Hallo Listies,
Durch meine Familienforschung und die Bearbeitung des OFB Baltimore ist mir einiges aufgefallen, das ich an die, die Ausgewanderte Familienmitglieder in USA suchen, gerne weitergebe.
Fast jeder, der sich mit Familienforschung befasst, wird kurz oder lang auf Mitglieder der Familie stoßen, die ausgewandert sind, und um die aufzuspüren, oft auf große Schwierigkeiten stößt. Ich spreche hier vorwiegend vom Hafen Baltimore, dem nach New York zweitgrößten Einwandererhafen, über den Millionen Europäer eingewandert sind und von Bremen bzw. Bremerhaven aus angesteuert wurde.
Bekannt dürften jedem Suchenden die Passagierlisten sein, aber auch, daß diese in Bremen aus den Jahren 1875 und 1907 wegen Platzmangel in Bremen vernichtet wurden. Daher stehen für diesen Zeitraum nur die Ankunftslisten in Baltimore zur Verfügung, die die Kapitäne der Einwanderungsbehörde zu übergeben hatte. Diese liegen im National Archive in USA und werden bei Ancestry und FamilySearch online bereitgestellt. Auswertungen von vorhandenen deutschen Passagierlisten sind in der "Deutschen Auswanderer-Datenbank" im Historischen Museum in Bremen, aber auch durch "Die Maus" in Bremen veröffentlicht.
Was hier jedoch in allen Fällen unberücksichtigt ist, sind Passgierlisten in umgekehrter Richtung, nämlich von New York oder Baltimore nach Europa. Wer hier sucht, ist oft verlassen.
Daher hier der Tipp, der so gut wie unbekannt ist. In Baltimore erschien in den Jahren 1858 bis 1918 eine deutschsprachige Zeitung - "Der Deutsche Correspondent", gegründet und betrieben von deutschen Einwanderern in Baltimore. Und diese Zeitung brachte neben örtlichen Meldungen auch Meldungen "Aus der alten Heimat" und "Von See und Hafen". Neben den vielen Meldungen aus deutschen Ländern - die wohl aus Zeitungen aus Deutschland stammen dürften - ist hier das Geschehen im Hafen von Interesse. Denn hier wurden die Passagierlisten der Schiffe abgedruckt, je nach Zeiträumen aber unterschiedlich, dafür aber von ankommenden und abgehenden Schiffen.
In den ersten Jahren der Zeitung sind die Schiffsbewegungen nur als solche aufgeführt, also Datum und Herkunfts- bzw. Zielhafen. In den 1860er Jahren ist die Bennenung der Fracht vorrangig. Ab Anfang der 1870 Jahre werden neben der Fracht nun auch Passagierlisten komplett abgedruckt, wobei unterschieden wird nach Kajüt- und Zwischendecks-Passagieren. Auch wird die "eigentliche" Herkunft erwähnt.
Das bedarf einer Erläuterung. Während bei FamilySearch und Ancestry jeder Passagier ausnahmslos als "Immigrant" bezeichnet wird, und der auswertende Leser seine gesuchte Person des öfteren in den Listen in verschiedenen Jahren findet, und sich wundert, welches Jahr denn nun das richtige Auswanderungsjahr ist, oder es sich um 2 verschiedene Personen mit zufälligen gleichen Geburtsjahr handelt, kann dies nur durch den "Geburtsort - Destination" erkannt werden, wenn es überhaupt angegeben ist. Steht hier nämlich "America", dann ist es ein bereits in USA Lebender, der von einer Besuchsreise in Europa zurückkomt. Seine Einwanderung liegt demnach früher.
Im "Deutschen Correspondenten" hingegen Passagierlisten diese Listen in zweigeteilter Form dargestellt: im ersten Teil werden die "Rückkehrer" benannt - oft mit Angabe, wo sie in Deutschland zu Besuch waren und wo sie in USA wohnen, im zweiten Teil die "Einwanderer". Auch auf See Geborene oder Verstorbene sind manchmal benannt.
Aber auch Passagierlisten von Schiffen, die nach Deutschland fahren - von Baltimore, aber auch teilweise von New York - sind hier abgedruckt, oft mit vielen familiären Angaben - Verabschiedung durch in Baltimore verbleibenden Familien- oder Vereins-Mitgliedern - sowie das eigentliche Ziel in Deutschland, Oestreich oder Schweiz und der Grund der Reise. Diese Liste umfassen oft mehrere Spalten in der Zeitung.
Mit der Zeit wurden die Dampfer aber immer größer und brachten oft zwischen 700 und über 3000 Passagiere nach Baltimore. Das ist auch in der Zeitung zu sehen. Ab etwa Mitte der 1880 Jahren, werden diese Passagierlisten gekürzt und nur noch die Kajüt-Passagiere genannt - oft auch schon über 100 Personen. Die Zwischendecks-Passagiere werden nur noch als Zahl genannt. Die Fracht-Benennung entfällt.
Auch bei den Passagierlisten der abgehenden Schiffe wird dies so dargestellt. Hier werden aber manchmal auch Personen genannt, die in USA als "displaced", also unerwünschte Personen sind, denen die Einwanderungsbehörde die Einreise verweigerten und sie mit dem Dampfer, der sie gebracht hatte, wieder nach Deutschland zurückschickten. Darunter oft auch "gedätschte" Mädchen, also geschwängerte, unverheiratete Mädchen, denen man Schande in Deutschland ersparen wollte und sie deshalb in die USA abgeschoben hat, die sie aber nicht haben wollen.
"Der deutsche Correspondent" ist im Internet aufrufbar und kostenlos zu durchsuchen. Meine Arbeit mit dieser Zeitung wirkt sich auch bei den Zufallsfunden der "Verdener Familienforscher" aus, denn alle Funde aus Deutschland, ebenso wie die gefundenen Passagiernamen, die ich bisher fand, sind hier eingebracht. Eine Namen-Suche lohnt sich also auch hier.
Damit möchte ich meine Ausführungen beenden, und hoffe, dass hierdurch eine Suche nach Auswanderern etwas einfacher wird.
Herzliche Grüße in die noch weihnachtlichen Tage
Rainer [Dörry]