1598 des Landes verwiesen wg. 3 unehlicher Kinder

Hallo Liste,
wie ging das damals vor sich. Die Frau, von der hier die Rede ist wurde von ihrem Mann verlassen. Danach wurde sie wegen des 3. unehelichen Kindes des Landes verwiesen. Sie wohnte in Franken, nahe Eichenbühl, wohin hätte man sie abschieben können - ohne Pass wahrscheinlich, wer hätte sie aufgenommen? Hätte sie das überhaupt überlebt mit 3 Kindern und sicher ohne Geld. Gibt es über solche Fälle irgendwelche Literatur? Die katholische Kirche hat da wohl eher nicht geholfen.
Gruß
Ulla

Hallo Ulla,

aus meinem „Erfahrungsschatz“ ein paar Gedanken dazu:

1.) Zumindest in der Frühen Neuzeit waren die meisten Leute an irgendeinem Ort „heimatberechtigt“. In der deutschsprachigen Schweiz ist das heute noch der „Bürgerort“. Dieses Rechtskonstrukt bedeutete u.a. Ansiedlungsrecht/Rückkehrrecht, aber auch die Verpflichtung des Ortes, einen mittellos gewordenen Heimatberechtigten zu unterstützen, das waren dann die sogenannten „Hausarmen“, die oft im örtlichen Armenhaus untergebracht wurden. Und von denen wollte eine Gemeinde schon immer möglichst wenige durchzufüttern haben. Die verlassene Frau mit den drei Kindern dürfte also a) völlig mittellos gewesen sein und deshalb b) entweder von außerhalb stammen (also andere Heimatberechtigung haben), oder sie hat sich am Wohnort soviel zu schulden kommen lassen (meist Diebstahl oder Hausiererei als mehrfacher Wiederholungstäter), dass sie nach einem Gerichtsverfahren förmlich rausgeschmissen wurde. Unfreiwillige Ausbürgerungen gab es z.B. seitens der DDR (Wolf Biermann) noch im späten 20. Jahrhundert.

2.) Falls es sich um eine hochoffizielle Verweisung aus dem Ort handelte, dann wurde diese in einem ritualisierten Verfahren durchgeführt. Habe sowas schon mal in einer Stadtakte in Südniedersachsen gefunden, mit ungefähr diesem Ablauf: Die zu verweisende Person wurde durch den (manchmal extra von auswärts herbestellten) Scharfrichter gefesselt und an die Ortsgrenze geführt. Dort wurde das Verweisungsurteil noch mal verlesen, die Fesseln wurden abgenommen, die verwiesene Person erhielt einen Zehrpfennig (nach meiner Erinnerung reichte das Geld über den Daumen für ein paar Tage bis zu einer Woche Nahrungsmittelbeschaffung. Und dann: Tschüss! Fürs Fesseln und wieder Losschließen erhielt der Scharfrichter Gebühren.

Keine Ahnung, wie es solchen Ausgewiesenen anschließend erging. Jedenfalls haben alle Orte auf dem Wege dafür gesorgt, dass solche Leute ständig in Bewegung blieben. Dauerhaft „in die Fußgängerzone setzen“ und betteln, und anschließend unter der nächsten Brücke „Platte machen“ war nicht. Kenne aus Ausgaben einer Armenkasse im 17. Jahrhundert z.B., dass die Kirche einer Person mit erfrorenen Füßen zwar ein Almosen gab, aber auch den Fuhrmann finanzierte, der sie dann am nächsten Tag weiter an die Gemarkungsgrenze transportierte, damit man sie langfristig wieder los war.

Wohlgemerkt: alles Südniedersachsen!

Beste Grüße
Holger

Hallo Liste,
wie ging das damals vor sich. Die Frau, von der hier die Rede ist wurde von ihrem Mann verlassen. Danach wurde sie wegen des 3. unehelichen Kindes des Landes verwiesen. Sie wohnte in Franken, nahe Eichenbühl, wohin hätte man sie abschieben können - ohne Pass wahrscheinlich, wer hätte sie aufgenommen? Hätte sie das überhaupt überlebt mit 3 Kindern und sicher ohne Geld. Gibt es über solche Fälle irgendwelche Literatur? Die katholische Kirche hat da wohl eher nicht geholfen.
Gruß
Ulla

| UllaStephan
8. Dezember |

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Hallo Liste,
wie ging das damals vor sich. Die Frau, von der hier die Rede ist wurde von ihrem Mann verlassen. Danach wurde sie wegen des 3. unehelichen Kindes des Landes verwiesen. Sie wohnte in Franken, nahe Eichenbühl, wohin hätte man sie abschieben können - ohne Pass wahrscheinlich, wer hätte sie aufgenommen? Hätte sie das überhaupt überlebt mit 3 Kindern und sicher ohne Geld. Gibt es über solche Fälle irgendwelche Literatur? Die katholische Kirche hat da wohl eher nicht geholfen.
Gruß
Ulla

Danke für deine Überlegungen Holger. Ich kann mir jetzt schon vorstellen, wie es damals für ein verlassene Frau ausgesehen haben mag. Sie hatte noch ihren Vater und auch Geschwister, man wusste, dass der Ehemann nach Heidelberg verschwunden war. Der wurde aber nicht zur Kasse gebeten. Ich nehme an, sie war vor allen Dingen der Kirche ein Dorn im Auge weil sie sich, - Zitat - „aufs Luderleben verlegte, wurde sie nach dem 3. unehelichen Kindbett des Landes verwiesen“. Auch die Väter der Kinder ließ man wohl in Ruhe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in einem kleinen Dorf niemand die Väter kannte. Grausame Sitten.
Viele Grüße
Ulla

Wo ist die gute alte Zeit? Die gab es noch nie

Hallo zusammen,

wenn ich es recht verstehe, handelt es sich um einen Fall aus dem Jahr 1598? Dann kommt das Heimatrecht noch lange nicht ins Spiel - das wurde erst im 19.Jh eingeführt.

Die Anmerkung, dass sich die Frau „aufs Luderleben verlegte“ kann ein Hinweis darauf sein, dass sie der Prostitution nachging. Das wäre in der Tat in vielen Herrschaftsgebieten ein Ausweisungsgrund gewesen. Dass man sie erst nach dem 3. unehelichen Kind auswies, deutet darauf hin, daß sie vorher schon in anderer Form „abgemahnt“ oder bestraft wurde.

Ich würde auch nicht darauf wetten, dass ihre „Kunden“ ungeschoren davonkamen. Einem verheirateten Mann, der sich beim Ehebruch erwischen ließ, drohte durchaus auch die Ausweisung (und dessen Frau hätte einen exzellenten Grund für eine Scheidung der Ehe gehabt).

Gerade in Franken ist es aber schwierig mit allgemeinen Aussagen. Zeit, weltliche Herrschaft und geistliche Herrschaft (die im evangelischen Franken der weltlichen Herrschaft unterstand) spielen eine Rolle; ebenso die durchaus unterschiedliche Handhabung z.B. von Ehesachen in den verschiedenen Verwaltungsbezirken einer Herrschaft. Im vorliegenden Fall müsste man mehr Hintergrundinformationen haben, um den Vorgang entsprechend einordnen zu können.

Viele Grüße

Heike (Meyer)

-----Original-Nachricht-----