Bevölkerung Kreis Groß Wartenberg

Hallo Thomas,

vielen Dank, dass Du an mich gedacht hast ! In der DEU-Schlesienliste bin
ich aus Zeitgr�nden nicht angemeldet. Bei der Posenliste melde ich mich
immer mal wieder f�r kurze Zeit an, da ich hoffe, irgendwann mal jemanden
anzutreffen, der zuf�llig dieselben Vorfahren sucht, wie es mir in der
fr�heren Schlesienliste schon passiert ist.
Die Ausf�hrungen �ber die Bev�lkerungsentwicklung und die Sprachen in
Oberschlesien fand ich �u�erst interessant, vor allem die genauen
statistischen Angaben. F�r den Kreis Gro� Wartenberg w�rde mich eine
�hnliche Aufstellung sehr interessieren. Wie Du auch schon gesagt hast,
lassen sich die Ergebnisse nicht ohne weiteres von Oberschlesien auf den
Kreis Gro� Wartenberg �bertragen. Ich denke, dass die Zuordnung zum
Deutschtum durch die slawischsprachigen Bewohner des Kreises Gro� Wartenberg
viel einheitlicher erfolgte. Dazu noch kurz einige �berlegungen:
1. Der durch das Industrierevier bedingte starke Bev�lkerungsanstieg in
Oberschlesien findet sich im Kreis Gro� Wartenberg nicht.
Jahr Kreis Gro� Wartenberg ehem. Kreis Beuthen (seit 1873 geteilt)
1832 32.443 E.
1850 106.389 E.
1866 51.322 E.
1871 234.895 E.
1885 344.358 E.
1910 48.457 E. 833.576 E.

2. Ein Zuzug polnischsprachiger Menschen aus Posen, Galizien und
Russisch-Polen, der zu einer Erh�hung des slawischen Bev�lkerungsanteils
f�hrte, ist im Kreis Gro� Wartenberg nicht gegeben. In Oberschlesien lie�en
sich dagegen nicht nur Deutsche, sondern auch Polen vor allem aus Posen und
Westpreu�en, in geringem Umfang auch aus dem benachbarten kongre�polnischen
und galizischen Grenzgebiet, nieder.

3. F�r die Identit�t der slawischsprachigen Bev�lkerung war die evangelische
Religion pr�gender als der polnische Dialekt oder die tschechische Sprache.
Insofern spielt es kaum eine Rolle, ob sie bereits einen Sprachenwechsel
vollzogen hatten, der ja wie auch in Oberschlesien allgemein von den
Protestanten �berall viel fr�her vollzogen wurde, oder nicht. Es gab zwar
noch 1905 im Kreis Gro� Wartenberg 20.064 Polnischsprachige, immerhin 41,8 %
der Bev�lkerung des Kreises, und 1.315 Tschechischsprachige (2,7 %). Da aber
die Identit�tsfindung der Polen nach 1870 zu einem gro�en Teil auf dem
preu�ischen Kulturkampf gegen die katholische Kirche in Posen gr�ndete, war
die Zuordnung zum Polentum eng mit dem Katholizismus verbunden. Von den
Bewohnern des Kreises Gro� Wartenberg waren 1905 60,1 % evangelisch und 39,5
% katholisch. Dabei befanden sich unter den Katholiken haupts�chlich
Deutschsprachige, besonders in den Gebieten um Gosch�tz und westlich der
Stadt Gro� Wartenberg. Anders als im katholischen Oberschlesien, wo es 1903
erstmals dem Vertreter der Polnischen Nationaldemokratischen Partei Wojciech
Korfanty in einem Wahlkreis gelang, die Mehrheit zu erringen, und in den
Reichstag einzuziehen, und wo sich 1907 unter den Reichstagsabgeordneten
schon f�nf Vertreter der Polenpartei neben sechs Vertretern der katholischen
Zentrumspartei und einem Konservativen befanden, haben die Bem�hungen, die
polnischsprachige Bev�lkerung des Kreises Gro� Wartenberg politisch zu
organisieren, keinen Erfolg gehabt. Die Kreise Gro� Wartenberg und Oels
haben seit 1871 durchgehend gemeinsam einen konservativen Abgeordneten in
den Reichstag geschickt.
Partei 1893 1898 1903 1907
Konservative 8072 6685 7176 10813
Stimmen
Freisinnige 4517 1132 656 165
Stimmen
Zentrum 1907 2056 3044 2935
Stimmen
SPD 395 536 984
565 Stimmen
Antisemiten - 2933 3669 2916
Stimmen
Andere 1166* 16 10
5 Stimmen
*davon 1158 Stimmen f�r die Reformpartei

Bis zum ersten Weltkrieg war die evangelische polnischsprachige Bev�lkerung
also in politischer Hinsicht deutsch-konservativ gepr�gt. Die Aktivit�t der
Polnischen Nationaldemokratischen Partei ist hier nicht erkennbar.

4. Ein starker Zuzug von Deutschen ist nicht so sehr im neunzehnten
Jahrhundert, wie das in Oberschlesien der Fall ist, wohl aber im achtzehnten
Jahrhundert zu sehen. Daf�r gilt dann aber hier wie dort, dass die
Zuwanderung den Effekt einer Eindeutschung der urspr�nglichen, teilweise
slawischsprachigen Bewohner hatte (allerdings eingeschr�nkt durch die
gleichzeitige Ansiedlung der Tschechen im Kreis Gro� Wartenberg).

Aufgrund dieser �berlegungen kann ich mir vorstellen, dass auch meine
Vorfahren, obwohl sie einen deutschen Dialekt (und Polnisch nach Angaben
meiner Gro�mutter nur als Fremdsprache) sprachen und obwohl sie sich strikt
(nicht feindlich, aber deutlich) von den Polen distanzierten, in
Wirklichkeit nicht von deutschen Siedlern abstammen (nachweisen kann ich sie
erst ab 1816 in Neumittelwalde, manche Namen werden aber schon fr�her
genannt).
Ganz herzlichen Dank f�r die Information, die ich besonders auch wegen der
Protestanten in Namslau und Kreuzburg sehr interessant fand, und
viele Gr��e von Peter Ebenfeld