Zeitungsbericht über Schweizer Einwanderung

Hallo,
anbei ein ganzseitiger Beitrag in der heutigen Rheinpfalz-Zeitung über die
Schweizer Einwanderung in die Pfalz.
Gruß,
Andrea Kindelberger

Grüezi, ich bin ein Pfälzer
Wirtschaftsflüchtlinge aus der Schweiz sorgen für den Neuanfang nach dem
Dreißigjährigen Krieg
Von unserer Redakteurin Dagmar Gilcher
In (fast) jedem Pfälzer steckt ein Schweizer. Das ist keine neue Erkenntnis,
sie ist nur ein wenig in Vergessenheit geraten, seitdem man kleinen Pfälzern
erklärte, dass ihre Vorfahren Franken - oder doch Alamannen, sicher
jedenfalls Germanen - waren, die nach den Römern das Land besiedelten.
Allenfalls wurde da noch ein Kelte in der Ahnentafel geduldet. Beiseite
blieb die Tatsache, dass es diese "Ur-Pfälzer" nach dem Ende des
Dreißigjährigen Krieges nicht mehr gab. Ganze Landstriche lagen verödet,
Dörfer blieben menschenleer, bis - ja bis die Schweizer kamen. Was übrigens
bedeutet, dass wir doch eher Alamannen als Franken sind.
Wie sie hießen und woher sie kamen ist in Kirchenbüchern, Chroniken und vor
allem in der Einwandererkartei des Pfälzischen Instituts für Geschichte und
Volkskunde verzeichnet. Und auch, warum sie kamen, ist erforscht. Dennoch
gehört das Kapitel der Schweizer Einwanderung nicht zu den allgemein
bekannten der pfälzischen Geschichte.
Warum aber kamen sie? Es mag in heutiger Zeit schwer vorstellbar sein, aber
im 17. Jahrhundert litten weite Teile der Schweiz unter großer
wirtschaftlicher Not. Zwar war das Land vom Dreißigjährigen Krieg und von
großen Seuchen verschont geblieben. Vom Krieg hatte es gar durch die
Lieferung von Lebensmitteln und anderen Gütern an die Kriegsparteien recht
ordentlich profitiert. Das heißt: Gewinner waren die Städte, die
Landbevölkerung sah sich nach dem Westfälischen Frieden mit neuen Steuern
konfrontiert. Es kam zu Bauernaufständen in den Kantonen Basel, Bern,
Solothurn und Luzern. Einer der Anführer des Bauernheers, Niklas
Leuenberger, wurde 1653 in Bern öffentlich enthauptet. Auch die Schweiz
kannte religiöse Konflikte, vor allem aber sah sie sich, insbesondere in den
armen Bergregionen wie dem Berner Oberland, mit dem Problem der
Überbevölkerung konfrontiert. Kurz: Es gab zu viele Schweizer, um sie alle
zu ernähren, und viele Gründe zum "Davonlaufen", wie es die Schweizer
Quellen nennen.
Schweizer verdingten sich als Söldner in fremden Heeren, dienten als
Tagelöhner, zogen als Handwerksburschen in die Fremde - oder reisten mit
Sack und Pack in die "Niederlande", um dort zu bleiben. Die aus Schweizer
Perspektive durchaus "nieder" liegenden Lande: Das waren das ebenfalls
entvölkerte Elsass, der rechtsrheinische Kraichgau und die linksrheinische
Pfalz. Die Lockrufe von dort sandten zwei Landesherren, deren Territorien
ganz besonders unter dem Dreißigjährigen Krieg gelitten hatten: der ins
zerstörte Heidelberg zurückgekehrte Sohn des unglücklichen Winterkönigs
Friedrich V. und Vater jener Elisabeth Charlotte, deren Ehe mit dem Bruder
des französischen Königs Ludwig XIV. erneut Krieg und Zerstörung in die
Pfalz bringen sollte - Kurfürst Karl Ludwig -, und dessen Wittelsbacher
Verwandter, König Karl XII. von Schweden, der zugleich Herzog von
Zweibrücken war. Bewusst veröffentlichten die beiden der reformierten Lehre
Calvins anhängenden Herrscher ihre "Einwanderungspatente" in den
reformierten Gebieten der Schweiz - wenngleich allen Neuankömmlingen
Glaubensfreiheit zugesichert wurde. Auch jenen, die in der Schweiz
tatsächlich aus religiösen Gründen verfolgt wurden: den Mennoniten. Sie
bildeten eine Sondergruppe innerhalb der Schweizer Einwanderer. Heute sieht
man sie als "Pioniere" der pfälzischen Landwirtschaft, ihre Höfe galten als
Musterbetriebe, sie führten neue Anbaumethoden ein, brachten neue
Feldfrüchte mit. Aber gerne gesehen waren sie nicht. Wurden zu viele von
ihnen gezählt, so mussten diese weiter ziehen. Aufnahme fanden sie
schließlich in Amerika, in Pennsylvanien, wo heute noch viele Mennoniten
leben.
Zu den wichtigen Mennonitensiedlungen in der Pfalz gehören etwa der Weierhof
bei Marnheim, der Kohlhof bei Schifferstadt, der Branchweilerhof bei
Neustadt, zahlreiche Höfe im Raum Zweibrücken wie Wahlerhof und
