Ursprünglich veröffentlicht unter: 690 Jahre patrilineare Abstammung von Ahnen und Verwandten des Leonardo da Vinci • Verein für Computergenealogie e.V. (CompGen)
Vor wenigen Tagen haben die beiden Kunsthistoriker Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato eine ausführliche Arbeit über die Darlegung einer patrilinearen Abstammung von früheren Ahnen und heutigen Verwandten des mittelalterlichen Universalgelehrten Leonardo da Vinci dargelegt. Dieser Artikel geht auf diese Arbeit und patrilineare Abstammung um Leonardo da Vinci näher ein und stellt ein paar interessante Fakten vor.
- Leonardo da Vinci und seine Eltern
- Die aktuelle Untersuchung der patrilinearen Abstammung von Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato
- Patrilineare Abstammung und ihre Inhalte
- Der älteste Nachweis des frühesten Vorfahren von Leonardo da Vinci
- Ausblicke mit Hilfe der DNA-Genealogie
- Verwendete und weiterführende Quellen
Leonardo da Vinci und seine Eltern
Der Name Leonardo da Vinci ist jedem Menschen ein Begriff, hinter der sich eine der berühmtesten Personen der Weltgeschichte verbirgt. Leonardo da Vinci wurde am 15. April 1452 (vermutlich im Weiler Anchiano) in Vinci (Florenz, Toskana, Italien) und verstarb im Alter von 67 Jahren am 2. Mai 1519 auf dem Schloss Clos Lucé in der Stadt Amboise (Indre-et-Loire, Centre-Val de Loire, Frankreich). Die Eltern von Leonardo waren der Notar Piero da Vinci (1427–1504) und die Magd Caterina gewesen. Sie waren zum Zeitpunkt der Geburt Leonardos jeweils 25 und 22 Jahre alt. Leonardo, der ab 1457 mit dem 4. Lebensjahr bei der Familie seines Vaters wohnte, zeigte schon früh ein ausgeprägtes Interesse für Musik, Zeichnen und Modellieren. Sein Vater förderte ihn und ermöglichte ihm die nötigen Ausbildungen und Kontakte zu anderen damaligen Gelehrten und Künstler. So wurde er schließlich zu einem begnadeten Maler, Bildhauer, Architekt, Anatom, Mechaniker, Ingenieur und Naturphilosoph, der uns noch heute in Staunen versetzt.
Seine Eltern Piero und Caterina waren allerdings nie verheiratet gewesen. Der Umstand, dass Leonardo gezeugt wurde, kann eher als Liebesaffäre oder als One-Night-Stand betrachtet werden. Sein Vater Piero selbst heiratete insgesamt 4 weitere Male. Die beiden ersten Ehen kinderlos blieben, da die jeweiligen Ehefrauen früh verstarben. Jedoch wurden die beiden anderen Ehen von Piero kinderreich.
Seine Mutter Caterina heiratete ebenfalls und brachte weitere Kinder in die Welt. Die beiden Kunsthistoriker Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato sprechen in ihrer Untersuchung immerhin von 22 Halbbrüder aus den Ehen und anderen Beziehungen von Leonardos Eltern.
Die aktuelle Untersuchung der patrilinearen Abstammung von Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato
Alessandro Vezzosi, der wie Leonardo da Vinci ebenfalls im toskanischen Hügeldorf Vinci geboren wurde, hat es sich sprichwörtlich zur Lebensaufgabe gemacht, die Lebensumstände von Leonardo da Vinci zu erforschen und sein Erbe zu erhalten. Deshalb gründete er im Jahr 1993 das Museo Ideale Leonardo da Vinci, das sich im Castello dei Conti Guidi in Vinci befindet. Agnese Sabato ist in diesem Idealmuseum die derzeitige Leiterin. Beide treten in ihren publizierten Untersuchungen um Leonardo da Vinci fast immer gemeinsam auf und kooperieren mit der Leonardo Da Vinci Heritage Association, die 2019 gegründet wurde, sowie mit dem Leonardo Da Vinci DNA Project, das 2014 entstand.
Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato veröffentlichten nun neulich am 4. Juli 2021 in der englisch sprachlichen Fachzeitschrift Human Evolution den Artikel „The New Genealogical Tree of the Da Vinci Family for Leonardo’s DNA. Ancestors and descendants in direct male line down to the present XXI generation“ eine neue Analyse des Stammbaums über der Väterlinie, die mit Leonardos Ururgroßvater Guido di Michele (bzw. dessen Vater Michele da Vinci) beginnt und bis zu einigen heutigen lebenden Nachfahren reicht. Der Artikel ist Open Access, d. h. frei lesbar und er ist unter Creative Commons – CC BY-NC-ND 4.0 lizensiert. Der Artikel umfasst 79 Seiten und kann unter https://doi.org/10.14673/HE2021121077 abgerufen werden. Dort steht er als PDF bereit.
Patrilineare Abstammung und ihre Inhalte
Die patrilineare Abstammung – also die Väterlinie –, die Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato in ihrem Artikel aufzeigen, deckt einen Zeitraum von 690 Jahren mit 21 Generationen ab. Diese patrilineare Abstammung beginnt mit Guido di Michele bzw. dessen Vater Michele da Vinci (Originalschreibweise: Micchaelis de Vincio) ab dem Jahr 1331 und endet mit der Aufzählung von 14 heutigen, lebenden Nachfahren in diesem Da-Vinci-Clan. Beide Autoren haben ingesamt 225 Individuen zusammengetragen.
Es sei hier angemerkt, dass Leonardo da Vinci nie Kinder hatte. Die Nachkommen, die in dem Artikel von Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato vorgestellt werden, beziehen sich auf die Nachkommenschaft des (Halb-)Bruders Domenico di Piero. Einige Medien und Presseportale sind in ihren Angaben da etwas ungenau und sprechen über „Nachfahren von Leonardo“, was den Eindruck erweckt, dass es sich um Nachkommen von Leonardo da Vinci handelt.
Die soziale Schicht der heutigen Nachfahren, die im Artikel aufgelistet sind, ist sehr unterschiedlich. Die Nachfahren bilden im Alter ein breites Spektrum von 1 bis 85 Jahren, d. h. es sind sowohl Kleinkinder als auch alte Menschen enthalten. Die Berufe der Nachfahren reichen von arbeitssuchend über Hufschmied, Bürogestellter, Landvermesser, Fuhrmann und Stahlarbeiter hin zum Rentner. Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato stellen in ihrem Artikel alle 44 Personen aus der patrilinearen Abstammung mit weiterführenden Angaben zu ihren Lebensdaten, zu den jeweiligen Ehefrauen und zu weiteren, möglichen Kindern der jeweiligen Beziehungen vor. Je nach Grad der Erforschung dieser Personen und der Verfügbarkeit der Quellen sind die Vorstellungen dieser Personen entsprechend länger oder kürzer.
Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato haben eine Tabelle der 44 enthaltenen Personen der patrilinearen Abstammung veröffentlicht, die nachfolgend in diesem Beitrag wiedergegeben wird. In der Namensnennung wählten die beiden Kunsthistoriker für die enthaltenen Personen die patronymische Namensform, was angesichts der patrilinearen Abstammung einen Sinn ergibt. Der wirkliche Familienname ist jedoch in der Regel Vinci. Das wird auch in der aktuellen Veröffentlichung von Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato so wiedergegeben. So lautet beispielsweise für Milko di Mario (Nummer 44 in der Tabelle) der bürgerliche Name Milko Vinci.
Die Veröffentlichung der persönlichen Angaben der lebenden Nachfahren geschah mit der Erlaubnis aller beteiligten Personen. Bei Personen, die keine Erlaubnis haben, wurden die privaten Angaben entsprechend maskiert. Gleiches gilt auch für Kinder generell. Im Umkehrschluss bedeutet es, dass die lebenden Nachfahren über ihre Abstammung relativ zu Leonardo da Vinci sich bewusst sind. Es gibt sogar in diversen Presseberichten kleine Interviews einiger Nachfahren, die sich geehrt fühlen, eine semi-berühmte Abstammung zu haben.
