Dienstboten in adligen Häusern

In einer eMail vom 16.10.01 07:53:09 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit schreibt
Ulrich.Brause.Del@gmx.de:

auf den vielen Adelssitzen in Schlesien muss es ja auch unglaublich viel
Dienstpersonal gegeben haben.

Hallo Ulrich,
sie geben mir gleich mehrfach Anlass zur Antwort bzw. Nachfrage:

1. (s.o.) So unglaublich viel war es wohl doch nicht, denn in Preußen ging es
auch beim Adel traditionell recht sparsam zu. Die Urgroßeltern meiner Frau
gehörten als "herrschaftlicher Diener" bzw. "Kaltmamsell" alias
"Zimmermädchen" auch dazu. De facto war der "herrschaftliche Diener" Butler
und Kutscher in einer Person, Kaltmamsell und Zimmermädchen dto., je nach
Arbeitsanfall. Sie wohnten in einem ihnen vorbehaltenen Haus auf dem
Schlossgelände, neben der Remise. Der Urgroßvater war in seiner
Militärdienstzeit "Kriegsschulordonnanz" (Offiziersdiener) und hat wohl
daraus durch den Besuch einer Dienerschule seinen Beruf gemacht.

2. Falls Sie keine Beweise für die gräfliche Urheberschaft an Ihrem
Urgroßvater haben, wäre ich solchen Familiengerüchten gegenüber eher
skeptisch. Es war nicht nur bei Dienern sondern auch bei bäuerlichen bzw.
herrschaftlichen Knechten und Mägden nicht vorgesehen, dass sie heirateten,
da ja die Herrschaft / der Freibauer für die Mitgift hätte aufkommen müssen.
Deshalb gab es bei Diener/inn/en, Knechten und Mägden häufig uneheliche
Lebensgemeinschaften und auch Kinder. Sie wurden teilweise später durch
Heirat des Vaters legalisiert, eine Mitgift wurde aber trotzdem nicht
gezahlt, geschweige denn eine Sicherung der Nachkommen. Auch herrschte (trotz
aller Sparsamkeit) beim Adel ein ausgeprägtes Standesbewusstsein, das
Liebesbeziehungen mit der Dienerschaft nicht nur gesellschaftlich verbot
sondern auch gefühlsmäßig nur in seltenen Ausnahmefällen zustande kommen
ließ. Das bekannte "Recht der ersten Nacht", über das es in der Liste vor
einigen Monaten einen regen Austausch gab, ist weit älterer Provenienz und
bezog sich sicher nicht auf die Dienerschaft.

3. Zu den harten und weichen Konsonanten im Namen:
zusätzlich zum Nichtvorhandensein einer offiziellen Orthographie (die erst
nach der Gründung des zweiten Kaiserreiches allgemeinverbindlich eingeführt
wurde) gab und gibt es eine regional differierende Aussprache der
Verschlusslaute K-G, P-B-F, T-D. Zum Beispiel wurde die Butter in Schlesien
allgemein "Putt'r" ausgesprochen. Im bairischen Dialekt Süddeutschlands,
Böhmens, Österreichs und der heute norditalienischen Gebiete war die starke
Aussprache der Verschlusslaute die Regel. So hießen z.B. die Herren von
Pardubitz in Böhmen v.Pernstein [Bärenstein], meine aus dem böhmischen
Elbsandsteingebirge stammende Großmutter sprach meinen Vornamen Günther
"Kinter" aus, heißt unser mehrfaches Urlaubsdomizil im südtiroler Ahrntal
Prettau [für Breitau] und fand ich auf den Grabsteinen des heute rein
italienischen Friedhofes von Folgaria [Vielgereuth] in den Trientiner "Sette
Comuni" mehrfach den Namen Peremprunner [Bärenbrunner]. Sie sollten also auf
jeden Fall beide Schreibweisen Ihres Namens in Betracht ziehen.

4. Zuletzt noch eine Frage:
Sind Ihnen beim Durchsehen der Kirchenbücher von Markt Bohrau vielleicht die
Namen GENSRICH, STEPHAN und CZIRNIK [TSCHIRNIG] untergekommen? Der
GENSRICH-Urgroßvater meiner Frau ist in dem unmittelbar östlich benachbarten
Großburg [eigentlich Groß Borek], dessen Vater in Chursangwitz, Kr. Ohlau
geboren. Die Ur-Urgroßmutter Rosina geb. STEPHAN hat dieser vermutlich in
Großburg geheiratet, der Urgroßvater die CZIRNIK-Urgroßmutter vielleicht
ebendort oder auch in Markt Bohrau kennengelernt. Leider sind die in Frage
kommenden Mikrofilme von Großburg bei den Mormonen in Deutschland nicht
zugänglich, weil sie auch Einträge nach 1900 enthalten, und die ev. KBer von
Chursangwitz gänzlich verschollen. Der Ur-Urgroßvater war möglicherweise
herrschaftlicher Diener in Großburg. Auch sie wanderten offenbar - wie auch
Ihre Vorfahren - stetig in Richtung Breslau: Die Urgroßeltern heirateten und
wohnten in den südlich von Breslau gelegenen Dörfern Reppline und
Wasserjentsch, die Großeltern schon in Breslau.

Grüße aus Hilden,
Günther Böhm