Putins Stammbaum

Originally published at: Putins Stammbaum • Verein für Computergenealogie e.V. (CompGen)

Das diesjährige St. Petersburger Wirtschaftsforum (SPIEF) vom ­­­5. bis 8. Juni 2024 fand einige Beachtung in russischen und internationalen Medien. Gründe für das große Echo waren allerdings der in der begleitenden Ausstellung gezeigte Stammbaum von Wladimir Wladimirowitsch Putin (* 7.10.1952 in Leningrad) sowie die Auftritte der beiden Töchter des russischen Staatspräsidenten. Das Forum selbst war eher Rahmenhandlung, umso mehr wohl auch, da außer den Staatspräsidenten aus Bolivien und Simbabwe nur wenige ranghohe und prominente Vertreter befreundeter Staaten erschienen waren; berichtet wurde auch über das Erscheinen von Vertretern der Taliban.

Professionelle Firma zeigt Putins Stammbaum

Präsentiert wurde am Ausstellungsstand der Genealogie-­­­Firma „Haus der christlichen Familientraditionen“ aus Moskau ein Stammbaum, der von Alexander Putin, einem Cousin zweiten Grades von Wladimir Putin, in Auftrag gegeben worden war. Neben dieser gerahmten großen 13-Generationen-Nachfahrentafel des ältesten Putin Vorfahren aus der Region Twer in Zentralrussland wurden die Daten auch in einem Album präsentiert. Die 2014 von Putin geschiedene Ehefrau Ljudmila Schkrebnewa und die beiden Töchter des Präsidenten kamen nicht darin vor. Putin hat die Verbindung zu seinen Kindern aus dieser Ehe bisher nie bestätigt und sein Privatleben stets vor der Öffentlichkeit abgeschirmt. Nachrichten und Spekulationen über Beziehungen zu weiteren Frauen und Kindern aus diesen Liasonen wurden stets dementiert und zensiert.

Zwei Töchter Putins

Putins Töchter Maria Woronzowa (* 1985 in Leningrad) und Katerina Tichonowa (* 1986 in Dresden) besuchten die Deutsche Schule und studierten an der Staatlichen Universität in Sankt Petersburg. Die ältere ist Medizinerin (Endokrinologin) und Miteigentümerin einer Forschungsgesellschaft; die jüngere leitet das Innopraktika-Institut für Künstliche Intelligenz an der staatlichen Moskauer Universität. Beide sind (oder waren) verheiratet.

Auf dem St. Petersburger Wirtschaftsforum sprach Katerina Tichonowa per Videoschaltung bei einem Rüstungsforum über Russlands Weg zur technologischen Unabhängigkeit. Die Endokrinologin Marija Woronzowa war Diskussionsteilnehmerin in einer Veranstaltung zu Biodiversität. Auch weitere Kinder von prominenten Personen aus Putins Umfeld traten beim Wirtschaftsforum auf, so die Tochter des ehemaligen Verteidigungsministers Schoigu und der Sohn des Kreml-Stabschefs Vaino. In westlichen Medien wurde spekuliert, ob mit diesen öffentlichen Auftritten die Nachwuchsgeneration des Systems Putin aufgebaut würde.

Putins Ahnentafel auch bei Geneanet

Für die Familien- und Ahnenforschung sind die Genealogien von Herrscherfamilien stets von Interesse. So ist es in westlichen Ländern gang und gäbe, bei Prominenten die gemeinsamen Vorfahren zu Königshäusern zu erforschen. Ergebnisse dieser Suchen sind manch’ unterhaltsame Stammbäume, wie zum Beispiel der von Donald Trump zum Auswanderer Frederick aus Kallstadt in der Pfalz. Aber auch Putins Genealogie war bereits von Tim Dowling bei Geneanet veröffentlicht worden (siehe Beitragsbild).
Wer kann mit seinen Kenntnissen der kyrillischen Schrift den russischen Baum mit den Geneanet-Daten vergleichen?

