Immatrikulation und geschätzes Geburtsjahr

Werte Zeitreisende,

1) Kann man aus dem den Immatrikulationsdaten der fr�hneuzeitlichen
Universit�tsmatrikel (hier vor allem Wittenberg, Leipzig, Erfurt)
hinreichend sinnvoll auf das Geburtsjahr des Probanden schlie�en?

2) Findet sich hierzu etwas Konkretes bei:
Achelis, Th. O.: Universot�tsmatrikeln und ihre Benutzung, in:
Schrifttumsberichte zur Genealogie und zu ihren Nachbargebieten. Bd. II, 2.
Literaturbericht. Neustadt/Aisch 1963?

Bei Steiger/Fl�schendr�ger: Magister und Scholaren, Professoren und
Studenten. Leipzog/Jena/Berlin 1981 findet man zum Thema, bezogen auf die
Reformationszeit oder "Generalstudien unter der Herrschaft der Scholastik",
leider nur folgendes:

"Die Scholaren kamen meist in sehr jungen Lebensjahren auf die Hohen Schulen
und mu�ten sich in studentischen Wohnh�usern, den 'Bursen', einem streng
reglementierten Internatsbetrieb unterwerfen." (S. 22)

"Der Studienablauf an den Universit�ten �hnelte dem einer
Handwerksausbildung, und die Fakult�ten hatten in vieler Hinsicht den
Charakter einer Gelerhtenzunft. Der untere Grad, das Bakkalaureat, entsprach
der Gesellenpr�fung nach Abschlu� einer Lehre, der Magister- bzw. Doktorgrad
dem Meistertitel der Handwerksberufe." (S. 24)

Da ich ohnehin den Eindruck habe, da� Immatikulationen zur damaligern Zeit
deutlich fr�her als heutzutage (um 19. Lebensjahr = Lj.) m�glich waren,
m�chte ich den Beginn einer Lehr- bzw. Studienzeit auf das 14. Lebensjahr
veranschlagen, fr�hestens nach der Konfirmation, die ich f�r das 12.
Lebensjahr annehmen m�chte. Eine Immatrikulation 1529 lie�e somit ein
Geburtsjahr um 1515 vermuten.

Hat jemand schon einmal �hnliche �berlegungen angestellt? Zu welchem
Ergebnis ist man gekommen?

Ich habe im Augenblick nur das Beispiels des Refomators DML zur Hand, das
der vorstehenden �berlegung widersprechen w�rde, Martin Luther wurde im
Herbst 1483 geboren und immatrikulierte 1501 in Erfurt, also im Alter von
17 Jahren. Er hatte allerdings schon Schuljahre in Mansfeld, Magdeburg und
Eisenach hinter sich.

W�re es sinnvoll. als Richtwerte anzunehmen: 10 bis 14. Lj. Lateinschule,
um 15. Lj. Immatrikulation?

Mit freundlichen Gr��en

J�rgen Wagner

Werte Zeitreisende,

ich erg�nze:

Bei Emme, Dietrich: Martin Luther. seine Jugend- und Studentenzeit.
Regensburg 1986. S. 20 findet sich:

"Die Aufnahme des Universit�tsstudiums war von keinem bestimmten Alter
abh�ngig. Bereits 12- oder 13-j�hrige Jungen .... besuchten die Universit�t.
Andererseits lie�en sich auch an Jahren fortgeschrittene und berufst�tige
M�nner immatrikulieren (Anm: Zeeden, Ernst Walter: Deutsche Kultur in der
fr�hen Neuzeit. frankfurt 1968 = Handbuch der Kulturgeschicht, hrsg. Eugen
Turnher. S. 231). Auch eine bestimmte Vorbildung oder der Nachweis
bestandener Pr�fungen war f�r den Universit�tsbesuch nicht vorgeschrieben.
Es wurden von den Studenten 'gel�ufige' Lateinkenntnisse verlangt. ...
Bereits mit sieben Jahren, oft noch fr�her, wurden Kinder der gehobenen
Volksschicht in der lateinischen Sprache unterrichtet."

Das w�rde der Sch�tzungsgr��e "Immatrikulation um das 15. Lebensjahr"
jedenfalls nicht widersprechen.

F�r die bisherigen Diskussionsbeitr�ge dankt schon einmal

J�rgen Wagner

-----Urspr�ngliche Nachricht-----

Werte Zeitreisende,

allen, die meine Frage mit Beitr�gen beantwortet haben, sei zun�chst
herzlicher Dank gesagt.

Ich habe inzwischen 81 konkrete F�lle, f�r die hinreichend genaue Angaben zu
Geburtsjahr (1438 - 1583) und Studienbeginn (1466 - 1603) vorlagen,
statistisch ausgewertet und habe momentan folgende Kennwerten:

minimum 7 Jahre
Median 18 Jahre
maximum 33 Jahre

Wenn ich mehr Werte bekomme, werde ich vielleicht ein bi�chen weiter
auswerten, beispielsweise, ob es H�ufungen oder fakult�tsbedingte
Unterschiede gab.. Aber schon jetzt scheint sich zu best�tigen: Meine
eingangs dieser Diskussion genannten Literaturquellen m�ssen wohl
hinterfragt werden. F�r die beginnende Neuzeit kann man wohl bei allen Vorbehalten, was die Stichprobenmenge angeht, davon ausgehen,
da� sich ein Student mit etwa 18 Jahren immatrikulieren lie�.

Es m�ger n�tzen.

J�rgen Wagner

Werte Zeitreisende,

weil weniger als 100 Elemente in einer Stichprobe zu wenig aussagef�hig
sind, habe ich einmal die Liste der Rektoren der Universit�t Wittenberg auf
Geburtsjahr (vor 1500 vielfach gesch�tzt) und Immatrikulationsjahr hin
untersucht. Ich habe jetzt 150 Probanden (meist in Wittenberg
immatrikuliert) des 16, Jh. und folgende statistische Kennwerte:

h�ufigster (Modal-) Wert 18 Jahre
durchschnittliches Alter: 17,4 Jahre
Standardabweichung: 5,3 Jahre.

Somit kann man (bessere Erkenntnisse immer vorbehalten) wohl zun�chst sagen:

Bei bekannten Immatrikulationsjahr im 16. Jh. ist das Geburtsjahr 18 Jahre
fr�her zu vermuten. Dabei liegen Schwankungen um 5 Jahre fr�her oder sp�ter
noch im Rahmen des Statistisch-Normalen.

Meine Stichprobe (Wittenberger Theologen und Rektoren) ist nat�rlich
keineswegs von vornherein als repr�sentativ anzusehen. Ich w�rde deshalb
gern auch weniger auff�llige Studenten in meine Stichprobe aufnehmen. Wer
will, m�ge mir deshalb b i l a t e r a l Probanden mit bekanntem
Geburtsjahr im 16. Jh. oder fr�her (bitte nicht sp�ter) mit folgenden Daten
mitteilen:

Familienname, Vorname
gern: Fakult�t und/oder Stand
Geburtsjahr (ggf. mit Hinweis: um)
Immatrikulationsjahr bzw. Jahr des Beginns des Erststudiums (nicht an:
Lateinschule, F�rstenschule usw.) im 16. Jh. bzw. vor 1618
Universit�t

F�r freundliche Unterst�tzung danke ich schon einmal im voraus.

Mit freundlichen Gr��en

J�rgen Wagner