ZEIT-Artikel �ber Pfarrer-Ahnenforscher

Liebe Listenteilnehmer,

ich habe einen interessanten Artikel in der aktuellen
ZEIT gefunden, �ber einen Pfarrer, der in der Nazizeit
Kirchenb�cher verkartet hat, um "nicht-arische
Elemente" ausfindig zu machen.
Wie ich finde, ein sehr lesenswerter und interessanter
Artikel, gefunden auch in der Online-Ausgabe der ZEIT
Nr. 44/2001 vom 26.10.2001.

Viele Gr�sse

Sonja Stankowski

Achtung, sehr lang:

Z E I T L � U F T E

F�r Gott, Volk, Blut und Rasse

Der Berliner Pfarrer Karl Themel und sein Beitrag zur
Judenverfolgung

Von Manfred Gailus

Im November 1934 schreibt der 44-j�hrige Berliner
Theologe Karl Themel, seit 1928 Pfarrer an der
Luisenstadtgemeinde im Zentrum der Hauptstadt, einen
Brief an den "Sachverst�ndigen f�r Rasseforschung beim
Reichsministerium des Innern". Aus freien St�cken
bietet der Geistliche der zuk�nftigen "Reichsstelle
f�r Sippenforschung" seine Mitarbeit an: "Wie ich
geh�rt habe, besteht die Absicht, das Kirchenbuchwesen
in Berlin zu einer Sippenkanzlei zusammenzufassen.
Nach R�cksprache mit dem Herrn Bevollm�chtigten der
Deutschen Evangelischen Kirche f�r das
Kirchenbuchwesen, Konsistorialrat Riehm, m�chte ich
mich ihnen hierf�r zur Verf�gung stellen."

Themel berichtet von vielfachen Qualifikationen, die
in dieser (1933 entstandenen) NS-Dienststelle im
Innenministerium beeindrucken m�ssen. Seit seiner
Jugend arbeite er auf dem Gebiet der Familienforschung
und sei mit den Quellen der Sippenforschung, den
Kirchenb�chern, gut vertraut. Nachdem er seine
Leitungsposition bei der Inneren Mission aus
kirchenpolitischen Gr�nden verloren habe, schreibt
Themel weiter, "m�chte ich gern meine Kraft dem
Nationalsozialismus irgendwie ehrenamtlich anbieten
und w�rde mit besonderer Freude auf meinem alten
Arbeitsgebiet der Sippenforschung mithelfen". Des
Weiteren verweist der Pfarrer auf seine
NSDAP-Mitgliedschaft und seine T�tigkeit als Sturmmann
bei der SA. Auch mit den "grundlegendsten
Erkenntnissen" �ber "Erblehre und Rassenkunde" sei er
vertraut.

Bis 1933 hatte der aus kleinen Verh�ltnissen stammende
Themel eine beeindruckende Karriere durchlaufen:
humanistisches Gymnasium in Potsdam, Theologiestudium
(als pr�gende Lehrer nennt er Adolf Schlatter, Julius
Kaftan und Adolf von Harnack), Berliner
Domkandidatenstift, Ordination mit 24 Jahren,
Feldgeistlicher 1914 bis 1918, seit 1923 in Berlin,
bald darauf engagierter Sozialpfarrer in der Tradition
Adolf Stoeckers, um 1930 kirchlicher Experte eines
k�mpferischen sozialen Protestantismus an vorderster
Front gegen die "Gottlosenbewegungen" der Marxisten,
Kommunisten, Freidenker. Noch vor 1933 schlie�t er
sich der Hitlerbewegung an und beteiligt sich 1932 an
der Gr�ndung der "Glaubensbewegung Deutsche Christen"
(DC), die einen v�lkischen Protestantismus in
Anlehnung an die Weltanschauung der NSDAP propagiert.