# | Generation | Patronymischer Name | Lebensspanne |
---|---|---|---|
1 | I. | MICHELE da Vinci | (?)–vor 1331 |
2 | II. | GUIDO di Michele | 1331–vor 1360 |
3 | III. | PIERO di Guido | 1360–1417 |
4 | IV. | ANTONIO di Piero | 1371/72–1460/62 |
5 | V. | PIERO FROSINO di Antonio | 1426–1504 |
6 | VI.A. | LEONARDO di Piero | 1452–1519 |
7 | VI.B. | DOMENICO di Piero | 1485–1563 |
8 | VII. | LORENZO di Domenico | nach 1536 (?)–1594 |
9 | VIII. | PIETRO (PIERO) di Lorenzo | 1582–1652 (?) |
10 | IX. | BARTOLOMEO di Piero | 1608–1696 |
11 | X. | MATTEO di Bartolomeo | 1641/43–1689 |
12 | XI. | DOMENICO di Matteo | 1684/87–1752 |
13 | XII. | PIER MATTEO di Domenico | 1713/14–1799 |
14 | XIII. | VALENTINO di Pier Matteo | 1750–1817 |
15 | XIV. | PAOLO MARIA di Valentino | 1778–1840 |
16 | XV. | TOMMASO di Paolo | 1820–1887 |
17 | XVI.A. | LEONARDO di Tommaso | 1843–1918 |
18 | XVII.A. | ARMANDO di Leonardo | 1875–1945 |
19 | XVIII.A. | LEONARDO di Armando | 1909–1958 |
20 | XIX.A. | PAOLO di Leonardo | 1935–lebend |
21 | XVI.B. | RAFFAELLO di Tommaso | 1846–1925 |
22 | XVII.B | DIONISIO di Raffaello | 1872–1951 |
23 | XVIII.B.1. | TITO di Dionisio | 1898–1975 |
24 | XIX.B.1. | OTELLO di Tito | 1927–2008 |
25 | XX.B.1. | GIOVANNI di Otello | 1958–lebend |
26 | XVIII.B.2. | GIUSEPPE di Dionisio | 1911–2005 |
27 | XIX.B.2.1. | BRUNO di Giuseppe | 1943–lebend |
28 | XIX.B.2.2. | MAURO di Giuseppe | 1946–lebend |
29 | XX.B.2.1.1. | ALESSANDRO di Bruno | 1975–lebend |
30 | XX.B.2.1.2. | PAOLO di Bruno | 1981–lebend |
31 | XXI.B.2.1.1.1. | XY di Alessandro | 2012–lebend |
32 | XXI.B.2.1.1.2. | XY di Alessandro | 2012–lebend |
33 | XXI.B.2.1.2.1. | XY di Paolo | 2018–lebend |
34 | XXI.B.2.1.2.2. | XY di Paolo | 2020–lebend |
35 | XVI.C. | EMILIO di Tommaso | 1849–1938 |
36 | XVII.C. | GIOVANNI di Emilio | 1883–1965 |
37 | XVIII.C. | ILIO di Giovanni | 1910–1987 |
38 | XIX.C.1.1. | XY di Ilio | 1955–lebend |
39 | XX.C.1.1.1. | XY di XY | lebend |
40 | XX.C.1.1.2. | XY di XY | lebend |
41 | XVI.D. | ANGIOLO di Tommaso | 1869–1917 |
42 | XVII.D. | OTTAVIO di Angiolo | 1905–1949 |
43 | XVIII.D. | MARIO di Ottavio | 1945–2018 |
44 | XIX.D. | MILKO di Mario | 1976–lebend |
Der älteste Nachweis des frühesten Vorfahren von Leonardo da Vinci
In der Santo Spirito (La basilica di Santa Maria del Santo Spirito), einer Renaissance-Kirche im Stadtteil Oltrarno in Florenz, lagert der älteste Nachweis als Schriftstück zum frühesten Vorfahren von Leonardo da Vinci. In diesem Schriftstück steht Folgendes geschrieben:
[…] Ego Guido olim Micchaelis de Vincio imperiali auctoritate iudex ordinarius atque notarius publicus predictis omnibus interfui et ea rogatus scripsi et fideliter publicavi.
