Das "Breslauer-Adressbuch" - eine einmalige Quelle für Personen mit Verbindung nach Breslau

Originally published at: Das "Breslauer-Adressbuch" - eine einmalige Quelle für Personen mit Verbindung nach Breslau • Verein für Computergenealogie e.V. (CompGen)

Der Titel „Breslauer-Adressbuch“ mag auf ersten Blick nicht besonders erscheinen. Wenn man weiß, dass dieses „Adressbuch“ in den Jahren 1949 und 1950 veröffentlicht wurde, kann man möglicherweise schon stutzig werden. Breslau fiel doch nach dem Zweiten Weltkrieg an Polen, wieso gibt es dann fünf Jahre später noch ein umfangreiches deutsches Adressbuch? Des Rätsels Lösung findet sich im ersten Satz des Vorworts: „Nachstehend veröffentlichen wir die Jetztanschriften ehemaliger Bewohner von Breslau“. Es handelt sich also um kein typisches Adressbuch, sondern um ein Verzeichnis, wohin es die ehemaligen Bewohner Breslaus nach dem Zweiten Weltkrieg verschlagen hat. Mit der Erfassung der Daten hatten wir bei unserem 2. CompGen-Indexierungstag am 30. Januar begonnen, und nun gilt es, dieses Projekt baldmöglichst für die Nutzung fertig zu stellen.

Das Interessante an dieser Quelle ist, dass sie sowohl eine zeitliche als auch eine räumliche Verbindung herstellt: von der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zu der Zeit danach und von Breslau ins heutige Gebiet von Deutschland. Die Quelle gibt Auskunft über den Verbleib der Breslauer Bevölkerung. Ist der Wohnort nach dem Krieg nicht bekannt, hat man kaum eine Chance, die entsprechende Familie nachzuverfolgen. Höchstens Zufallsfunde in Traueranzeigen oder in abgetippten Standesamtsregistern geben vereinzelt Hinweise. Mit dieser Quelle bekommt man nun aber vermutlich den entscheidenden Hinweis. Jetzt kann man nämlich gezielt am späteren Wohnort z.B. in Standesamtsregistern recherchieren. Da oft auch die genaue spätere Anschrift genannt ist, können auch Adressbücher weitere Hinweise geben, z.B. über den Beruf.

Der zweite Satz des Vorwortes deutet aber bereits eine Schwierigkeit beim Benutzen des Verzeichnisses an: „Aus vielfachen Gründen wurden die Anschriften nach den früheren Straße und Hausnummern geordnet.“ Man muss also genau wissen, wo eine Person in Breslau gewohnt hat. Das ist aufgrund relativ häufiger Umzüge innerhalb der Stadt gar nicht so einfach, wie ich aus eigener Erfahrung beim Aufspüren von Personen aus Breslau weiß. Die bislang einzige Alternative wäre das Durchsehen des gesamten Verzeichnisses – bei 700 eng beschriebenen Seiten eine Sisyphusarbeit.

An der Stelle kommt unsere Erfassung mit dem DES ins Spiel. Ähnlich wie die Verlustlisten des Ersten Weltkriegs, die ebenfalls nicht nach Namen sortiert sind, wird die Quelle erst durch unsere Erschließung in eine Datenbank überhaupt erst sinnvoll nutzbar.

Auswertungen der bereits erfassten Daten

Auch quantitative Untersuchungen werden möglich. Ein paar Beispiele dafür möchte ich hier geben. Aus den bisher gut 5.000 erfassten Daten (bei 90% der Daten ist eine Postleitregion angegeben) habe ich eine Karte erstellt, in welche Gegenden es die Breslauer Bevölkerung verschlagen hat:

 

Interessant ist auch die Frage, aus wie vielen Personen ein Haushalt besteht. In diesem Diagramm ist dargestellt, ob eine Einzelperson, mehrere Personen oder eine ganze Familie („und Familie“) genannt werden:

Viele Breslauer fanden nach dem Zweiten Weltkrieg bei anderen Menschen Unterschlupf, im Verzeichnis mit „bei …“ genannt. In der bisherigen Stichprobe sind es 11% der Breslauer:

Jeder kann mithelfen!

Wie man Daten beitragen kann, erfährt man hier: https://wiki-de.genealogy.net/Breslau/Adressbuch_1949-50

Bitte zunächst anmelden und die Hinweise zur Erfassung durchlesen. Man muss auch keine ganze Seite am Stück bearbeiten. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das bei 200 Einträgen pro Seite ziemlich anstrengend ist. Persönlich finde ich ein Sechstel einer Seite (die Hälfte einer Spalte) eine gute Menge, die ich am Stück tippe. Die Seite bleibt aber eine Woche reserviert. Erst nach einer Woche Pause bekommt man eine neue Seite zugewiesen.

Es wäre schön, wenn sich möglichst viele an der Erfassung des Verzeichnisses beteiligen würden! Gemeinsam können wir es schaffen, diese wertvolle Quelle bald wirklich nutzbar für die Familiengeschichtsforschung zu machen.