Monheim verbietet das Fotografieren von Grabsteinen

Originally published at: https://www.compgen.de/2023/08/monheim-verbietet-das-fotografieren-von-grabsteinen/

Die Meldung im WDR-Hörfunk „Monheim verbietet das Fotografieren von Grabsteinen“ schreckte viele auf, die ehrenamtlich auf Friedhöfen Grabsteine fotografieren und deren Inschriften für die Familien- und Ahnenforschung auf dem Server des Vereins für Computergenealogie (CompGen) bewahren wollen.

Anlass für die Nachricht: Am 21. Juni 2023 beschloss der Rat der Stadt Monheim am Rhein (Kreis Mettmann, NRW) eine Änderung der Friedhofssatzung, wonach es zukünftig verboten ist, „ohne Zustimmung des Friedhofsträgers nicht ausschließlich privaten Zwecken dienende Film-, Ton-, Video oder Fotoaufnahmen anzufertigen“. Die bisherige Friedhofssatzung vom 17.12.2020, die immer noch auf der Webseite der Stadt Monheim zu sehen ist, gestattet (nur) nicht „ohne schriftlichen Auftrag der Berechtigten bzw. ohne Zustimmung der Friedhofsverwaltung gewerbsmäßig zu fotografieren“.

Störung der Totenruhe durch Sammlung der Daten?

Das verschärfte Fotografier-Verbot soll nicht nur die gewerbsmäßige Betätigung ausschließen, sondern auch das Fotografieren für Grabstein-Datenbanken, die in kommerziellen Ahnenforschungsportalen angeboten werden sowie in denen von ehrenamtlich geführten Vereinen. Ein Sprecher der Stadt Monheim sagte gegenüber der BILD-Zeitung: „Es gab immer wieder Anfragen von Vereinen oder Firmen, die alle Grabsteine auf den städtischen Friedhöfen digital erfassen und mitsamt der darauf enthaltenen Daten online stellen wollen.“ Die Schlagzeile dazu lautet: „Sterbedaten bringen bares Geld“. Da als Begründung für das Verbot der Datenschutz nicht anwendbar ist („Tote haben keinen Datenschutz“), wird Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) herangezogen, um auf die Wahrung der Totenruhe zu verweisen. Die Toten müssten, so der Sprecher, vor der Sammlung von Daten wie Namen, Geburts- und Sterbedaten geschützt werden. Störung der Totenruhe durch Datensammlung? Welch ein Unsinn!

Das Grabstein-Projekt von CompGen ist vielfach anerkannt

Die Friedhofskultur ist seit 2020 von der Deutschen UNESCO-Kommission in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. Auch die Mitglieder des gemeinnützigen Vereins für Computergenealogie (CompGen) betrachten Friedhöfe als Kulturerbe, das bewahrt werden soll. Bereits seit 2007 werden im CompGen-Projekt „Grabsteine“ Grabsteinbilder gesammelt, die darauf verzeichneten Namen und Daten abgeschrieben und gespeichert. So sind viele Grabmale virtuell erhalten geblieben, die auf den Friedhöfen nach Ende der „Liegezeit“ inzwischen bereits abgeräumt und entsorgt worden sind.

Mit der Datenbank wird das Andenken an die Verstorbenen weiter erhalten, und sie hilft Angehörigen, Vorfahren oder verschollene Verwandte wiederzufinden. Aus Pietät werden Bilder von Grabsteinen in unserem Projekt erst nach Ablauf des zweiten Trauerjahres öffentlich sichtbar. Die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen werden beachtet. Eine kommerzielle Weiterverwertung der Fotos ist ausgeschlossen. Das Grabstein-Projekt hat vielfach Anerkennung gefunden – bei Genealogen, Heimatforschern, Autoren von Chroniken und Ortsfamilienbüchern und auch bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Es ist 2015 in den „Bürger schaffen Wissen“-Projekten aufgenommen worden. Viele Städte und Gemeinden haben das Fotografieren der Grabsteine für dieses ehrenamtliche Projekt ausdrücklich gestattet. Die Datenbank ist ohne Registrierung kostenfrei weltweit einsehbar.

Wer im CompGen-Grabstein-Projekt mitmachen möchte, kann sich in unserem Genealogienetz hier informieren und Kontakt zur Projektbetreuung aufnehmen. Bei Unklarheiten stehen wir gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.

Übrigens: Die Grabsteine-Dokumentation für den Baumberger Kommunalfriedhof in Monheim wurde am 20. Juni 2023, also einen Tag vor dem Monheimer Ratsbeschluss, im Grabstein-Portal veröffentlicht.

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Hat die Stadt Monheim dazu überhaupt regulatorische Kompetenz? Würde mich wundern, wenn ja. Nur weil einer Kommune etwas nicht gefällt, können sie doch nicht einfach Bundesrecht (Gemeinfreiheit) einschränken.

Kommunen dürfen ja auch nicht einfach Links vor Rechts für ihre Straßen beschließen.

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Es gibt Friedhofsordnungen, die die jeweilige Gemeinde bzw. Kirchengemeinde erläßt. Da könnte m.E. die Gemeinde auch das Fotografieren auf dem Friedhof regeln. Welches Bundesrecht soll denn da greifen?
Gruß
Heinz (Keizer)

Die Stadt dürfte sich auf das Hausrecht berufen. Dem entgegen steht die Panoramafreiheit, die durch Bundesgesetz geregelt ist.

Sehr ausführlich ist die Panoramafreiheit in diesem Wikipedia-Artikel (mit Quellenangaben) dargestellt, wobei auf auch auf Friedhöfe eingegangen wird:

„Ältere“ Compgen-Mitglieder wissen, dass Compgen auch einmal ein Urteil zugunsten der Grabstein-Dokumentation erstritten hat.

Die Panoramafreiheit schützt das Recht, Bilder öffentlich wiederzugeben, ist also eine vom Gesetzgeber gewollte Einschränkung des Urheberrechts. Zumindest diejenigen, die die Bilder veröffentlichen, dürften geschützt sein.

Ob der Vorgang des Fotografierens selbst auch geschützt ist?

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Es stellt sich dann natürlich auch die Frage, ob die Störung der Totenruhe durch das Abräumen von Grabsteinen nicht doch wesentlich stärker ist, als durch das Fotografieren.

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