FN Schull

Hallo, unsere Großmutter Bertha, geb, Schull kommt aus Ostpommern. Dort ist der Name eine große
Seltenheit (wie auch in ganz Norddeutschland) und eine Bedeutung konnte ich nicht ermitteln. Zufällig habe ich gesehen, dass SCHULL im Elsass sehr häufig vorkommt. Hat der Name im Elsass eine Bedeutung?
Vielen Dank!
Viele Grüße
Gerd Rudolf Scholz in Ritterhude bei Bremen

Hallo zurück,

bei dieser Provenienz würde ich vom mittelniederdeutschen „SCHULLE“ als Herkunft ausgehen, welches nach dem deutschen Namenslexikon von Gondrom für Plattfisch / Scholle steht und ein Fischername war.

Im Elsass ist mir persönlich SCHULL noch nicht untergekommen, wohl aber SCHULER. Das hat aber im Alemannischen eine völlig andere Bedeutung (wohl ursprünglich Schüler eine Klosterschule).

Hoffe, das hilft weiter.

Schöne Grüße

Dr. Thierry Dietrich
61273 Wehrheim

Hallo Herr Dr. Dietrich,
vielen Dank für die überzeugende Nachricht! Als hier (nördlich Bremens) in Norddeutschland Aufgewachsener hätte ich ja auch selbst darauf kommen können.
Aber man sieht den Wald vor Bäumen nicht.
In Hinterpommern, wo die Vorfahren wohnten, ist der Name eher selten.
Bei einer weltweiten Suche (https://forebears.io/de/surnames/schull) und bei Geneanet fand ich viele Schulls im Elsass.
(Die meisten Schulls in den englischsprachigen Gebieten kommen wohl aus Irland, aber ich habe auch Pommernauswanderer in den USA gefunden.)
Schöne Grüße

Gerd Rudolf Scholz
27721 Ritterhude

Sehr geehrter Herr Dietrich,

Auf Ihre Antwort möchte ich einen kleinen Einwand einbringen.

Der ganze Osten wurde von zwei zu unterscheidenen Personen aus dem „übrigen“ deutschen Sprachraum besiedelt.

Das waren einmal überwiegend katholische Personen. Diesen wurde Land im Osten zum Urbarmachen versprochen, da diese aus kargen/armen Regionen Deutschlands kamen: heutiges Rheinland-Pfalz, heutiges Grand-Est (Elsass-Lothringen).

Und dann gab es überwiegend evangelische Vertriebene (Exulanten), die oft (aber nicht nur) aus dem Salzburgischen kamen.

Bei beiden Gruppen - egal welcher Religion - handelt es sich um Bevölkerung aus dem (linguistisch gemeinten) Hochdeutschen Sprachraum. Somit scheidet bei der Familiennamensdeutung der niederdeutsche Sprachbereich komplett aus (nicht nur der mittelniederdeutsche). Statt dessen muss die Namensbedeutung im Hochdeutschen - genauer im Oberdeutschen - gesucht werden.

Ferner sollte man den Familiennamen auf Formalia untersuchen.
Schull ist eingliedrig. Der Name hat keine formale Endung.

Familiennamen, die keine Endung haben, gehören häufig zur Gruppe derjenigen, die sich aus alten Rufnamen oder aus Übernamen (Spitznamen) gebildet haben.

Zu Ihrer Deutung mit dem (niederdeutschen) Plattfisch möchte ich ausschließlich die Frage anschließen: Welche Bedeutung soll denn „Plattfisch“ für eine Person sein? Selbst ein Fischer oder Fischhändler hat sicher nicht nur Plattfische gefischt oder verkauft. Also kann es kein Berufsname sein. Übername? Was soll „Plattfisch“ für eine Person symbolisieren? Ich kann mir keinen entsprechenden Spitznamen vorstellen.
Die andere Familiennamengruppe, die aus Rufnamen entstanden sind, kommt da sehr viel wahrscheinlicher in Betracht. Es gibt eine alte Rufnamengruppe, die als erstes Namensglied das germanische „Schuldt“ hat. In der Alltagssprache verwischt sich schon mal das „-dt“ so dass es nicht mehr ausgesprochen wird. Jetzt komme ich doch wieder mit einem norddeutschen Beispiel: im Schriftdeutschen ist es „Kinder“, in der norddeutschen Mundart „Kinner“. Ohne D.

