Betrachtungen zur Familiengeschichtsforschung

Liebe Forscherfreunde,

den Jahresabschluss nehme ich immer gern zum Anlass über die geleistete
Arbeit nachzudenken. Ich freue mich über den kleinen Freundeskreis, von
dem ich immer wieder viele Anstösse zum Denken und zum Suchen bekomme.
Vielen Dank an alle. Ich hoffe nur, es beruht auf Gegenseitigkeit.

WIR ALLE haben Vorfahren aus frühesten Zeiten, sonst würden wir ja heute
nicht existieren. Das Problem ist nur, ob unsere Vorfahren mit ihren Taten oder
auch Mißtaten so herausstehend waren, so dass sie in Dokumenten Erwähnung
fanden. Und das ist die Aufgabe eines Familiengeschichtsforschers, eventuelle
Dokumente zu finden, zu sichten, diese zu analysieren und eine
Familiengeschichtsschreibung nach dem besten Wissen vorzunehmen. In der
Betrachtungsweise der Geschichte ist eine gewisse Interpretation möglich,
manchmal sogar nötig. Das ist doch letztendlich unser aller gemeinsames Ziel.

Karl IV (1316-1378), aus dem Hause der Luxemburger war König von Böhmen
und Kaiser des Römisch-Deutschen Reiches mit Sitz in Prag. Die schlesische
Riesengebirgsgegend - meine frühere Heimat - war damals im 14.Jhd. umstrittenes
Grenzland zwischen Böhmen und den schlesischen Piasten. Eine Grenze im heutigen
Sinne gab es nicht. König Karl IV setzte Ritter ein, um sich dieses Gebiet zu sichern.
Er belehnte sie mit einer Grundherrschaft, meistens mit drei Dörfern, damit sie
damit ihren Lebensunterhalt hatten. Die Ritter mussten dafür das Gebiet für den
König in Anspruch nehmen und den Bauern Schutz geben, damit diese wiederum
ihre Arbeit verrichten konnten. Abgaben wurden früher in Zehnten, heute in
Steuern bezahlt. Geändert hat sich da nicht zuviel.

So kam wohl auch der böhmische Ritter Witigo von Rodov mit seinem Sohn
Witche (tsch. Vitecek ?) ins Grenzgebiet. In Schlesien nannte man sie "Beheim",
da sie aus Böhmen (lat. Boiohaemum) kamen. Durch die Ehepolitik Karl IV kam
1392 das Herzogtum Schweidnitz-Jauer der Piasten dann vorerst endgültig zu Böhmen.

Wenn man jetzt die Romantisierung der Ritterzeit ausser Betracht zieht und den
sozialpolitischen Veränderungen des Rittertums im Spätmittelalter mehr Bedeutung
zukommen lässt, komme ich zu dem Ergebnis, dass nicht jeder Ritter den Wandel
vom Berufskrieger zur Verwaltung einer landwirtschaftlichen Grundherrschaft
erfolgreich schaffte. So erging es wohl auch den Beheim von Schwarzwaldau.
Um 1400 verkauften sie ihre Grundherrschaft mit den Dörfern Weißstein, Hermsdorf,
Altwasser und Dittersbach an den Waldenburger Grundherr Ulrich Schoff.
"Unser" Heincze BEHEM anno 1409 ist höchstwahrscheinlich ein Abkömmling
der Beheim, denn er erhielt im Afterlehen - also lehnsfähig - vom Waldenburger
Grundherrn das herzogliche Lehnsgut in Weißstein und wurde Bauer. Zu beachten
wäre noch, das eine Festschreibung der Namen zu dieser Zeit noch nicht existierte.

Wer in der Zeit bevor es Kirchenbücher gab, forscht, wird meine emsige Suche nach
historischen Dokumenten und Herrschaftsprotokollen verstehen. Vielleicht finde ich
noch Informationen über den Verbleib des Zweiges der Beheim von Swarczewalde
nach 1400. Ich konnte kürzlich herausfinden, dass Hannus BEHEM, älterer Bruder (?)
des Heincze BEHEM, an der Schlacht von Tannenberg 1410 in Ostpreussen teilnahm.
Es sieht ganz danach aus, dass es sich hier um frühe Familiengeschichte handelt.

Als selbsternannter Familienhistoriker der Kohlenbauernsippe BÖHM vom
Waldenburger Bergland, finde ich, dass zur Familiengeschichtsforschung Ortsgeschichte
und Regionalgeschichte einfach mit dazugehören. Der eine Forscher konzentriert sich
mehr auf Orts- und Regionalgeschichte, wogegen der andere der Familiengeschichte -
soweit möglich - die Priorität einräumt. Eine ernsthafte Familienforschung betreiben
doch alle, die auf eine langjährige Forschung zurückblicken können. Es ist doch schön,
dass es diese Listen gibt.

Ich wünsche allen eine besinnliche Weihnachtszeit.

Herzliche Grüsse aus Upstate New York,
Guenter Boehm (*1939 Friedland, Kreis Waldenburg in Schlesien)