Fotografieren für das Grabstein-Projekt

Originally published at: Fotografieren für das Grabstein-Projekt • Verein für Computergenealogie e.V. (CompGen)

Es ist erfreulich, dass auch Foto- und Fotokunst-Begeisterte außerhalb der Genealogie-Community die Bedeutung der Arbeit unserer „Grabsteiner“ zur Kenntnis nehmen. Einer von ihnen, Harald Spies, hat kürzlich eine Reportage über die Erfahrungen eines ehrenamtlichen Projektmitarbeiters verfasst. Den Beitrag „Fotografieren für das Grabstein-Projekt“, der in deutscher und englischer Sprache zuerst auf dem Blog https://photo-philosophy.net/ von Rolf Nørgard erschienen ist, veröffentlichen wir hier gerne – mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Webseitenbetreibers:

Ein Frühlingstag im Enzkreis. Nur wenige Besucher sind auf dem Dorffriedhof unterwegs. Ein groß gewachsener Mann mit Kamera bewegt sich anders als die üblichen Besucher. Er geht zügig durch die Reihen der Gräber. Regelmäßig bleibt er stehen, hebt seine Kamera und macht Aufnahmen von Grabsteinen. Klaus Martin Bardey, Amateurfotograf aus der Nähe von Pforzheim, ist im Grabstein-Projekt aktiv.

Inhaltsverzeichnis

Die kurze Ewigkeit

Die „ewige Ruhe“, zu der man hierzulande die Verstorbenen bettet, ist für die meisten von ihnen relativ kurz – gemessen an der Ewigkeit. Nach durchschnittlich 25 Jahren endet die übliche Ruhefrist auf christlichen Friedhöfen. Die Grabsteine der Reihengräber werden abgeräumt und die Grabstellen neu vergeben. Für so genannte Wahlgräber gelten andere Regelungen. Bei ihnen kann die Liegezeit gegen Gebühr verlängert werden. Ausnahmen bei der Liegezeit werden auch für historische Gräber öffentlicher Personen gemacht. Doch üblicherweise verschwinden die Grabsteine und mit ihnen die Namen und Daten der Verstorbenen aus der Öffentlichkeit. Zwar führen die Friedhofsverwaltungen ein Register, doch der Zugang hierzu ist durch § 62 Abs. 3 des Personenstandsgesetz eingeschränkt. Demnach gilt eine 30jährige Auskunftssperre für alle Personen, die nicht in direkter Linie mit der verstorbenen Person verwandt sind. Das stellt vor allen die Familien- und Ahnenforschung vor größere Schwierigkeiten.

Das Grabstein-Projekt

Vor diesem Hintergrund entstand im Jahr 2007 das Grabstein-Projekt. Initiator und Träger des Projekts ist der Verein für Computergenealogie e.V. (CompGen). Ziel ist es, die Familiendaten der Verstorbenen durch Abfotografieren der Grabsteine zu retten. Diese Fotos werden in einer Bild-Datenbank im Internet veröffentlicht und sind somit allgemein zugänglich. Das Fotografieren, die Bearbeitung der Bilder sowie Pflege und Erweiterung der Datenbank leisten Freiwillige unentgeltlich.

Als Klaus Martin Bardey begonnen hat, sich mit seiner Familiengeschichte zu beschäftigen, stieß er bei seiner Internetrecherche auf das Grabstein-Projekt. So hat er auch das Grab seines Onkels gefunden. Das hat ihn Ende 2018 schließlich bewegt, beim Grabstein-Projekt mitzumachen.

Foto-Technik

Eine besondere Fotoausrüstung braucht man dazu nicht, meint Klaus Martin: „Man kann im Grunde mit jeder digitalen Kamera fotografieren. Da ich schon seit 1978 mit Spiegelreflex fotografiere, kam für mich auch nur eine D-SLR in Frage. In meinem Fall benutze ich eine D-90, die ich mir über eBay günstig ersteigert habe. Alte Technik von 2008 wollen viele nicht mehr haben, aber die 12 MP reichen für diesen Zweck allemal aus. Die D-90 ist eine robuste Kamera, die ein ausgezeichnetes Batteriemanagement hat. Damit ist es möglich ca. 1.500 – 2.000 Fotos zu machen, bevor ich den Akku wechsle. Auch sind die RAW-Bilder mit 11 MB gut zu handhaben.“

Grabsteine zu fotografieren stellt doch keine Herausforderung dar, oder?, frage ich. „Wie man’s nimmt,“ meint Klaus Martin. „Es gibt schon ein paar Dinge zu beachten. Zuerst mal sollte nur der Grabstein auf’s Foto, wie das Grab aussieht, ist dabei völlig egal. Manchmal befinden sich noch liegende Steine vor dem stehenden Grabstein. Wenn Schnee liegt, fotografiere ich nicht, da man diese Steine dann nicht erfasst. Eigentlich müsste es ganz einfach sein, da es ein unbewegliches Objekt ist, was man da vor der Linse hat. Aber die Lichtverhältnisse spielen eine sehr große Rolle. Idealerweise ist es bewölkt, dann hat man keine Reflexionen. Manchmal sind Gräber auch verwildert bzw. zugewuchert. Da versuche ich dann von der Rückseite aus zu fotografieren, indem ich störende Äste beiseite schiebe.

