Moskauer Suchdienst klärt Kriegs-Schicksale auf

Moskauer Suchdienst kl�rt Kriegs-Schicksale auf

Von OTZ-Redakteurin Elke Lier

Gemeinsam mit Russlands Pr�sident Vladimir Putin
trafen am Dienstag auch Dr. Vladimir Kuzelenkov, Direktor des Staatlichen
Russischen Milit�rarchivs und Andrej Rumjanzew, Pr�sident der Liga f�r
Russisch-Deutsche Freundschaft aus Moskau in Berlin ein.

W�hrend Pr�sident Putin sich Gegenwarts- und Zukunftsfragen widmet, f�hrt die
Vergangenheit die beiden anderen Moskauer nach Deutschland. Auf Einladung des
Landesverbandes Th�ringen des Verbandes der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und
Vermisstenangeh�rigen sind sie in Gera und zum Th�ringentag zu Gast.

56 Jahre nach Kriegsende suchen noch immer Frauen nach ihren im zweiten
Weltkrieg vermissten M�nnern, Kinder nach ihren V�tern. Seit f�nf Jahren
arbeitet in Moskau der Suchdienst der Liga f�r Russisch- Deutsche Freundschaft.
Liga-Chef Rumjanzew: "Allein aus Th�ringen gibt es 420 Suchdienstantr�ge in
Moskau. 189 Vermisstenf�lle konnten aufgekl�rt werden. Die Erfolgsquote liegt
zwischen 15 und 20 Prozent."

Die russische Seite hat 1992 die Totenlisten mit 330 000 Namen von
Kriegsgefangenen an den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes �bergeben. Noch
schneller und gr�ndlicher als das DRK kommt der Moskauer Liga-Suchdienst
ungekl�rten Soldaten-Schicksalen auf die Spur. Andrej Rumjanzew: "Wir nutzen die
Archivakten f�r 2,4 Millionen Namen in vier zentralen und 74 regionalen
Archiven." Akribisch sind dort auch pers�nliche Papiere, Briefe, Soldb�cher,
Fotos, Sparb�cher, Krankenberichte aufbewahrt. Wertvolle Erinnerungsst�cke f�r
die Hinterbliebenen.

"Von den 32 000 zu Unrecht verurteilten deutschen Kriegsgefangenen sind bisher 8
800 rehabilitiert", berichtet Vladimir Kuzelenkov, Direktor des Staatlichen
Russischen Milit�rarchivs. Auch die Kriegsgefangenen-Akte von Gerhard Danders
aus Gera, der seit zehn Jahren Pr�sident des Th�ringer Heimkehrerverbandes ist,
wurde erst im Juli 2001 freigegeben.

Der heute 74J�hrige geriet als 20j�hriger Gebirgsj�ger in Jugoslawien in
sowjetische Gefangenschaft. Im Kriegsgefangenenlager Workuta, 120 Kilometer
n�rdlich des Polarkreises, schuftete er acht Jahre unter Tage in einem
Kohlebergwerk. "Im Schacht 8 unterm Eismeerfluss". Bis zu Stalins Tod war dieses
Lager mit 3000 Kriegsgefangenen, politischen H�ftlingen und Berufsverbrechern
ein Schweigelager. "All die Jahre keine Nachricht, keine Karte nach und von zu
Hause - das war neben der ewigen Finsternis im Winter, der eisigen K�lte bis
minus 45 Grad und kargen Rationen aus Buchweizengr�tze, Sonnenblumen�l, Brot,
Fisch und Sauerkraut am schwersten zu ertragen", erinnert sich Gerhard Danders.
Er kehrte im Oktober 1955 als Sp�theimkehrer in den Osten Deutschlands zur�ck,
um die unterbrochene Schule fortzuseten. "Sp�theimkehrer aus �stlicher
Kriegsgefangenschaft", so seine Erfahrung, "wurden nachteilig behandelt,
unterschwellig als m�gliche Kriegsverbrecher eingestuft."

Im Th�ringer Landesverband der Heimkehrer mit 2520 Mitgliedern in 15 Kreis- und
28 Ortsverb�nden setzt er sich daf�r ein, dass Rentenzusatzleistungen aus der
1993 eingerichteten Heimkehrerstiftung f�r die neuen Bundesl�nder an die 3700
Th�ringer Antragsteller gezahlt werden. Wichtig ist ihm bei der Zusammenarbeit
mit der Liga der Russisch-deutschen Freundschaft aber auchdie V�lkervers�hnung,
die durch den Moskauer Suchdienst ganz pers�nlichen Charakter annimmt.

Einerseits wird 60 Jahre nach dem Angriff Hitlers auf die damalige Sowjetunion
immer noch Kriegsgeschichte aufgearbeitet, andererseits zerbrechen in wenigen
Sekunden durch Terrorangriffe nicht nur New-Yorker Hochhaust�rme, sondern auch
Hoffnungen auf ein vern�nftiges Miteinander der V�lker. Dr. Kuzelenkov,
Archivdirektor und stellvertretender Justizminister der Russischen F�deration:
"Das ist Vandalismus, der nicht zu begreifen und der gef�hrlich ist. Russland
hat sich sehr ver�ndert, doch der Westen scheint dies nicht wahrzunehmen. Vor
zwei Jahren wurden bei uns durch terroristische Bombenanschl�ge �ber 300
Menschen get�tet. Schon damals hat Russland vor internationalen terroristischen
Verflechtungen gewarnt. F�r deren Bek�mpfung braucht man eine Vertrauensbasis
zwischen den L�ndern".

V�lkerverst�ndigung und-Vers�hnung �ber die Gr�ber hinweg, so Georg Danders, sei
das wichtigste Anliegen des internationalen Komitees ehemaliger
Kriegsgefangener. Diese behutsame Arbeit d�rfe nicht kaputt gemacht werden.

Suchreferat Moskau: Maroseika-Str. 7/8-27,A/Nr.190, 101000 Moskau, Tel./Fax: 007
095/206 8467, e Mail: suchreferat.moskau@ telsycom. ru

Quelle: Ostth�ringer Zeitung vom 29.09.2001

http://www.otz.de/free/otz.news-artikel-000.html?region=National&news_id=1913962