#Geschichtsvereine20: Anmerkungen zu einem Workshop in Dresden

Ursprünglich veröffentlicht unter: #Geschichtsvereine20: Anmerkungen zu einem Workshop in Dresden • Verein für Computergenealogie e.V. (CompGen)

Bereits am 18. September 2020 fand der Workshop „Formate – Vernetzung – Perspektiven. Geschichtsvereine in Sachsen im 21. Jahrhundert“ in Dresden statt. Der Verein für sächsische Landesgeschichte e. V. hatte in Kooperation mit dem Stadtmuseum Dresden dazu Geschichtsvereine in Sachsen und andere historisch arbeitende Akteure eingeladen. Einige Anmerkungen dazu seien hier erlaubt, dürfte doch manches auch für Mitglieder genealogischer Vereine von Interesse sein.


Vorab aber einige Informationen zum Workshop. In der Einladung wurde festgestellt, dass „das Interesse an Geschichte […] in der Bevölkerung seit vielen Jahren einen schier unaufhaltsamen Boom [erlebt]. Dennoch beklagen historische Vereine, die ihre Wurzeln zum Teil bis ins 18./19. Jahrhundert zurückführen können, immer öfter eine schwindende Nachfrage an ihren Angeboten und sinkende Mitgliederzahlen“. Gefragt wurde danach, wie Geschichtsvereine auf diese Tendenzen angemessen reagieren können. „Wie können sie sich den gegenwärtigen Wandel der Kommunikationsformen zu Nutze machen? Und mit welchen Formaten lassen sich geschichtsinteressierte Laien und insbesondere junge Menschen für eine Mitarbeit in historischen Vereinen gewinnen?“.

Nach den Grußworten der Direktorin des Stadtmuseums Dresden, Christina Ludwig, und der Ersten Vorsitzenden des Vereins für sächsische Landesgeschichte e. V., Judith Matzke, folgen zwischen 10 Uhr und 14.30 Uhr (nur) fünf Vorträge zu


  • Geschichtsvereine und die deutsche Geschichtswissenschaft – Einblicke in eine wechselhafte Beziehung mit Potential (Gunnar B. Zimmermann, Hamburg)
  • Bürger schaffen Wissen – Citizen Science und historische Vereine (Thekla Kluttig, Leipzig),
  • Saxorum – Das digitale Regionalportal zur Geschichte, Kultur und Landeskunde Sachsens (Martin Munke, Dresden),
  • Stärkung des Ehrenamts durch das Sächsische Landeskuratorium Ländlicher Raum e. V. (Claudia Vater, Kohren-Sahlis) sowie
  • Unterstützung des freiwilligen Engagements in der Heimatforschung (Klaus Reichmann, Kohren-Sahlis).

Dazwischen und danach war viel Zeit für Diskussion und Austausch, den Ausklang bildete eine Führung durch das Stadtmuseum. Auf die Vorträge soll hier nicht weiter eingegangen werden – die Drucklegung der Beiträge in den Sächsischen Heimatblättern ist in Vorbereitung.

Einige Anmerkungen: Viele auf dem Workshop vertretene Vereine drückt derselbe Schuh – die Sorge um den Nachwuchs. Dabei waren sich alle einig, dass es auch weiterhin sehr viele Menschen gibt, die sich für die Geschichte ihres Ortes, ihrer Region, ihrer alten oder neuen Heimat interessieren. Die Kunst ist es, diese Menschen zu erreichen. In seinem einführenden Vortrag nannte Gunnar B. Zimmermann als „Pfade in die Zukunft“ der Geschichtsvereine fünf Faktoren: 1. Netzwerkarbeit, 2. wissenschaftliche Agilität, 3. Nachwuchsförderung, 4. Vermittlerrolle und 5. Offenheit für (neue) Vermittlungsformate. Als praktisches Beispiel der Nachwuchsförderung stellte er das Modell des Vereins für hamburgische Geschichte e. V. vor, der einen Arbeitskreis „Junger Verein“ hat. Schüler, Auszubildende und Studierende (bis zum 28. Lebensjahr) können beitragsfrei Mitglied werden, mit diesem Modell hat der Verein bisher gute Erfahrungen gemacht. Diese Anregung wurde nach der Tagung bereits aufgegriffen: Der Förderverein des Kultur- und Heimatmuseums Egling beschloss die kostenlose Mitgliedschaft für alle bis 30 Jahre.

Ein großes Thema war die Offenheit für (neue) Vermittlungsformate. Konkret ging es natürlich um die „Digitalisierung“ der Vereinsarbeit, denn in der Diskussion wurde sehr klar, dass Vereine ohne eine gute Präsenz im Internet immer weniger sichtbar und attraktiv sind. Hier gibt es bei sehr vielen Vereinen noch sehr viel Luft nach oben. Eine ansprechende und aktuelle Website ist keine Selbstverständlichkeit, von der Nutzung sozialer Medien ganz zu schweigen. Vermutlich halten viele auf einen Ort oder eine kleine Region ausgerichtete Vereine dies für nicht so notwendig, dabei verkennen sie aber, dass sie damit auf die Ansprache vieler potentiell interessierter Menschen (jüngere und / oder weiter entfernt wohnende) verzichten. Auch auf diesem Feld gilt natürlich: Analyse der Situation, Überlegungen zu den Zielgruppen und Botschaften sowie eine zielgruppengerechte Auswahl und Nutzung der Medien sind das A und O. Was die Vernetzung zwischen den Vereinen selbst und der Vereine mit der historischen Wissenschaft betrifft, wurde Twitter als geeignetes Medium genannt. Auch hier illustrierte ein praktisches Beispiel den Nutzen: Die Kooperation zwischen dem ausrichtenden Verein und dem Stadtmuseum begann mit einem Kontakt über Twitter. Und auch in diesem Punkt wurde die Anregung aufgegriffen: Die Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e. V. startete nach der Tagung mit ihrem Twitter-Account und hat bereits über 110 Follower. Für die Tagung selbst wurde (und wird!) der Hashtag #Geschichtsvereine20 genutzt.

Follower heißt aber nicht gleich: Mitglieder. Wie sehr sich ehrenamtliches Engagement verändert, verdeutlichte der Vortrag von Frau Vater. Sie betonte, dass sich zwar viele Menschen engagieren wollen, aber eher projektbezogen, flexibel, zunächst unverbindlich. Die Mitgliedschaft in einem Verein, gar die Übernahme eines Amtes stellen Hürden dar, die viele nicht – jedenfalls nicht gleich – nehmen wollen. Wenn Vereine dieses Potential nicht brach liegen lassen wollen, müssen sie Wege entwickeln, auch solche Interessenten „mitzunehmen“. Wenn es gut läuft, wird es dann auch Freiwillige geben, die aus dem unverbindlichen Bereich in eine größere Verbindlichkeit wechseln. Wichtig ist jedenfalls eine „Willkommenskultur“, bei der Neulinge nicht verschreckt und nicht vereinnahmt, sondern in IHREM Tempo an den Verein herangeführt werden. Das ergibt sich nicht von allein, es geht um ein bewusstes Freiwilligenmanagement.

Historische und genealogische Vereine haben viele Gemeinsamkeiten und Schnittmengen. Der Workshop in Dresden, an dem auch Gäste aus Hamburg, Köln, Schwerin und Bayern teilnahmen, war ein lebendiges Beispiel für den Nutzen von Vernetzung. Es ist zu hoffen, dass davon weitere Impulse ausgehen werden, die der Vereinsarbeit auch im 21. Jahrhundert eine Perspektive geben.