Archiv - Ehemalige Nazis in der SED

Hintergrund und Grundproblematik

  • Die mangelnde Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der DDR (SED-Staat) legte zentrale Wurzeln für Rechtsextremismus und Rassismus im Osten Deutschlands. Die SED nahm bewusst viele ehemalige Nationalsozialisten auf; ihr Anteil lag anfangs bei ca. 25 % der Mitglieder.
  • Die DDR propagierte Antifaschismus, beschuldigte jedoch ausschließlich den Westen, ehemalige Nazis integriert zu haben, während im eigenen Land eine kritische Auseinandersetzung verhindert und verschleiert wurde [T0 T1].

Umgang mit NS-Vergangenheit und Personelle Kontinuitäten

  • Die 1948 von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) abgebrochene Entnazifizierung ermöglichte zahlreichen NS-Akteuren den Verbleib in gesellschaftlich und politisch relevanten Positionen.
  • Ehemalige NSDAP-Mitglieder konnten unter bestimmten Voraussetzungen Mitglied in der SED werden, insbesondere, wenn sie als „nominelle“ Nazis und nicht als „aktive“ Täter galten [T2 T3].
  • Die Neugründung der National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD) 1948 diente als Sammelbecken für ehemalige Nationalsozialisten.
  • Ehemalige Wehrmachtsangehörige und NSDAP-Mitglieder bekamen gezielt führende und einflussreiche Positionen in Armee, Politik, Verwaltung, Medien und in Betrieben [T3 T7 T8].

Ideologische und Institutionelle Strategien

  • Die politische Führung der DDR betrachtete die Zusammenarbeit ehemaliger Nazis als Mittel zur Sicherung der eigenen Kontrolle und Macht sowie zur Integration der Bevölkerung [T4 T5].
  • Die Bewertung der NS-Vergangenheit wurde offiziell an das Engagement beim Aufbau des neuen Staates geknüpft, nicht an persönliche Schuld oder Verstrickung [T4 T5].
  • Die Volkskammer beschloss 1952 ein Gesetz zur vollständigen staatsbürgerlichen Gleichstellung ehemaliger NSDAP-Mitglieder und Wehrmachtsoffiziere.

Vertuschung und Funktionalisierung

  • Strafverfolgung und thematische Aufarbeitung von NS-Verbrechen wurden häufig umgedeutet oder juristisch verschleiert.
  • Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) nutzte sein Wissen um NS-Biografien gezielt, um ehemalige Nationalsozialisten als „Inoffizielle Mitarbeiter“ (IM) zu erpressen oder zu gewinnen [T2 T9 T11].
  • Prozesse und Untersuchungen gegen ehemalige Nazis dienten eher kosmetischen Zwecken und als Signalwirkung denn konsequenter Strafverfolgung; sie fanden meist nur selektiv und zur Sicherung der SED-Herrschaft statt [T5 T6].

Gesellschaftliche Auswirkungen und Langzeitfolgen

  • Auch Jahre nach dem offiziellen Ende der Entnazifizierung waren zahlreiche ehemalige Nazis in Schlüsselstellen der DDR vertreten, u.a. in der Volkskammer, im Zentralkomitee der SED, in Betrieben, Massenorganisationen und Medien [T7 T8 T10].
  • Die kontinuierliche Verleugnung und Verdrängung der NS-Vergangenheit verhinderte eine tiefgehende gesellschaftliche Aufarbeitung und förderte langfristig autoritäre und ausgrenzende Einstellungen [T12 T13].
  • Psychoanalytische und soziologische Perspektiven, etwa von Wilhelm Reich oder Max Horkheimer, wurden von der SED ignoriert, zentrale Fragen nach autoritärer Charakterstruktur und nicht aufgearbeitetem Trauma blieben unbearbeitet [T14 T15 T16].

Wissenschaft und Herrschaftssicherung

  • Die wissenschaftliche und öffentliche Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus, Antisemitismus und strukturellem Rassismus war parteipolitisch dominiert, Konzepte zu deren Überwindung fehlten [T17 T18].
  • Die propagandistische Zuordnung aller NS-Kontinuitäten in den Westen diente der Legitimierung der SED, während der tatsächliche Umgang mit ehemaligen Nazis in der DDR tabuisiert wurde.

Zusammenfassende Übersicht

Bereich Fakten/Beispiele
Anteil Ehemaliger Bis zu 25 % der SED-Mitglieder Nazi-Vergangenheit [T0 T6 T10]
Einflussbereiche Politik, Armee, Verwaltung, Medien, Betriebe
Institutionelle Einbindung NDPD, Volkskammer, ZK, NVA, MfS, FDJ
Rechtliche Gleichstellung Gesetz 1952, staatsbürgerliche Rechte für NSDAP-Mitglieder
Aufarbeitung Oberflächlich, propagandistisch, keine konsequente Forschung [T2 T5 T17]
Politische Strategie Legitimierung der eigenen Herrschaft, Integration statt Ausgrenzung [T13 T18]

Die Geschichte der DDR mit ihren zahlreichen ehemaligen Nationalsozialisten in zentralen Positionen zeigt, wie eine fehlende Auseinandersetzung mit der Vergangenheit autoritäre und rechtsextreme Strukturen langfristig begünstigen kann [T17 T18].

Sources:

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