1933 ist der ehrgeizige Themel begeistert und schwingt
sich, gef�rdert durch den designierten
DC-Reichsbischof Ludwig M�ller, zur Reichsf�hrerschaft
auf: Pr�sident des Centralausschusses f�r die Innere
Mission, dazu Reichsf�hrer des Evangelischen
M�nnerwerks. In seiner Hausgemeinde Luisenstadt, einer
weithin nazifizierten Gemeinde, die er beherrscht,
singt man das Horst-Wessel-Lied und feiert am 20.
April den "F�hrergeburtstag". Themel ist christlicher
Nationalsozialist, der sein ebenso religi�ses wie
politisches Credo in zahllosen Vortr�gen, Predigten,
Artikeln verk�ndet. In einem Rundfunkvortrag vom
Februar 1934 bekennt er sich zum deutschen Menschen:
"Der Satz ,Ich glaube, da� mich Gott geschaffen hat',
bedeutet auch: ,Ich glaube, da� Gott Volk geschaffen
hat.' [...] Wie der elektrische Strom alle Lampen an
seiner Leitung aufgl�hen l��t, wie das Leben im
Fr�hjahr durch den Baum alle �ste mit Laub und Bl�te
schm�ckt, so schafft Gott Leben und Geist im Menschen
und durch Volk, Blut und Rasse." Wir Christen,
schlie�t Themel, st�nden unter der Forderung Gottes im
Dienst seines Reiches, im Abwehrkampf gegen S�nde, Tod
und Teufel. Gerade darum bek�mpften wir die M�chte,
die den Weg unseres Volkes aus Schmutz, Unreinheit und
Entartung heraus verbauen wollten. "K�mpfer Gottes"
f�nden immer Gemeinschaft mit den "K�mpfern des
Volkes".

Themels kirchenpolitischer H�henflug erwies sich als
nicht von langer Dauer. Als im Herbst 1934 der Versuch
des Reichsbischofs scheiterte, alle 28 Landeskirchen
auf den Kurs der Deutschen Christen zu bringen, kamen
viele seiner engsten Mitstreiter wie Pfarrer Themel in
Bedr�ngnis. Er verlor seine F�hrungspositionen bei der
Inneren Mission und dem Evangelischen M�nnerwerk.
Genau in dieser Situation erkannte der umtriebige,
vielseitige kirchliche Multifunktion�r eine neue
Karrierechance auf einem ganz anderen Bet�tigungsfeld
und bot der Reichsstelle f�r Sippenforschung (RfS)
seine Mitarbeit an.

Seit Beginn der NS-Rassenpolitik waren die
Kirchenb�cher pl�tzlich zu neuer Bedeutung gelangt.
Ohne Auswertung dieser Register lie� sich der seit
April 1933 geforderte "Ariernachweis" nicht erbringen,
wie auch - komplement�r hierzu - die Ausgrenzung der
Christen j�discher Herkunft, eine mehrere
Hunderttausende umfassende Personengruppe, unm�glich
blieb. Es waren die Kirchengemeinden, die Auskunft
gaben.

Schon im November 1933 begannen Mitarbeiter der RfS,
Berliner Kirchenb�cher f�r ihre Zwecke zu kopieren.
Themel erkannte die Gunst der Stunde: Als langj�hriger
Familienforscher mit dem Material gut vertraut, als
christlicher Nationalsozialist vom Sinn dieser
"Forschungen" innerlich �berzeugt, bot er in einer von
Karriereabbruch bedrohten Situation sein
Methodenwissen staatlichen Stellen an. Ohne eine
Legitimation kirchlicher Leitungsstellen abzuwarten,
begann er, in Verbindung mit gleichgesinnten
Parteigenossen in der Berliner Stadtsynode, eine
kirchliche Zentralstelle f�r Kirchenb�cher
einzurichten. Dies geschah in verdeckter Absprache mit
der RfS. Nach einem der vielen inoffiziellen Besuche
kirchlicher Mitarbeiter bei der RfS hielt dort ein
Referent fest: "Die Herren m�chten in enger F�hlung
mit der Reichsstelle vorgehen, legen auch, wie mir
Pfarrer Themel telefonisch heute mitteilt, Wert
darauf, die Bezeichnung Sippenkanzlei zu f�hren."