Ringweilerhof oder der Kühbörncheshof im Kreis Kaiserslautern. Dort durfte
sich 1717 - als auf die Einwandererwelle in der Pfalz bereits erste
Auswandererwellen gefolgt waren - der aus dem Simmental im Berner Oberland
stammende Hans Heinrich Lattschar ansiedeln.
Aus Grindelwald, ebenfalls im Berner Oberland, war bereits vor 1674 Melchior
Schildt mit seiner Familie nach Hinterweidenthal gekommen. Von dort aus zog
er nach Waldfischbach, um ein verlassenes Hofgut wieder aufzubauen. Eine
Arbeit, die durch einen französischen Feldzug zunichte gemacht wurde. 1678
finden wir Melchior Schildt wieder in seiner Schweizer Heimat - aber 1685
ist er zurück in Waldfischbach. Wie die meisten der "Holzland-Dörfer"
verdankt auch Waldfischbach seine Existenz den Schweizer Einwanderern aus
dem Berner Oberland. Nach Neustadt an der Weinstraße zog es hingegen
zahlreiche Familien aus Wädenswil bei Zürich. Selbst aus Chur und dem
kleinen Ort Filisur in Graubünden fanden Schweizer den Weg in die Pfalz -
als Steinmetze und Bauhandwerker. Und auch sie trugen so zum Wiederaufbau
des zerstörten Landes bei.
Vieles ist bekannt über die Pfalz als Auswanderungsland, noch viel zu wenig
aber über die Pfalz als das Einwanderungsland, das sie schon immer war. Es
kamen auch Allgäuer, Tiroler und - nicht erst seit 1955 - Italiener. Aber
das sind andere, nicht minder spannende Geschichten.
Quelle:
Publikation: DIE RHEINPFALZ
Regionalausgabe: Pirmasenser Rundschau
Seite: Nr.35
Spuren aus dem Emmental
Wenig bekannt: Was an Traditionen und Bräuchen erhalten blieb
Nein, Pfälzer reden immer noch pfälzisch, sie sind nicht zu
Hartkäse-Produzenten geworden, und sie jodeln nicht. Immerhin gibt es
einige, die trefflich das Alphorn blasen, zum Beispiel in Mittelbrunn (Kreis
Kaiserslautern), Brücken (Kreis Kusel) oder in der Südpfalz. Auch dorthin
kamen einst die Schweizer Neu-Pfälzer. Aber ob die musikalische Referenz an
das Alpenland als Tradition bis in die Zeit der Schweizer Einwanderung
zurück zu verfolgen ist? Anderes scheint da gesicherter, so zum Beispiel die
Schweizer Herkunft der Strauben: Kerwegebäck aus Pfannkuchenteig, das man
sowohl in der Gegend von Annweiler als auch auf der Sickinger Höhe kennt.
"Strübli" heißen sie in Bern. Und wer anders als die Schweizer sollte die
"Schweizer Wasserbirne" in die Pfalz gebracht haben? Es gibt auch die
Annahme, dass mancher Pfälzer Fasnachtsbrauch ursprünglich aus der Schweiz
stammt.
Ganz sicher bewahrt haben das Erbe ihrer Vorväter Mennonitenfamilien wie die
Stalters vom Wahlerhof bei Zweibrücken. Zum Beispiel, wenn sie kunstvoll
Ostereier verzieren.
Mit Stecknadel und Federkiel werden kunstvolle Muster oder Sprüche auf die
Eierschale aufgetragen, "Schreibmaterial" ist Bienenwachs. danach kommen die
Eier in ein kaltes Molkebad, bevor sie schließlich in heißem Zwiebelschalen-
oder Holunderbad gekocht werden. Zu Himmelfahrt gibt es auf dem Wahlerhof
auch noch "Süßkäs" - aus Eiern, Sauermilch und Buttermilch gerührt, aufs
Brot verteilt und mit Honig gegessen. 50 Eier, wie früher für die
Großfamilie, brauche es heute allerdings nicht mehr, sagt Hubert Stalter.
Und dann erinnert er sich auch noch an Rezepte für Weihnachtsgebäck, das
seine Vorfahren aus dem Schweizer Emmental mitbrachten und die Frauen der
Familie noch heute backen:
Braune Ringe
In den Schnee von drei Eiweiß rührt man ein halbes Pfund Zucker, 1
Messerspitze Zimt, 1 Esslöffel Honig, ein halbes Pfund Mehl. Den Teig
messerrückendick auswellen, mit einer Ringform ausstechen. Auf einem
gefetteten und mit Mehl bestäubten Backblech sofort dunkelgelb backen und
noch heiß mit dickem Zuckerwasser glasieren.
Basler Lebkuchen
Ein viertel Pfund gemahlene Mandeln, 2 Eier, ein halbes Pfund Zucker, 1 EL
Honig, 1 TL Zimt, 1 Messerspitze gemahlene Nelken, 1 EL Kirschwasser, 1
Messerspitze Natron, 1 Pfund Mehl zu einem festen Teig verarbeiten,
fingerdick ausrollen, Formen ausstechen, auf ein gefettetes, mit Mehl
bestäubtes Blech legen und dunkelgelb backen. Erkaltet mit weißem Zuckerguss
überziehen.
Quelle:
Publikation: DIE RHEINPFALZ
Regionalausgabe: Pirmasenser Rundschau
Seite: Nr.35
Schweizer Splitter

