Kirchenbücher als Quellen für die Forschung

Ursprünglich veröffentlicht unter: Kirchenbücher als Quellen für die Forschung • Verein für Computergenealogie e.V. (CompGen)

Im Wintersemester 2019/2020 fand an der Universität Münster eine Lehrveranstaltung für Historikerinnen statt, die der Juniorprofessor Dr. Michael Hecht abhielt. An dieser Stelle1 hat er darüber berichtet. Thema der Übung waren „Kirchenbücher als Quellen: Lektüre, Interpretation, Kontext“. Im letzten Monat hat die kooperierende Firma Archion bei Youtube ein dreiteiliges Interview mit Prof. Hecht eingestellt, in dem er den Zweck der Übung darstellte und zum Schluß auch Hinweise für Familienforscher gab.


Für die Studenten stand das Lesen der alten Schriften und das Kennenlernen des Forschungspotentials der Kirchenbuchinhalte im Vordergrund. Für Familienforscher stehen die Abstammungen und Verwandtschaftsbeziehungen im Vordergrund. Kirchenbücher bieten aber vielfältigere Auswertungsmöglichkeiten, wie Prof. Hecht an Beispielen erläutert, z. B. die Aushebung von Soldaten im 18./19. Jahrhundert durch staatliche Behörden, Mißbrauch durch die Ermittlung von „nichtarischen“ Vorfahren in der NS-Zeit oder die sich dynamisch fortentwicklende Familienforschung heute. Den Studierenden wurde deutlich, dass sich zahlreiche Fragen zur Alltags-, Sozial- und Kirchengeschichte aus den Kirchenbüchern bearbeiten lassen. Zum Beispiel die Bevölkerungsentwicklung eines Dorfes, die Kindersterblichkeit zu verschiedenen Zeiten, Judentaufen in Berlin oder die Auswirkungen der Spanischen Grippe im Anschluss an den Ersten Weltkrieg waren solche Themen. Die Möglichkeiten der Auswertungen sind durch die fortschreitende Digitalisierung stark verbessert worden. So konnten die Teilnehmerinnen bequem die Spezialthemen recherchieren, die sie interessierten. Für manche war aber das Lesen der alten Schrift ein Problem und erforderte Einübung. Am Ende erhielten sie einen guten Überblick über den Quellenwert der Kirchenbücher. Sie haben mehr Beachtung in der Geschichtsforschung verdient.

Das Seminar war nur möglich durch die kostenlose Nutzung der Kirchenbuchportale Matricula-online.eu und Archion.de. Für Archion erhielten die Studierenden einen befristeten kostenlosen Zugang. 60 Interessenten hatten sich angemeldet, doppelt soviel wie erwartet, deswegen musste der Kurs in zwei Gruppen abgehalten werden.

Prof. Hecht ist seit Oktober 2020 Leiter des Instituts für Landesgeschichte Sachsen-Anhalts am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle (Saale), hält aber noch Kolloquien in Münster ab und betreut weiterhin Bacheler- und Masterarbeiten.

  1. Michael Hecht, Von prächtigen Hochzeiten, unehelichen Kindern und gewaltsamen Todesfällen: Lehrveranstaltung zu Kirchenbüchern als Quellen am Historischen Seminar in Münster 2019/20, in: beruf:geschichte. Blog zur Praxis- und Berufsorientierung für Historikerinnen und Historiker, 11.8.2020, https://beruf.hypotheses.org/?p=1127.