Es ging bei diesem kirchlichen Parallelunternehmen zu
Staats- und Parteistellen nicht nur um eine
Rationalisierung. Entscheidend war f�r Themel die
"Verkartung" der Register in gro�em Stil - also
rassistisch motivierte Sippenforschung in kirchlichem
Raum. Zu diesem Zweck verfasste der Pfarrer 1936 ein
B�chlein (Wie verkarte ich Kirchenb�cher), das mit
Geld der RfS publiziert wurde. Themel galt als
Spezialist auf diesem Gebiet. Sein Ziel war, m�glichst
l�ckenlos zu rekonstruieren, wann und wo in Berlin
"j�disches Blut" in den "deutschen Volksk�rper"
eingedrungen sei und - nach der Terminologie der Zeit
- bis zu welchem Ausma� "blutsm��iger Vermischung" und
damit "fremdrassiger Unterwanderung" dies gef�hrt
habe.

Im Februar 1936 war die kirchlich organisierte,
sippenkundliche Auswertung der Personenregister
bereits in vollem Gang. Insgesamt, rechnete Themel,
sei ein Bedarf von 2,5 Millionen Karteikarten
erforderlich. Bisher seien 80 000 RM aus kirchlichen
Mitteln bereitgestellt worden. Etwa 50 Helfer seien
besch�ftigt. Da es sich um eine Hilfsarbeit f�r den
NS-Staat handele, betonte der Pfarrer, seien nur
"politisch einwandfreie Leute" eingesetzt.
"Fremdst�mmige, Mischlinge und j�disch Versippte
kommen f�r diese Arbeit, die eine Vertrauensarbeit
ist, nicht in Frage." In einer Anweisung vom April
1936 sch�rfte er seinen Mitarbeitern ein: "F�r jede
Judentaufe sind au�er der gew�hnlichen Karteikarte 2
Doppel auszuf�llen. (Eins f�r die Reichszentrale f�r
Sippenforschung und eins f�r die Fremdst�mmigen-Kartei
f�r die Berliner Zentralstelle.) Bei Namens�nderungen
(z.B. der Jude Israel erh�lt in der Taufe den
Familiennamen Leberecht) ist der christliche bezw.
j�dische Name in dem Feld f�r Familiennamen in
Klammern hinzuzuf�gen. [...] Bei Judent�uflingen sind
auf der R�ckseite des ersten Doppels die Paten zu
vermerken. Diese Karten sind f�r die eigene
Fremdst�mmigen-Kartei bestimmt. Die 2. und 3. Karte
sind in getrennten Briefen zu verpacken. Der Brief f�r
die eigene Fremdst�mmigen-Kartei tr�gt die Aufschrift:
Fremdst�mmige-K. Der Brief f�r die Reichsstelle f�r
Sippenforschung die Aufschrift: Fremdst�mmige-R. [...]
Das gleiche gilt f�r alle Farbigen und Zigeuner.
T�rken gelten als Fremdst�mmige. Als fremdst�mmig ist
auch der zu betrachten, dessen einer Elternteil
fremdst�mmig ist."

Gegen Jahresende 1936 waren die Arbeiten so weit
gediehen, dass die Forschungsstelle unter dem
harmlosen Namen "Kirchenbuchstelle Alt-Berlin"
offiziell er�ffnet werden konnte. Der Berliner
Stadtsynodalverband lud zu einem Festakt am 12.
Dezember im Gemeindesaal der St. Georgengemeinde
(Bezirk Mitte). Tags darauf pries der V�lkische
Beobachter die neue Einrichtung: "In einer besonderen
Abteilung sind alle Judentaufen von 1800 bis 1936, die
in Berlin stattfanden, zusammengetragen. Hier werden
t�glich drei, vier F�lle einer nichtarischen
Abstammung aufgedeckt."

Die neue Dienststelle war nach dem NS-F�hrerprinzip
geordnet. Themel als Betriebsf�hrer fungierte
nebenamtlich; zum Stellvertreter hatte er den
befreundeten Sippenforscher, Parteigenossen und
SS-Mann Henry Baer berufen. Im Oktober 1937 waren in
den R�umen nahe dem Alexanderplatz 29 Angestellte
besch�ftigt, die von der Kirche nach Tarif bezahlt
wurden.