Die meisten Schweizer Einwanderer waren reformierten Glaubens. Sie ließen
sich in allen Teilen der Pfalz nieder. Es waren Bauern, Hirten, Viehmelker
("Schweizer"), Mägde, Knechte, aber auch Handwerker und eine nicht geringe
Zahl an Schulmeistern. Eine Vielzahl an Familiennamen lassen heute noch die
Schweizer Herkunft erkennen: Bächle, Berner, Brünesholz, Flickinger,
Hunsicker, Ißler, Jenet, Laubscher, Leiner, Scheuermann, Stalter, Sutter,
Weidler, Zinsmeister - sowie fast alle Namen, die auf -i oder -y enden:
Ludy, Stucki, Ruby, Roschy. (Roland Paul)

¦ Viele Informationen über die Schweizer in der Pfalz bietet die Arbeit von
Heinz R. Wittner aus Großfischlingen: "Schweizer (Einwanderer) in der
Vorder- und Südpfalz", "Schweizer (Einwanderer) in der Südwestpfalz",
Schriften zur Bevölkerungsgeschichte der pfälzischen Lande, Band 25 und 26,
Hrsg. Verein der Pfälzisch-Rheinischen Familienkunde, Rottstraße 17, 67061
Ludwigshafen.

Quelle:
Publikation: DIE RHEINPFALZ
Regionalausgabe: Pirmasenser Rundschau
Seite: Nr.35