Statistik

Ca. 400 Friedhöfe hat Klaus Martin inzwischen fotografiert. Stand Juli 2022 sind davon 324 Friedhöfe veröffentlicht, überwiegend in Baden-Württemberg. Aber auch in Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hat er schon fleißig dokumentiert. Es liegt noch Einiges auf seinen Festplatten, das noch bearbeitet werden will, erklärt Klaus Martin: „Im Grunde fotografieren wir Grabstein-Fotografen gegen die Zeit, da jedes Jahr zahlreiche Gräber abgeräumt werden. Diese Namen und Daten sind dann erst mal weg.“

Auch im Elsass ist der Fotograf unterwegs. Die Friedhöfe in Frankreich/Elsass findet er hochinteressant: „Dadurch, dass das Elsass mal deutsch, mal wieder französisch war, gibt es dort sehr viele deutsche Namen. Da findet man noch Grabsteine, die hier zulande schon vor 50 – 60 Jahren abgeräumt worden wären.“

Allerdings gibt es einige Unterschiede: „Es fällt einem auf, dass auf den Gräbern keine frischen Blumen stehen, nur Kunstblumen. Es gibt im Elsass noch sehr viele Friedhöfe um die im Ort gelegenen Kirchen (Kirchhöfe). Der Abstand zwischen den einzelnen Gräbern dort ist sehr eng, manchmal nur 15 cm. Außerdem haben die Franzosen ein Faible für schwarze, hochglänzende Steine. Da hat man dann beim Fotografieren Schwierigkeiten die Inschriften zu lesen. Da hilft nur mehrere Fotos aus unterschiedlichen Winkeln zu machen.“

Der Träger des Grabstein-Projekts, ist gemeinnützig und stellt auch noch andere Datenbanken zur Verfügung. Dementsprechend achtet er darauf, dass die Datenmengen nicht überhand nehmen. Klaus Martin erläutert: „Die Fotos sind daher nur 500 Pixel breit. Das muss man beim Fotografieren beachten. Der Grabstein sollte also formatfüllend fotografiert werden. Detailaufnahmen von Datumsangaben sind natürlich möglich und können hinzugefügt werden. Allerdings erhöht jedes weitere Foto den Aufwand beim Editieren.“

Reaktionen von anderen Friedhofsbesuchern

Über die Reaktionen anderer Friedhofsbesucher könne er ein Buch schreiben, sagt Klaus Martin. „Die Reaktionen reichen von ,Ah, das ist aber gut, dass jemand das macht’ bis hin zu ,Das dürfen Sie nicht wegen Datenschutz’.“
„Jaja, der Datenschutz…“ sinniert Klaus Martin. „Die meisten kennen nur das Wort. Das muss dann für alles Mögliche herhalten. Dabei ist das Fotografieren auf einem Friedhof durch die jeweilige Friedhofsordnung geregelt.“ Da wo das Fotografieren auf Friedhöfen untersagt ist, kann man versuchen, über das Rathaus eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten.

„Manche Friedhofsbesucher vermuten, dass man für Werbezwecke fotografiert, andere meinen, wenn sie den Grabstein gekauft haben, dürfen sie auch bestimmen, wer ihn fotografiert. Oder sie wollen keine Veröffentlichung – obwohl sie das mit dem Aufstellen des Grabsteines schon selber getan haben.“
Dabei gilt: „Es gibt kein Recht am Bild der eigenen Sache“. Auf öffentlich zugänglichen Orten – und das ist ein Friedhof nun mal – darf man auch Sachen fotografieren.

Anfangs hat sich Klaus Martin auf Diskussionen eingelassen, „aber die kosten nur Zeit und viele Leute sind beratungsresistent. Die lassen kein Argument gelten. Inzwischen gehe ich solchen Leuten lieber aus dem Weg, das spart Zeit und schont die Nerven.“

Möglichkeiten der Mitarbeit

Das Licht wird schwach. Klaus Martin steigt in sein Auto und macht sich auf den Heimweg. Etwa 800 Grabsteine hat er heute fotografiert. Von den fast 3,2 Millionen Fotos, die bisher auf der Internetseite des Grabstein-Projekts veröffentlicht wurden, stammen etwa 134.000 von ihm. Damit liegt er an 10. Stelle.