Ferner weise ich auf das doppelte L am Wortende hin. Es deutet darauf hin, dass es sich um einen ziemlich alten Namen handelt. Entstanden in der Zeit vor der sog. Neuhochdeutschen Vokaldehnung (aus Batt wurde Baaad, aus Schulle (=Schule) wurde Schuuule), Die nhdt. Vokaldehnung setzte ca. Im 12./13 Jh in Süddeutschland ein, lediglich die Schweiz hat diese Vokaldehnung (zumindest in weiten Teilen) nicht mitgemacht: dort wird die Stadt Basel immer noch als Basssel ausgesprochen. Schon dieser Aspekt schließt den Niederdeutschen Sprachraum komplett aus, da in diesem geografischen Bereich die FamNamen sehr viel später entstanden sind als im süddeutschen Raum.

Familiennamen, die aus Herkunftsbezeichnungen oder aus Berufsbezeichnungen entstanden sind, haben im süddeutschen (oberdeutschen) Sprachraum nahezu immer eine Endung. Diese fehlt aber bei „Schull“.

Somit dürfte es sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um die Kurzform eines alten Rufnamens handeln („Schuldt“; aus althochdeutsch sculd). Kurzformen von Rufnamen sind nicht nur häufig, sondern sogar die Regel. Friedrich zu Fritsch, Lorenz zu Lenz, Markus zu März/Marx, Wolfgang zu Wolf und Millionen Beispiele mehr). Kurzform wäre somit „Schuldt“, schlampig gesprochen als „Schull“.

Noch ein weiterer HInweis, weshalb der Name in Nordeutschland so gut wie nicht vorkommt: Germanische Rufnamen, die zu Familiennamen wurden, sind (fast) ausschließlich süd- und südwestdeutschen (inklus. Grand-Est in Frankreich) Ursprungs.

Kurz: es deutet m.E. Nichts auf den niederdeutschen Sprachraum als Ursprungsregion, aber viel auf den Oberdeutschen Bereich. Somit dürfte die Vermutung des Fragestellers mit Elsass-Lothringen so falsch nicht sein.

Unabhängig von Schull, noch ein paar Sätze allgemein zu germanischen Rufnamen: diese sind immer zweigliedrig (nicht zu verwechseln mit -silbig!)
Dabei kann jedes Wortglied als Erst- oder Zweitglied fungieren. Ein paar bekannte Beispiele
Fried-rich, Rich-hart, Hart-mann, Mann-fred, womit wir wieder beim Friedrich ankommen….
Jedes Erstglied gibt wiederum die Möglichkeit, NUR das Erstglied als „Kurzform“ zu verwenden: Fritz, Ritchi, Hartl, Manni etc. Und so eben auch „Schull“, als Kurzform eines Rufnamens mit dem Erstglied Schuldt.
Ach ja, noch ein HInweis: ca. 80% des germanischens Rufnamensschatzes ist vergessen und ausgestorben. DAher nicht wundern, wenn man heute den Vornamen Schult- nicht mehr kennt.
Ein eher theoretischer Aspekt: Ursprünglich waren die Rufnamenglieder sinnvoll entsprechend ihrer Bedeutung aufeinander bezogen. Später wurden dann die Namensglieder nach Gefallen und Klang aber nicht mehr nach der Bedeutung kombiniert:
Beispiele für Sinnhaftigkeit: Wolf-gang: Der Waffengang gegen den Wolf; Ger-hart: der harte Speer. Beispiele, bei denen die Sinnhaftigkeit nicht mehr beachtet wurden: Fried-helm (der Helm für den Frieden - macht keinen Sinn). Gunt-lint (zart/weich beim Kampf).

Damit möchte ich es bewenden lassen.

Allzeit viel Forschererfolg wünscht nebst Gesundheit und einem schönen Abend

Alexander Peren