(Fwd) [DSL] Russische Geschichtsluegen ueber die Verbrechen de

An die NSL

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Date sent: Sat, 21 Sep 2002 08:43:59 -0400

Hallo Freunde,
zu dem Thema nur unsere eigene Erfahrung, aufgeschrieben von
meinem Bruder Herbert Böhm (*1929 in Friedland).

Die Russen kommen
Nachdem die deutsche Nachhut die Panzersperre an der Post
(Schweidnitzer Strasse) geschlossen hatte, war es in dem Städtchen
ganz ruhig geworden. Dann schossen russische Panzer auf den Ring,
so nannten wir den Hauptplatz. Gauglitz Dora, eine Schulgefährtin und
Günters Kindermädchen, ihre Mutter, eine flüchtende Bauernfamilie mit
ihren Zugpferden waren von Granatsplittern tötlich getroffen worden. Die
Bewohner der Stadt, die nicht geflohen waren gingen auf den Kirchberg.
Dort waren auch die Pfarrer beider Konfessionen. Laut betend gingen sie
auf dem Waldweg auf und ab. Allen hatten Angst. Später wurde die
Bevölkerung von den Russen mit Lautsprechern aufgefordert, sofort den
Wald zu verlassen und in die Wohnungen zu gehen, ansonsten würden
man sie als Partisanen behandeln.

Wir gingen zurück in die Liebigstrasse, in unsere Wohnung. Kurz darauf
waren die Russen da. Sie verlangten Uhren und suchten nach deutschen
Soldaten. Es musste alles sehr schnell gehen, denn es waren Kampftruppen
die schnell weiter mussten. Etwas später, aber am selben Tag kamen vier
oder fünf Russen in die Wohnung. Sie sangen Lieder und tranken. Sie
feierten ihren Sieg und benahmen sich erstaunlicherweise anständig. Einer
hatten meinen kleinen Bruder Günter auf dem Schoss. Mutter hatte Angst,
da sie alle scharf geladene Waffen hatten und nicht vorsichtig damit
umgingen. Einer wurde uns als politischer Kommissar genannt. Dieser
hatte nicht mitgetrunken und alles genau beobachtet. Vater wurde aufgefordert
die Internationale zu singen. Er sang "Völker hört die Signale". Das gefiel den
Russen, sie schrien "du nicht Nazi" und "Hitler kaputt". Ein Russe, es war ein
Kapitän (Hauptmann) blieb bei uns und legte sich auf das Sofa schlafen. Er
sprach etwas deutsch und wir hatten den Eindruck, das er kein schlechter
Mensch war.

Bei uns im Ort, Richtung Schmidtsdorf war ein kleines KZ-Lager. Die dort
inhaftierten Juden mussten in der Metallfabrik VDM arbeiten, die in einer
ehemaligen Weberei eingerichtet war. Diese Häftlinge plünderten die
Gärtner-Fleischerei sowie den Bachmann-Bäcker und warfen Vater und mir auch
einige Brote zu. In der Stadt war Chaos. Höhere Nazis wurden gesucht und wenn
gefunden, so auch ein SS-Mann Hirsch, totgeschlagen. Andere Deutsche haben
sich erhängt. Im Haus gegenüber wurde eine Frau von zwei russischen Soldaten
vergewaltigt. Ein Schulfreund von mir (Treutler Manfred), der Lehrling in der
Metallfabrik war, wo auch die KZ-Häftlinge arbeiten mussten, bekam von diesen
eine Art Schutzbrief, da er oft von seinen Butterschnitten den Juden etwas
abgegeben hatte.

Nachts hatten die Russen freie Hand. Sie gingen auf Frauenjagd. Mutter ist einmal
nachts aus dem Fenster auf das Vordach des ehemaligen Pferdestalls gesprungen
und so einer Vergewaltigung entgangen. Vater hatte dann die Tür von der
Wohnküche zum Schlafzimmer mit einem Schrank zugestellt, obenauf einige
Kartons gelegt, so dass die Küche in der er nun allein schlief, wie eine
Einzimmerwohnung aussah. Im Schlafzimmer waren Mutter, Frau Feige, ihr Sohn
Jochen, mein kleiner Bruder und ich. Später kamen noch Tante Trudel und meine
Kusine Gerda hinzu. Wir mussten äusserste Ruhe bewahren und zur Not
Günter (6J.) den Mund zuhalten. Nachts kamen die Russen und suchten Frauen.
Bei einem Trupp war auch der Kapitän dabei, der sich vorher bei uns ausgeruht
hatte. Vater meinte später, der wusste genau, das hinter dem Schrank noch ein
Zimmer war. Aber er hat nichts verraten. Es war also doch ein feiner Kerl. Wir alle
hatten in diesen Nächten Todesangst. Ich bewundere unseren Vater heute noch
über seinen Mut, den er im Umgang mit den Russen zeigte. Nach einigen Tagen
war dann in Friedland eine russische Kommandantur eingerichtet und es kehrte
eine gewisse Ordnung ein. Mutter hatten dann auch einige Zeit in der Küche der
Russen, in unsere ehemaligen Schule, gearbeitet, so dass wir etwas zum Essen
hatten.

Mehr unter "Erlebte Heimatgeschichte"
http://www.boehm-chronik.com/geschichte.htm

Herzliche Grüsse aus Upstate New York,
Guenter (*1939 in Friedland)