Das Aufsp�ren "nichtarischer" Vorfahren von
evangelischen Christen galt den Verantwortlichen als
das eigentliche Arbeitsziel. S�mtliche entdeckten
"F�lle" wurden sorgf�ltig registriert und der RfS und
anderen mit der NS-Rassenpolitik befassten Stellen
zugeleitet. 1936 bat der Berliner Polizeipr�sident in
einer Anfrage, "mir zwecks Zusammenstellung einer
Judenkartei f�r die Durchf�hrung des
Reichsb�rgerrechts das dort angefallene Material �ber
getaufte Juden zur Verf�gung zu stellen". Themel
erkundigte sich daraufhin bei der RfS, ob sie mit der
Weitergabe seiner Forschungsergebnisse einverstanden
w�re - ein Beleg daf�r, wen er als seinen eigentlichen
Vorgesetzten ansah. Kirchenbuchreferent Kayser (RfS)
notierte am 16. Januar 1937, dass Themel auf Weisung
des RfS-Leiters - SS-Obersturmf�hrer Kurt Mayer - dem
Wunsch des Polizeipr�sidenten entsprochen habe.

Ein Jahr sp�ter erkl�rte Themel in einem Brief an den
Archivar des Konsistoriums der Mark Brandenburg Otto
Lerche: Zwar best�nde keine offizielle Vereinbarung
mit der RfS �ber Weitergabe von rassenkundlich
relevanten Erkenntnissen, jedoch habe sich aus der
"Praxis der Arbeit" die Notwendigkeit ergeben, mit
einer Reihe von Dienststellen in ein
"Austauschverh�ltnis der Forschungsergebnisse" zu
treten. Namentlich seien die RfS, der Reichsf�hrer SS
Heinrich Himmler, der Polizeipr�sident von Berlin und
die Gauleitungen der NSDAP zu nennen. Bei aller
Subversion, die Themel und Mitarbeiter anfangs beim
Aufbau der Kirchenbuchstelle praktizierten, zeigt
dieser Briefwechsel des Jahres 1938, dass auch andere
kirchliche Stellen, insbesondere die Kirchenleitung
(Konsistorium der Mark Brandenburg), von den
speziellen rassenpolitischen Zielsetzungen des
Unternehmens und der Zuarbeit f�r NS-Stellen
unterrichtet waren.

Wie viele seiner Verhaltensweisen und Gesten belegen,
bewunderte Themel als gl�ubiger christlicher
Nationalsozialist den 13 Jahre j�ngeren,
machtbewussten und skrupellosen SS-Obersturmf�hrer
Kurt Mayer (ein Pfarrerssohn und promovierter
Historiker), der aus dem Rasse- und Siedlungshauptamt
kam und unmittelbaren Kontakt zu SS-Gr��en wie Himmler
und Heydrich hatte. Im Januar 1939 schrieb Themel
seinem heimlichen Vorgesetzten Mayer und verband
seinen Neujahrsgru� mit dem Wunsch, "uns Ihr
Wohlwollen auch im neuen Jahr zu erhalten. Ich
verspreche Ihnen, da� wir in Treue hinter Ihnen stehen
und Sie, wo nur m�glich, unterst�tzen werden." Mayer
antwortete umgehend: "Hoffentlich bringt uns das Jahr
1939 das Sippenamtsgesetz und damit die Gelegenheit,
noch st�rker wie bisher an der uns lieb gewordenen
Sache zusammen zu arbeiten."

Im Dezember 1941 - in Berlin hatten wenige Wochen
zuvor die Deportationen der j�dischen B�rger begonnen
- feierte die Kirchenbuchstelle ihr f�nfj�hriges
Bestehen. Aus diesem Anlass legte Themel eine
Leistungsbilanz vor. F�r 164 830 Antr�ge waren 332 595
"Feststellungen" erforderlich gewesen. 255 469
Urkunden f�r den Ariernachweis seien ausgestellt
worden. 4587 Antr�ge seien von Parteistellen und
Beh�rden gekommen. Das Reichssippenamt, das Amt f�r
Sippenforschung der NSDAP, das Rasse- und
Siedlungshauptamt der SS und andere Stellen h�tten
Ausk�nfte erhalten. Besonders gewissenhaft sei bei der
Feststellung der "Fremdst�mmigkeit" verfahren worden.
"Eine besondere Fremdst�mmigen-Kartei, die jetzt von
der ersten Judentaufe, die in Berliner Kirchenb�chern
enthalten ist, bis 1874 reicht, ist eingerichtet. Im
ganzen wurden in 2612 F�llen j�dische Abstammung
festgestellt. Das scheint an und f�r sich nicht viel
zu sein, aber es sind doch in jedem Jahr �ber 520
Feststellungen gewesen, je Tag fast 2 Feststellungen."
Die "Meldungen" des Pfarrers hatten zur Folge, dass
die Betroffenen und ihre Angeh�rigen umgehend dem
Zugriff des Verfolgungsapparates ausgeliefert waren.