Trotz der fleißigen Mitarbeit von Klaus Martin und anderen verschwinden jedes Jahr Daten aus der Öffentlichkeit, weil Gräber geräumt werden, ohne dass ihre Grabsteine fotografiert wurden. Das Grabstein-Projekt heißt daher ehrenamtliche Fotografen herzlich willkommen. Wer mitmachen will, kann sich an den Projektorganisator Holger Holthausen wenden und sich die Info-Box für Interessierte auf der Projektseite ansehen.

von Harald Spies

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Hallo Frau Siebert,

als bekennender Atheist finde ich Ihre generalisierende Aussage

„Ich finde das Abräumen der Gräber sowieso skandalös, denn man stört die Toten in ihrer Ruhe. Dass Atheisten sowas egal ist, dafür habe ich noch Verständnis.“

schon sehr verwunderlich…

Knapp 30 Millionen Deutsche, also 37 Prozent der Gesamtbevölkerung, sind konfessionslos und gehören keiner Religion an, 15 % der Bevölkerung in Deutschland sind überzeugte Atheisten.

In meinen Ohren hört sich Ihre Aussage sehr abfällig an…
Aber dies nur als Randbemerkung…

Mit freundlichen Grüßen
Heiko Hungerige

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Wieso lassen Kirchen die Grabschändung zu? Was ist das denn für eine seltsam Behauptung?

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Ich nehme an, dass Frau Siebert nur eine zeitlich unbegrenzte Belegungsdauer des Grabes (wie sie im Judentum religiöse Vorschrift ist) für eine angemessene Form der Totenruhe hält. Unsere Sepulkralkultur ist freilich eine andere.

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Merkwürdig ist an dieser Behauptung, dass Grabräuber durch die Bilder zum Grabraub veranlasst werden. Grabraub und -schändung kommt vor, unabhängig vom Grabsteinprojekt. Ganz verhindern wird man das nicht können, sonst müßten die Friedhöfe abgesperrt und bewacht werden.

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Danke für die Info durch die seltsame Formulierung wäre ich nicht darauf gekommen.

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Die Argumente des Gemeindevertreters waren samt und sonders abwegig, auch das mit den Anrufen aus Amerika. Normalerweise stehen auf Grabsteinen keine Telefonnummern. :face_with_raised_eyebrow:

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Hat er auch erklärt warum dass so sein soll? Ich habe ja große Zweifel, dass Grabschänder sich vorher auf den Seiten von CompGen schlau machen, welches Grab sie sich vornehmen.

Ja klar, die bösen Amerikaner, die können keine Uhr lesen und haben überhaupt keine Ahnung von Zeitverschiebung…

Das wird vermutlich ebensowenig an der Tagesordnung sein (oder sollte ich lieber Nachtordnung sagen?) wie die Deutschen die Amerikaner mitten in der Nacht wecken, weil sie bei Find a grave das Grab eines Auswanderers gefunden haben, der zu ihrer Familie gehört.

Da fällt mir wirklich nichts mehr zu ein.

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Es sind Sachen, die er nunmal erlebt hat. Nein, auf den Gräbern stehen keine Telefonnrn. Aber es gibt tatsächlich noch Leute, die nicht wissen, was sie tun müssen, damit ihre Einträge im öffentlichen Telefonbuch gelölscht werden. Dieser Mann war entstetzlich sauer über die Fotografen. Er lebte davon, die Gräber zu gestalten. Und wenn seine Arbeit einträglich war, weil sie gut bezahlt wurde, weil die Kunden das Grab aufwendig gestalteten, dann waren diese Bilder im Internet die Ursache, dass das Grab gepöündert wurde. Er sprach aus seiner Berufspraxis heraus, nicht weil er was gegen Genealogie hatte.

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Er ist nicht der erste und einzige, der sich über die Amerikaner beschwert, die offenbar noch nie was von Zeitverschiebung gehört haben. Auch David Kriesel muss davon berichten in seinem Vortrag: Traue keinem Scan, den du nicht selbst gefälscht hast. MÖCHTE ich nicht verlinken, was das mit Genealogie nichts zu tun hat.

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Richtig. Während die Christen nur von der Ewigkeit reden, glauben die Juden offenbar daran, sonst würden sie solche Projekte nicht finanzieren, wie sie es tun.

Auch die Christen glauben an ein ewiges Leben und die Auferstehung der Toten. Jedenfalls dann, wenn sie das Glaubensbekenntnis nicht nur dahin plappern (Auferstehung der Toten und das ewige Leben). Das Christentum ist im Laufe von 2000 Jahren mit vielen Völkern in Kontakt gekommen, die alle andere Bestattungriten hatten. Die Juden sind immer noch Juden.

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