Das stark gewachsene, zum Teil staatlich geförderte Interesse an genealogischen Forschungen in Russland (und, wie hier im Blog berichtet, auch in der Ukraine!), zeigt, dass hier Möglichkeiten gesehen werden, sie für die Erziehung der Menschen, insbesondere der Kinder, zum nationalistischen Patriotismus zu missbrauchen.

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würde ich für den Fall der Ukraine jetzt nicht unterschreiben. Dort sucht man seine Wurzeln und stabilisiert seine kulturelle Identität.

Was sind Deine Beweggründe? Woran machst Du das fest?

An meinem Lesen der ukrainischen Presse und dem Wirken der ukrainischen Diaspora.
Wir haben es mit der Ukraine ja auch nicht mit einem blutrünstigen faschistischen Staatsgebilde zu tun.

Dass aber faschistische Staaten viel Wert auf ethnisch homogene, blutsverwandte Völker legen, wissen wir ja nicht vom Deutschen Reich, sondern auch z.B. Spanien.

Ukrainische Tageszeitungen kann ich leider nicht im Original lesen, habe aber auch Zweifel, dass diese Zeitungen für diese Fragen gut geeignet sind. Ich schaue da gern in mein 16bändiges Meyers Konversationlexikon aus dem Jahr 1878.
Unter dem Stichwort Ukraine finde ich 17 Zeile, unter Neu- und Kleinrussland mehrere Spalten. Sewastopol wird als Gründung der russischen Zarin bezeichnet.
Der Kiewer Ruß ein Vorläufer der Ukraine? Oder Fremdherrschaft?
Eine ukrainische Genealogie über drei Generationen zurück wird schwierig.
Das ändert nichts daran, dass es HEUTE die Ukraine gibt. Geschichtlich wird’s schwierig.
Herbert (Kuba)

Der in Beitrag zitierte Blogbeitrag
https://www.compgen.de/2024/04/ukrainische-schueler-erforschen-ihre-familiengeschichte/
informiert über die Aktion des ukrainischen Politikers Igor Palytsia, ein Oligarch und Politiker, der zweifelhafte Geschäfte u.a. in Österreich versucht hat (Stichwirt Semmering-Hotel Panhans) mit Verbindungen zum Oligarchen Kolomojskyi. Es gibt antiwestliche Rhetorik und pro-Kreml-Botschaften. Wollte er mit der Kinderaktion das in Russland für 2024 ausgerufene Jahr der Familie auch in der Ukraine kopieren?
In dieser Aktion sehe ich nur wenig Unterschied zu den vergleichbaren Aktionen in Russland. Natürlich gibt es in beiden Ländern wie bei uns auch ganz „normale“ Ahnenforscher, die mit Politik nichts am Hut haben.

Es gibt sicherliche viele Gründe, privat Genealogie zu betreiben. Aber es gibt nur wenige Gründe, dies staatlicherseits zu fördern - und die meisten davon sind aus demokratischer Sicht zumindest verdächtig. Ein unverdächtiger Grund ist sicherlich, Genealogie als Hilfswissenschaft zu fördern, aber das scheint nicht der Beweggrund der Russen zu sein.

Dass die Ukraine nun mit derselben Verve Genealogie fördert kann man verneinen: Sie soll an russischen Schulen unterrichtet werden (sieh der vorherige Artikel), sie wird propaganda-mäßig auf höchster Ebene präsentiert (sieher dieser Artikel), etc. Laut den Informationen dieser beiden Artikel beschränkt sich die Förderung in der Ukraine auf das private Vorgehen eines wenn auch dubiosen Politikers. Das ist nicht dasselbe!

Interessant ist ja, dass die russischen und die ukrainischen Familienforscher mutmaßlich mit umgekehrten Vorzeichen an die Sache herangehen: Die Russen wollen beweisen, dass das ukrainische Volk und das russische Volk dasselbe sind, und die Ukrainer wollen das Gegenteil zeigen.

