sich nicht um die gesuchte Mutter handele.
Es war wirklich die Mutter. Und nun ist die Familie glücklich vereint. Nur der Vater konnte noch nicht gefunden werden.

Ich bitte um die Adresse
Man könnte noch viel berichten, und man würde doch kein Ende finden. Da wäre noch vin einer Frau aus Gnadenheim zu erzählen, die im Ostpreußenblatt den Namen ihres Sohnes fand, und dann mit vor Aufregung zittrigen Buchstaben schrieb: Ich bitte um die Andresse von Bernhard W. Sonst nichts. Da in jedem Fall eine genaue Nachprüfung erforderlich ist, musste erst angefragt werden, ob und in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis sie zu dem Genannten stehe. Da erst erklärte sie: Ich bin die Mutter! In der Freude des Wiederfindens hatte sie diese wichtige Mitteilung vergessen.
Oder von jenem Vater aus Kreuzingen könnte man schreiben, dem mitgeteilt werden konnte, dass er seine sechs Kinder zusammen in einem Heim vordinden würde.
Tragischer ist der Fall des Heinz-Joachim M. aus Königsberg, dessen Mutter zwar festgestellt werden konnte, doch ist ein Wiedersehen zunächst nicht möglich, weil sie wieder geheiratet hat und mit ihrem Mann nach Kanada ausgewander ist.
Und dann gibt es auch Fölle, wo man den Eltern schreiben muss: Ihr Kind ist tot. Oder die Kinder müssen die Nachricht erhalten, dass die Eltern gestorben sind, oder dass sie noch in der alten sowjetisch oder polnisch besetzten Heimat leben oder dass sie gar in die Sowjetunion verschleppt wurden und noch nicht wiederkehrten. Aber es ist doch wenigstens eine Nachricht, die über das Schicksal der Gesuchten Gewissheit gibt.

Ein bisschen Maschuka, ein bisschen Schanetzki
Die Mitarbeiter und Helfer des Suchdienstes sind sich bewusst, dass der Teil der Aufgaben, der noch vor ihnen steht, viel schwieriger zu erfüllen ist als alles, was bisher getan werden konnte. Denn bei den Fällen, die noch nicht gelöst sind, handelt es sich zumeist um soche Kinder, die überhaupt keine Angaben über ihre Person und über ihr Herkommen zu machen vermögen. Wahrhafte Rätsel gibt es da oft zu lösen.
Da war zum Beispiel ein kleiner ostpreußischer Junge nach vielen Irrfahrten in einem Kinderheim in Holstein gelandet. Nach seinem Namen gefragt, gab er immerzu nur die eine Antwort: Ein bisschen Maschuka, ein bisschen Schanetzki! Mashuka? In der inzwischen ins Ungemessene angewachsenen Kartei fand sich kein Name, der auch nur eine Ähnlichkeit mit diesem gehabt hätte. Und Schanetzki? Man hielt es zuerst für den Namen des Heimatortes in verstümmelter Form. Doch auch die besten Ortsverzeichnisse gaben keine Auskunft. Auch an diesem Fall wollte man allmählich verzweifeln. Die Lösung kam endlich durch eine Rundfunkdurchsage. Es meldete sich die Tante des Jungen. Die Eltern hatten Matzuga geheißen. Aber die Mutter war schon im Krieg gestorben. Da kam das Kind, noch in Ostpreußen, zu einem Verwandten namens Zarnetzki. Frau Zarnetzki aber starb auf der Flucht, und das Kind blieb allein wie ein verwehtes Blatt in dem großen Zeitensturm.

Von Allenstein bis Workuta
Wir wissen, dass der Kindersuchdienst nur eine Teilaufgabe vom Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes ist. Es gibt kein Land und kein Gebiet, in dem noch Deutsche leben oder leben könnten, wohin er nicht seine Fühler ausstreckt, und wo er nicht sucht, nachforscht, hilft. Von Allenstein bis Workuta und weit darüber hinaus reichen seine Bemühungen. Durch immer neue Heimkehrerbefragungen will man die Spur auch der letzten Verschollenen, der Wehrmachtsgefangenen und der Zivilverschleppten finden. Und wenn man sie aufgespürt hat, werden sie so lange nicht mehr aus den Augen gelassen, bis sie nach Hause zurückkehren können.
Auch wissen wir, wie sehr sich der Suchdienst um das Schicksal derjenigen Ostpreußen bemüht, die noch in der Heimat unter polnischer oder sowjetischer Besetzung festgehalten werden, wie er manche Ehe zwischen einer Frau, die noch dort lebt, und dem Mann, der schon hier ist, vor dem endgültigen Zerfall bewahren konnte, und wie in weitem Maße die Heimkehrertransporte des letzten Jahres ein Erfolg seiner Bemühungen und Verhandlungen sind. Fast sieben Millionen Menschen hat er seit Kriegsende zusammengeführt.
So ist der Suchdienst über alle Formen der äußeren Organisation hinaus längst zu einer Kraft geworden, die für uns alle da ist und wirkt, ohne dass sie unnütz viel von sich reden macht.
Auch das Ostpreußenblatt wird weiterhin am Werk bleiben und mithelfen, das Ziel zu erreichen, das sich in den Worten darstellt: Keiner soll verloren sein!

Seite 11 Pr.-Holland
Gesucht werden:
Eheleute Ernst und Liesbeth Bucholz, geb. Hinz, Mühlhausen;
Anton Melzer, Bahnmeisterei, Mühlhausen;
Frau Juliane Teschner, Pr.-Holland;
Eheleute Bruno und Hedwig Heinrich, Mühlhausen

Seite 11 Wer kann Auskunft geben über:
Melker Ernst Dargel, Reichenbach, zul. beim Volkssturm in Elbing, später im Danziger Abschnitt eingesetzt;
Käthe Kuhn, Mühlhausen, geb. 07.02.1920, am 07.02.1945 nach Russland verschleppt, soll im August 1945 entlassen worden und bis Frankfurt a. d. Oder gekommen sein;
Fritz Bischoff, Sommerfeld, Volkssturm. Bischoff soll im Februar 1945 noch in Danzig gewesen sein.