York-Lazarett

Als Herr Rautenberg die Anfrage nach dem Königsberger Yorck-Lazarett (=
Garnison-Lazarett an der Yorckstraße auf dem Sackheim) hier vor Wochen
gestellt hat, habe ich bitter geschmunzelt und mir gedacht, noch einer
mit ohne Ahnung.

Denn: Wer in dieser Zeit im weiteren Königsberger Raum forscht, der
sollte sich grundsätzlich etwas weniger formell informieren.
Sterbeunterlagen, vielleicht noch Kirchenbücher? Ich empfehle die
Berichte von Überlebenden zu lesen. Diese findet man am einfachsten im
heute öffentlichen Online-Archiv des Ostpreußenblattes, in Heimatbriefen
(hier also Königsberger, die ich selbst nicht kenne), in sog.
einschlägiger Literatur, wie z.B.

Hugo Linck: Königsberg 1945 - 48 [Linck war Pfarrer in Königsberg-Liep.]

Hans Graf von Lehndorff: Ostpreußisches Tagebuch. Aufzeichnungen eines
Arztes aus den Jahren 1945 - 1947

Louis Finke: Eine silberne Uhr in Königsberg. Als Arzt in Ostpreußen
1945 - 1947

Heinz Schön: Königsberger Schicksalsjahre

Heinz Schön: Im Heimatland in Feindeshand

Hildegard Rosin: Führt noch ein Weg zurück? Als der Krieg vorbei war,
noch drei Jahre in Königsberg. Reihe: Ostpreußisches Mosaik

Anneliese Kreutz: Das große Sterben in Königsberg 1945 - 1947

u.v.m. (Ich habe nicht alle gelesen.) - Lehndorff kann man eigentlich
erst verstehen, wenn man ein paar andere gelesen hat, da er doch recht
distanziert schreibt und seine feine Wortwahl oftmals nicht die wahre
Niederträchtigkeit zum Ausdruck bringt.

Wenn Sie das gelesen haben, Herr Rautenberg, und die Bundesrepublik
kennen, dann wissen Sie, dass das Berliner Krankenbuchlager mit
allerhöchster Wahrscheinlichkeit weder Sterbeunterlagen aus Königsberg
oder Breslau hat. Diese würde man eher im Militärarchiv des
Bundesarchives finden, doch am allerwahrscheinlichsten ist es, dass es
keine gibt. Diese Gefangenenlager/Hospitäler waren unter militärischer
und medizinischer Hoheit der Sowjets. Die tatsächliche Arbeit darin
haben wenige deutsche Schwestern und Ärzte versucht zu bewältigen. An
Therapiemaßnahmen war nicht zu denken, eher an das Aussortieren nach
Erkrankungen und Aufrechterhaltung einer gewissen Ordnung, damit die
Schwächsten nicht vergessen wurden. Gewagte Notoperationen gab es auch,
doch Dokumente im Sinne von offiziellen Protokollen wurden nicht geführt.
Die Russen waren an politischen Aufzeichnungen interessiert und haben
dazu ihre "Befragungen" durchgeführt.

Wenn einer irgendwelche Dokumente aus dieser Zeit in Ostpreußen hat,
dann am ehesten das KGB-Archiv in Moskau.

Des weiteren könnte das Werk von Prof. Fritz Gause: Die Geschichte der
Stadt Königsberg in Preußen (3 Bände) Auskunft über das Schicksal des
Lazaretts geben, vermute ich.

Mit Verlaub, Herr Rautenberg, ich wünsche Ihnen Erkenntnisse und Erfolg,
aber auch die Kraft zu akzeptieren, denn verstehen kann man das als
Europäer nicht.

Th. Salein

P.S. Das Archiv des Ostpreußenblattes lässt sich relativ zuverlässig
mit Hilfe von Google durchsuchen, z.B. mit
Yorckstr site:archiv.preussische-allgemeine.de