Und doch klingt in Themels Bilanz fast so etwas wie
Entt�uschung an. Gemessen am Anfangselan des
Unternehmens hatte man wohl ein h�heres Ma� an
j�discher "Blutsvermischung" erwartet. Er f�gte seinen
nackten Zahlenkolonnen sogleich einen tieferen Sinn
bei: Die Kirchenbuchstelle habe �ber die "Arbeit an
der sachlichen Feststellung deutschen, artverwandten
oder auch fremden Blutes hinaus" auch einen gro�en
ideellen Dienst erwiesen. Ihre Forschungen h�tten "dem
einzelnen Menschen der Gegenwart das Bewu�tsein
[gegeben], da� er getragen wird von der
Blutsgemeinschaft des Volkes und von seiner Sippe, und
da� er nur ein Glied in der Kette von den Ahnen zu den
Enkeln ist, deren bestes Erbgut er weiterzugeben hat
zum Heil des ewigen Deutschland".

Eine Kartei im Reichssicherheitshauptamt weist aus,
dass Themel sich 1943 mit dem Gedanken trug,
vollst�ndig in den Staatsdienst �berzuwechseln.
Wom�glich strebte er, noch einen siegreichen Ausgang
des Krieges vor Augen, die Position eines
Sippenamtsleiters oder �hnliches an, was seiner seit
Jahren geleisteten Arbeit zweifellos angemessen
gewesen w�re. Auf der entsprechenden Karteikarte
findet sich der Vermerk: "Auf Veranlassung des
Reichssippenamtes ist er vorerst noch im Kirchendienst
geblieben."

Die Berliner Kirchenbuchstelle war �brigens kein
Einzelfall. In mehreren Landeskirchen gab es �hnliche
Einrichtungen, hervorgehoben sei die "Mecklenburgische
Sippenkanzlei" in Schwerin.

Wie viele NS-Pfarrer verlie� Themel vor Kriegsende
seine Berliner Gemeinde und brachte sich westlich der
Elbe in Sicherheit. Das Konsistorium Magdeburg, das
seine Vergangenheit anfangs nicht kannte, betraute ihn
vom 15. Mai 1945 an mit der Verwaltung einer
verwaisten Pfarrstelle. Gleichwohl war seine amtliche
Position unsicher und letztlich nur durch ein
kirchliches Spruchkammerverfahren in seiner
Heimatprovinz Brandenburg zu kl�ren. Eine dort
eingeleitete Untersuchung kam zun�chst am 2. Dezember
1948 zum Abschluss: Wegen Mitgliedschaft in der NSDAP
und bei den DC sowie SA-Aktivit�ten sollte Themel aus
dem Amt entfernt werden. Im Berufungsverfahren (1949)
erreichte er Milderung, indem lediglich auf
"Versetzung in eine andere Pfarrstelle" erkannt wurde.
Als mildernder Umstand galt jetzt, dass er nicht zum
Schaden der Kirche gehandelt habe. Au�erdem nahm man
ihm allerlei entlastende Angaben ab: "Zulassung eines
Rabbiners zu einer Trauerfeier auf dem kirchlichen
Friedhof, Unterst�tzung der Arbeit des Pfarrers Gr�ber
an nichtarischen Christen, Protest gegen die
Entziehung des Luisenst�dtischen Gemeindeparks und
gegen die Abgabe eines Heimes der genannten
Kirchengemeinde an eine Parteiorganisation." Themel
habe somit auch gegen Anschauungen der Partei Front
gemacht. Zudem habe er Schuldeinsicht bewiesen.