Der Artikel vom MKL 1888 ist sogar online bei Wikisource. Auch wenn ich nicht glaube, dass historische Quellen aus dem späten 19. Jahrhundert für etwas mehr helfen als die damalige Weltsicht und den damaligen Wissensstand zu verstehen, ist der Artikel über die Kleinrussische Sprache und Litteratur auch interessant:

Wie die Kleinrussen (Reußen, in Galizien Ruthenen genannt) einen von den Großrussen verschiedenen Volksstamm bilden (s. Russen ), so sprechen sie auch ihre besondere Sprache, die mit dem eigentlichen Russischen (Großrussischen) zwar nahe verwandt ist, aber sich doch als selbständige Mundart neben demselben behauptet (s. Russische Sprache ), und haben in derselben eine eigne Litteratur ausgebildet.

Also, ganz klar, schon 1888 hielt man die Ukrainer für ein von den Russen separates Volk.

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Ein in Zukunft möglicherweise jährlich stattfindender Schülerwettbewerb in der Größenordnung von 45 Arbeiten auf der einen Seite, gefördert durch einen politisch aktiven Großunternehmer; die genealogische Inszenierung der Herrscherfamilie andererseits - das scheinen mir sehr unterschiedliche Dinge zu sein. Gab es darüber hinaus Hinweise darauf, dass Genealogie in Russland jetzt staatlich aktiv gefördert wird? Mir ist für Russland aus der Studie von Inna Leykin eher die im privaten, politisch-therapeutischen Umfeld praktizierte Genealogie bekannt.

Wo und wann Genealogie jemals unpolitisch war, darüber könnte man trefflich streiten. Gerade die deutsche und österreichische Genealogie war weder zur Zeit von Ottokar Lorenz noch zur Zeit von Walther Lampe jemals wirklich harmlos.

Es gibt zahlreiche Zeitungsberichte aus Russland über die staatliche Förderung der Familienforschung im „Jahr der Familie 2024“, die über die privat betriebene Genealogie hinausgehen. Sie sind hier
https://discourse.genealogy.net/c/genealogie-in-den-medien/163
zu finden.

Welche konkret? Ich finde allenfalls dies hier: Nachrichten 26.05.2024 - Genealogie in den Medien - genealogy.net - und da geht es um eine einzelne Genealogietagung, auf der Putins „Jahr der Familie“ erwähnt wurde. Die Neujahrsansprache Putins hat doch gar keinen Bezug zur Genealogie, da geht es um Heldenmütter und Gebärfreudigkeit.

Da must Du suchen.

Unter

Генеалогия
Краеведение
Родовід
Родословие

In den Nachrichten erscheint nur eine Auswahl, aber auf diese bezieht sich Günter womöglich. Da aber auch weiterführende Links mit enthalten sind, wird es jetzt vielleicht etwas kompliziert.

Wenn gewünscht kann ich die Nachrichten erweitern. Vielleicht um die Rubrik „Spiegelbildlich“? Oder als Schlagwort?

Vielleicht begeben wir uns damit aber auch ins Abseits?

Also ist das mit der staatlichen Förderung der Genealogie im „Jahr der Familie“ nur ein Gerücht, richtig? Entstanden aus dem Gefühl, etwas „spiegelbildliches“ zu finden, aber nicht aus dem Lesen der Zeitungen.

Umgekehrt.

Beim Lesen der Zeitungen stellt sich oft das Gefühl von „habe ich das eben nicht schon einmal gelesen“ ein, und wenn man es überprüft, landet man sehr oft bei der Ukraine vs. Russland.

Aber: Es kommt auf den Rezipienten an. Und da ist jeder Mensch einzigartig und so verarbeitet er auch, was er empfangen hat, unterschiedlich.

Ich würde an dieser Stelle gerne aussteigen wollen, es führt ins Abseits.