Hallo Liste,
[...] In der Akte steht nur "in hiesigen Dorffe die sogenannte
Krumme Krankheit unter den mehresten Einwohnern grassirte" . [...]
Die Krankheit scheint sich aber teilweise �ber
einen l�ngeren Zeitraum hingezogen zu haben und es gab wohl Zeiten wo es
den
Personen zwischendurch wieder besser ging .
[...] W�hrend
sonst etwa 10 Personen im Jahr starben , sind es 1732 etwa 40 und 1733
etwa 30
Personen . Erkrankt sind wohl alle Altersgruppen . W�hrend der
Sommermonate 1732
und 1733 gab es fast keine Todesf�lle , w�hrend sonst die Sterberate etwa
gleichm��ig verteilt war . In einigen Familien war die Sterblichkeit in
diesen
Jahren �ber 50 % .
Ok, es k�nnte also eine Infektionskrankheit sein, d.h. es gibt einen Erreger
und Menschen stecken sich bei Erkrankten oder auf einem anderen Wege an.
Es ist keine typische Kinderkrankheit, wie Frieseln, Masern usw., denn alle
Altersgruppen sind betroffen.
Die Erkrankung tritt in den heissen Monaten nicht so sehr in Erscheinung,
oder die Menschen hatten im Sommer eine bessere Abwehrlage als z.B. in den
Wintermonaten, in denen Nahrung evtl. mal knapp wurde, weniger Vitamine usw.
aufgenommen wurden (kein frisches Gem�se), das Wetter war kalt und feucht
und i.d.R. gab es nur einen geheizten Raum usw.
Die Sterblichkeitsrate ist offenbar hoch, wenn 3 bzw. 4 mal so viele
Menschen sterben als sonst und die Erkrankung in den Dorfakten erw�hnt wird.
Bezieht sich die Angabe zur Sterblichkeit in den Familien auf die Zahl der
dahingerafften Familienmitglieder? Eigentlich gibt die Sterblichkeitsrate
an, wie viele der Erkrankten auch an der Krankheit sterben. Ist das mit der
Angabe 50% gemeint? Mit anderen Worten k�nnte doch jeder oder nahezu jeder
betroffene auch sterben?
Ich glaube nicht, dass es bei der Erkrankung zu heftigen Fiebersch�ben
kommt. Bei Erkrankungen mit hohem Fieber taucht das meist in der
Krankheitsbezeichnung auf. Oder wenn, dann gibt es warscheinlich nur am
-b-eginn der Erkrankung Fiebersch�be.
Heute k�nnte man z.B. an Borelliose denken, die aber nicht so grassieren
w�rde. Bei Hunden w�re die Staupe eine h�bsche Erkrankung, die oft mit einer
scheinbaren Besserung einher geht um dann doch noch zum Tode zu f�hren.
Interessant sind auch Helmuts Ausf�hrungen aus dem W�terbuch der Br�der
Grimm:
krumm: krumm wol von pl�tzlicher L�hmung, auch krummenot, fallende sucht,
auch
krampf, eintretende L�hmung, krampfhaftes sich einziehen der glieder
bezeichnet
verkrummen, fr�her auch erkrummen,
L�hmung oder fallende Sucht - da denkt man unwillk�hrlich an eine Erkrankung
des zentralen Nervensystems. Da w�re eine Meningokokken Infektion
(Bakterien) (Eitrige Gehirnhautentz�ndung) denkbar vielleicht auch eher eine
virale Gehirnhautentz�ndung. Auf alle F�lle w�rden die L�hmungen oder die
Fall-Sucht pl�tzlich auftreten und eine Genesung, je nach Abwehrlage des
K�rpers w�re nicht ausgeschlossen ebenso R�ckf�lle.
Ich pers�nlich habe an Botulismus gedacht. Allerdings l�ge der
Krankheitsverlauf bei 1-5 Tagen und es handelt sich um eine Vergiftung die
t�dlich ist. M�glicherweise k�nnte man das ganze �berleben, wenn man wenig
genug Gift aufgenommen hat. (Butulinus-Toxin - das Zeug, das Frauen sich
heutzutage unter ihre Falten spritzen lassen um sie zu gl�tten. Die Wirkung
ist eine schlaffe L�hmung.)
Bei V�geln, die Botulinustoxin aufgenommen haben spricht man auch vom
Schief- bzw. Krummhals der V�gel.
Botulismus ist eine Lebensmittel- und Futtermittelvergiftung. Beim Menschen
war fr�her die h�ufigste Intoxikationsquelle die Wurst (=botulus), daher der
Name. Das war um 1730 aber sicherlich noch nicht bekannt. Das Gift bildet
sich, wenn das Bakterium Clostridium botulinum in den Lebensmitteln zu
finden ist. Diese Clostridien �berleben auch und besonders gut unter
Bedingungen ohne Sauerstoff. Wenn kein Sauerstoff vorhanden ist produzieren
diese Bakterien das sog. Botulinus Gift und geben es an ihre direkte
Umgebung ab (z.B. in die Wurst, in die Silage bei Futtermitteln usw.). Daher
sind auch Massenerkrankungen m�glich und die Unterbrechung mit Erkrankungen
in den Sommermonaten, wo Lebensmittel frisch verzehrt wurden und nicht lange
Lagerungsbedingungen ohne Sauerstoff (eingeweckt) ausgesetzt waren.
Bei der Botulismus Vergiftung gibt es auch kein Fieber.
Die Zeit von der Aufnahme des Giftes bis zum Sichtbar werden der ersten
Symptome liegt i.d.R. bei 2-24 Stunden selten bis zu 8 Tage. Sie beginnt mit
L�hmung des Augapfels und Sehst�rungen, Trockenen Mundschleimh�uten, Doppelt
Sehen und Pupillenstarre. Danach entwickelt sich eine fortschreitende
schlaffe L�hmung der Muskulatur. Im letzten Stadium wird dann auch die
Atemmuskulatur gel�hmt und der Tod tritt durch ersticken ein.
Krumm w�rde wegen der schlaffen L�hmung passen. Schlaffe L�hmung hei�t, das
die Muskeln entspannt sind und damit den K�rper nicht mehr aufrecht halten
k�nnen - z.B. Schiefer Hals, weil der Kopf nicht mehr getragen werden kann,
Einknicken im Rumpf, pl�tzliches Fallen, wegen L�hmung der Beinmuskulatur
usw.
Es w�rden auch viele erkranken, weil man aus einem Schwein eine Menge Wurst
macht und m�glicherweise w�rden nicht alle Familienmitglieder oder Knechte
und M�gde erkranken, weil nicht alle die besten Sachen �berhaupt oder in
gleicher Menge zu essen bek�men?! Einiges von den haltbar gemachten
Lebensmitteln w�rden vermutlich auch als Bezahlung in Naturalien weiter
gegeben werden. Eventuell w�rden auch bestimmte Nahrungsmittel in einer
gr��eren Gemeinschaft hergestellt und damit w�ren auch verschiedene Familien
betroffen.
Also mein derzeitiger Tipp - Botulismus.
Herzliche Gr��e
Silke Sarnow