Tats�chlich urteilte die kirchliche Spruchkammer 1949
nur �ber den "halben Themel", wesentliche Momente
seiner Aktivit�ten vor 1945 waren ihr offenbar
verborgen geblieben. Seine Zusammenarbeit mit der RfS
und SS-F�hrer Mayer, seine rassenkundlichen
Familienforschungen, seine verdeckte Amtshilfe bei der
Judenverfolgung, seine Auslassungen w�hrend der
Kriegszeit �ber die segensreiche Mitarbeit an der
"Aufartung" des Volkes zum Heil des ewigen
Deutschlands - alles dies und Weiteres war nicht
Gegenstand des Verfahrens. Bei der zust�ndigen
Berliner Kirchenleitung der Nachkriegszeit mischte
sich Nichtwissenk�nnen mit Nichtwissenwollen. Eine
Befragung von kirchlichen Mitarbeitern im
Konsistorium, in der Stadtsynode, von Pfarrern der
Bekennenden Kirche, ferner die pr�zisen Einsichten des
Kirchenarchivars Otto Lerche - diese und andere
Quellen h�tten der Spruchstelle mehr Aufschl�sse �ber
Themels Treiben er�ffnen k�nnen.

Besonders grotesk mutet es an, wie man auf seine
Behauptungen hereinfallen konnte, er habe einen
Rabbiner zu einer Trauerfeier auf dem Friedhof
zugelassen und die Auswanderungshilfe des "B�ros
Pfarrer Gr�ber" unterst�tzt. Belege daf�r gibt es
nicht. Belegt hingegen sind zwei andere Episoden: In
Themels Hausgemeinde Luisenstadt, in der nichts gegen
seinen Willen durchging, wurde eine "nichtarische"
Kinderg�rtnerin entlassen. Im November 1934 beschloss
der Gemeindekirchenrat: "Die Beisetzung von
Verstorbenen j�discher Herkunft auf unseren Friedh�fen
wird in Zukunft abgelehnt." Als bald darauf die Witwe
eines "nichtarischen" Christen das Konsistorium bat,
die Urne ihres verstorbenen Ehemanns auf dem Friedhof
der Luisenstadtgemeinde beisetzen zu d�rfen, lehnte
Themel dies ab.

Der Urteilsspruch der kirchlichen Spruchkammer von
1949 ("Versetzung in eine andere Pfarrstelle")
bedeutete faktisch einen wesentlichen Schritt zu
Themels Rehabilitierung. Nun hatte er wieder Anspruch
auf eine Pfarre in seiner kirchlichen Heimatprovinz.
Was als Ahndung gedacht war, gereichte ihm tats�chlich
zur Belohnung; 1952 wurde ihm ein Berlin-nahes
Pfarramt in Markau (Kreis Nauen) zugewiesen.

Kaum war er wieder in Amt und W�rden, wandelte sich
auch schon sein Ton gegen�ber der Kirchenleitung und
nahm bisweilen renitente F�rbung an, die den alten
Geist durchscheinen lie�. So distanzierte er sich 1952
in einem geharnischten Schreiben von der Barmer
Theologischen Erkl�rung des Jahres 1934. In ihr sah er
den Sieg des reformierten Schweizer Theologen Karl
Barth �ber die Altpreu�ische Kirche, die doch im Kern
stets lutherisch geblieben sei.

Emeritiert, zog Themel nach West-Berlin, wo er, im
Schatten des Kalten Krieges, bald zu neuen Ehren kam.
Das Berliner Konsistorium bestellte ihn, den Herrn der
Kirchenb�cher, zum nebenamtlichen Sachbearbeiter f�r
das Archiv- und Kirchenbuchwesen. Aus der R�ckschau
eine durchaus delikate Situation: Themel hatte nun als
Archivar der Kirchenprovinz Berlin-Brandenburg
exklusiven Zugang zu allen kirchlichen Aktenbest�nden,
die noch mancherlei f�r ihn und seine
Gesinnungsgenossen gef�hrliche Geheimnisse aus der
Hitlerzeit bargen. Anl�sslich seines 75. Geburtstags
1965 erhielt er vom Konsistorium anerkennende Worte
und "10 Flaschen Sekt". Der "Herold" (Verein f�r
Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften zu
Berlin), dem er seit 1941 angeh�rte, verlieh ihm zum
80. Geburtstag den Ehrentitel der korrespondierenden
Mitgliedschaft. In einem ausf�hrlichen Brief beklagte
er sich 1971, dass er "sehr schwere K�mpfe in der
Christenverfolgung" habe durchmachen m�ssen, welche
die Bekennende Kirche nach 1945 veranstaltet habe.

