Bestattugsbrauchtum

Liebe Listenteilnehmer,

mehrfach fand ich in Akten zu Bestattungen im 17. U. 18. Jh. Hinweise auf
ein „Baldok“ (Bolldocke, Bolltuch).

Sicher ist, dass dieses wohl grundsätzlich bei allen Verstorbenen gebraucht
wurde, egal welcher Gesellschaftsschicht diese angehörten. Es handelt sich
dabei um ein schwarzes Leichentuch. In einem Falle wurden dessen Masse mit
18 Ellen und dessen Preis mit 2 Talern angegeben. Wenn ein „Bolltuch“ nicht
vorhanden war, so wurde es (gegen Gebühr) geliehen. In dem mir bekannten
Fall für 6 Wochen. Es wurde über eine „Tomba“ (Sarg?) gelegt.

In der Kirche bekam der Küster Geld dafür, dass er nach der Trauerfeier, 6
Wochen lang „Torsten“ (Fackeln) anzündete und nach dem Gottesdienst wieder
löschte.

Die Fragen:

Wer weiß hierzu mehr? Warum wurde das Bolltuch über 6 Wochen geliehen, also
auch wohl gebraucht? Was war ein „Lügensarg“?

Ich freue mich wenn hierzu jemand mehr sagen könnte.

Im Voraus besten Dank und schöne Grüße aus Münster

Eduard (Niermann)

Hallo Herr Niermann,
sogenannte Totenlaken hat es z.B. auch in Emden gegeben. Sie wurden während
der Beerdigung über den Sarg gelegt und nach der Beerdigung (zumindest in
Ostfriesland) für etwa 6 Wochen über ein sogenanntes Totenheck. Danach wurde
das gegen Gebühr entliehene Laken wieder zurückgegeben. Um welche Konfession
handelt es sich bei den von Ihnen erforschten Kirchenbüchern?
Beste Grüße
Klaas-Dieter Voß

Hallo Eduard,

zu dem Thema "Beerdigungen und Friedhöfe im 19. Jhdt. in Münster" gibt es
eine Veröffentlichung von Friederike Schepper-Lambers aus dem Jahre 1992.
Im dem Kapitel "Herstellung und Benutzung eines Sarges" findet sich auf S.
82 folgender Hinweis:

"Da es unter dem Einfluß der preußischen Gesundheitspolizei im 19.
Jahrhundert in Münster und dem Münsterland verboten worden war, eine Leiche
vor der Beisetzung in die Kirche zu tragen, kam die "Tumba", eine
Sargimitation auf. Statt des Sarges wurde ein Holzgestell in den Altarraum
gestellt, das mit einem Totenlaken verziert wurde."

Im Wörterbuch für Sepulkralkultur finden sich zu dem Stichwort
Lügensarg/Tumba folgende Bemerkungen:

"Lügensarg
Bezeichnung für einen Scheinsarg ----> Tumba

Tumba
Ein meist aus Holz gefertigter Scheinsarg, der währen der Totenmesse den
realen Sarg mit dem Leichnam vertreten konnte oder bei der individuellen
Seelenmesse bzw. bei dem kollektiven Totengedenktagen aufgestellt wurde. Die
Tumben gehörten den Bruderschaften oder den Kirchengemeinden und waren mit
den entsprechenden Bruderschaftszeichen und Vergänglichkeitssymbolen bemalt.
Eine Tumba konnte auch ein Gerüst sein, über das ein Bahrtuch gelegt wurde.
Manche Tumben sind ihrerseits so bemalt, als hinge ein Bahrtuch darüber."

Möglicherweise ergibt sich hieraus auch ein Ansatz für Erklärung des von Dir
erwähnten "Leichentuches".

Mit freundlichen Grüßen aus Detmold

Hans-Dieter
(Hibbeln)