Regesto (Tomo 50, f. 102v, S. Spirito di Firenze, Inventario 1913, 117)
Inhaltlich geht es in diesem Schriftstück um die Erklärung für eine Hypothek in Höhe von 2 Gulden und Rückzahlungszusage innerhalb von 6 Monaten zwischen zwei Personen. Diese Erklärung erfolgte in Vinci. Notar des Schriftstücks war Guido, Sohn des verstorbenen Michele aus Vinci, gewesen.
Ausblicke mit Hilfe der DNA-Genealogie
Die genealogischen Erkenntnisse von Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato sollen nun mit der DNA-Genealogie kombiniert werden. Dazu wird in den kommenden Monaten die DNA der lebenden Nachfahren untersucht und dem Leonardo Da Vinci DNA Project für weitere Untersuchungen übergeben werden. Das Leonardo Da Vinci DNA Project sammelt und analysiert alle möglichen DNA-Proben, die Leonardo da Vinci zugerechnet werden. Die DNA-Proben stammen z. B. von winzigen Überresten an Gemälden oder von der angeblichen Haarlocke Leonardos, die in seinem Grab gefunden worden sei. Inwieweit solche Proben tatsächlich Leonardo da Vinci gehörten, ist unter den Wissenschaftlern allerdings umstritten. Durch die bevorstehenden Untersuchungen der heutigen, lebenden Verwandten können aber neue Erkenntnisse und Rückschlüsse dazu gezogen werden.
Verwendete und weiterführende Quellen
- Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato: The New Genealogical Tree of the Da Vinci Family for Leonardo’s DNA. Ancestors and descendants in direct male line down to the present XXI generation (PDF-Dokument)
- Grafische Stammlinien: Generation 1–25, Zweig A (Gen. 15–19), Zweig B.1 (Gen. 15–20), Zweig B.2 (Gen. 15–21), Zweig C (Gen. 15–20), Zweig D (Gen. 15–21)
- Leonardo Da Vinci: New family tree spans 21 generations, 690 years, finds 14 living male descendants (Bioengineer.org vom 6. Juli 2021)
- Leonardo da Vinci’s family tree: Historians trace the Italian polymath’s descendants across 690 years and 21 generations – and find 14 living male relations (Mail Online vom 6. Juli 2021)
- Italian museum looks to unlock da Vinci hair mystery (Reuters vom 6. Mai 2019)
- Webseite des Museo Ideale Leonardo da Vinci
- Wikipedia-Artikel: Leonardo da Vinci, Selbstbildnis (Leonardo da Vinci), Universalgelehrter, Alessandro Vezzosi, Patrilinearität, Vinci (Toskana), Anchiano, Schloss Clos Lucé
Anmerkungen:
- Der Artikel „The New Genealogical Tree of the Da Vinci Family for Leonardo’s DNA. Ancestors and descendants in direct male line down to the present XXI generation“ von Alessandro Vezzosi und Agnese Sabato besitzt zwei Versionen. Die erste Version umfasst 90 Seiten und die zweite Version umfasst 79 Seiten. Die erste Version enthielt verschiedene Bilder. Diese wurden in der zweiten Version entfernt. Lizenzrechtliche Gründe für das Entfernen der Bilder gibt es nicht, da die Grafiken von den Autoren zum großen Teil selbst erstellt und unter der Lizenz Creative Commons – CC BY-NC-ND 4.0 veröffentlicht worden sind. Das Entfernen der Bilder dürfte eher editoriale Gründe haben.
- In den Patronymen der Vorfahren von Leonardo da Vinci taucht der Beiname „ser“ auf. Er hat die Bedeutung einer männlichen Anrede wie Sir, Monsieur, Señor oder Mister. Dieser Beiname ist nicht Bestandteil des eigentlichen Namens. Aus Gründen der Einfachheit habe ich die Angabe dieses Beinamens weggelassen.