Als er 1973 starb, w�rdigte Volkmar Drese, Archivar
beim Konsistorium Berlin-Brandenburg, Themels
T�tigkeiten: "Den von ihm entwickelten Methoden und
seiner Initiative ist zu danken, da� in den
Folgejahren [seit 1935] die Kirchenb�cher der Berliner
Gemeinden von Beginn bis 1875 fast l�ckenlos verfilmt
und damit nach dem in den Kriegsjahren bis 1945
eingetretenen Verlust der meisten Originale in dieser
Form als die wesentlichen Quellen zur Berliner
Bev�lkerungsgeschichte �berliefert worden sind. Durch
unerm�dlichen Flei�, Hilfsbereitschaft und
leidenschaftliches Interesse an der Genealogie hat
Karl Themel weit �ber die Grenzen unserer Stadt und
des Landes Brandenburg hinaus der wissenschaftlichen
Genealogie einerseits und der Familienforschung im
speziellen andererseits au�erordentlich wertvolle
Dienste geleistet."

Karl Themel, ein verdienter Mann der Kirche.

Liebe Listenteilnehmer,

ich habe einen interessanten Artikel in der aktuellen
ZEIT gefunden, �ber einen Pfarrer, der in der Nazizeit
Kirchenb�cher verkartet hat, um "nicht-arische
Elemente" ausfindig zu machen.
Wie ich finde, ein sehr lesenswerter und interessanter
Artikel, gefunden auch in der Online-Ausgabe der ZEIT
Nr. 44/2001 vom 26.10.2001.

Viele Gr�sse

Sonja Stankowski

Der Berliner Pfarrer Karl Themel und sein Beitrag zur
Judenverfolgung

Von Manfred Gailus

Bis 1933 hatte der aus kleinen Verh�ltnissen stammende
Themel eine beeindruckende Karriere durchlaufen:
humanistisches Gymnasium in Potsdam, Theologiestudium
(als pr�gende Lehrer nennt er Adolf Schlatter, Julius
Kaftan und Adolf von Harnack), Berliner
Domkandidatenstift, Ordination mit 24 Jahren,
Feldgeistlicher 1914 bis 1918, seit 1923 in Berlin,
bald darauf engagierter Sozialpfarrer in der Tradition
Adolf Stoeckers, um 1930 kirchlicher Experte eines
k�mpferischen sozialen Protestantismus an vorderster
Front gegen die "Gottlosenbewegungen" der Marxisten,
Kommunisten, Freidenker. Noch vor 1933 schlie�t er
sich der Hitlerbewegung an und beteiligt sich 1932 an
der Gr�ndung der "Glaubensbewegung Deutsche Christen"
(DC), die einen v�lkischen Protestantismus in
Anlehnung an die Weltanschauung der NSDAP propagiert.

Themels kirchenpolitischer H�henflug erwies sich als
nicht von langer Dauer. Als im Herbst 1934 der Versuch
des Reichsbischofs scheiterte, alle 28 Landeskirchen
auf den Kurs der Deutschen Christen zu bringen, kamen
viele seiner engsten Mitstreiter wie Pfarrer Themel in
Bedr�ngnis. Er verlor seine F�hrungspositionen bei der
Inneren Mission und dem Evangelischen M�nnerwerk.
Genau in dieser Situation erkannte der umtriebige,
vielseitige kirchliche Multifunktion�r eine neue
Karrierechance auf einem ganz anderen Bet�tigungsfeld
und bot der Reichsstelle f�r Sippenforschung (RfS)
seine Mitarbeit an.

Kaum war er wieder in Amt und W�rden, wandelte sich
auch schon sein Ton gegen�ber der Kirchenleitung und
nahm bisweilen renitente F�rbung an, die den alten
Geist durchscheinen lie�. So distanzierte er sich 1952
in einem geharnischten Schreiben von der Barmer
Theologischen Erkl�rung des Jahres 1934. In ihr sah er
den Sieg des reformierten Schweizer Theologen Karl
Barth �ber die Altpreu�ische Kirche, die doch im Kern
stets lutherisch geblieben sei.

Karl Themel, ein verdienter Mann der Kirche.
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Liebe Frau Stankowski,

leider waren solche kirchlichen Mitarbeiter nicht die Ausnahme. Man
kann grunds�tzlich sagen, da� eine Trennung der Pfarrer, Theologen,
Mitarbeiter und Mitglieder der evangelischen Kirche durch die �ber-
aus mutige Barmer Theologische Erkl�rung im Jahre 1934 erfolgt ist.
Wer diese Erkl�rung nicht mitgetragen hat, kann als Nazi betrachtet
werden. In dieser Erkl�rung wird beispielsweise festgestellt:

"... Wir bekennen uns angesichts der die Kirche verw�stenden und
damit auch die Einheit der Deutschen Evangelischen Kirche sprengen-
den Irrt�mer der Deutschen Christen und der gegenw�rtigen Reichs-
kirchenregierung zu folgenden evangelischen Wahrheiten:
[...]
Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird,
ist das eine Wort Gottes, das wir h�ren, dem wir im Leben und im
Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als k�nne und m�sse die Kirche
als Quelle ihrer Verk�ndigung au�er und neben diesem einen Worte
Gottes auch noch andere Ereignisse und M�chte, Gestalten und Wahr-
heiten als Gottes Offenbarung anerkennen.
2. 'Jesus Christus ist uns gemacht von Gott, zur Weisheit und zur
Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erl�sung.' (1.Kor. 1,30.)
Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer
S�nden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kr�ftiger
Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerf�hrt uns frohe
Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dank-
barem Dienst an seinen Gesch�pfen.
[...]
Verbum Dei manet in aeternum."
Ich pers�nlich bin und bleibe dieser Barmer Erkl�rung voll und ganz
verpflichtet.

Die "Deutschen Christen" verloren schnell an Prestige. Ihr Anhang
verlief sich bald. Zu wirr war ihre Lehre, zu offenkundig ihre Ab-
h�ngigkeit von der nationalsozialistischen "Weltanschauung".

Karl Barth (10.5.1886-10.12.1968) hat durch seine dialektische Theo-
logie leider einen weiteren Angriff auf das Christentum vorgenommen.
Adolf Schlatter (16.8.1852-18.5.1938) ist da eher unumstritten.

Die Vertreter der alten liberalen theologischen Schule sind:
Wilhelm Bousset (1865-1920), Heinrich Gunkel (1862-1932),
Karl Gustav Adolf von Harnack (7.5.1851-10.6.1930), Albrecht Ritschl
(25.3.1822-20.3.1889), Albert Schweitzer (14.1.1875-4.9.1965), Ernst
Troeltsch (17.2.1865-1.2.1923), u.a..
Die Vertreter der liberalen-neorationalistischen Theologie sind z.B.:
Karl Barth (10.5.1886-10.12.1968), G�nther Bornkamm, Herbert Braun,
Rudolf Bultmann (20.8.1884-30.7.1976), Gerhard Ebeling, Ernst Fuchs,
Friedrich Gogarten (13.1.1887-16.10.1967), Ernst K�semann, Wilhelm
Marxsen, Manfred Metzger, J�rgen Moltmann (geb. 8.4.1926), Paul Tillich
(20.8.1886-22.10.1965), der anglikanische Bischof John A. T. Robinson
(1919-1983), neuerdings auch Eugen Drewermann (geb. 20.6.1940),
Dorothee S�lle (geb. 30.9.1929), Gerd L�demann, u.a..
Alle diese haben mehr oder weniger schwere Irrlehren in der Kirche
verbreitet.

Andere Kirchenvertreter, die sp�ter auch eine undurchsichtige Rolle
gespielt haben, sind beispielsweise Leute wie Manfred Stolpe, die in
Ansehen stehen, obwohl sie IM bei der Stasi waren. Es geh�rt immer
mehr Mut dazu, gegen den Strom zu schwimmen, als sich davon treiben
zu lassen.

Ganz herzliche Gr��e aus Luxemburg

Gerd M�llenheim