Liebe Forscherfreunde,
der von Klaus angegebene WELT-Artikel ist interessant, nicht nur wegen
der Prignitz und der Uckermark-Beziehung zu Hameln, und daher einer
Korrektur wert, da in einigen Punkten etwas oberflächlich recherchiert.
Es heißt dort im Teil 1:
"Aber die meisten - und vor allem die häufigsten - spanischen
Familiennamen sind gotischen Ursprungs (Rodriguez = Roderich, Fernandez
= Ferdinand). Der Namenforschung gelang es nun, etwa 3400 spanische
Ortsnamen auf die gotischen Besitzernamen zurückzuführen und damit die
Siedlungsräume der Westgoten im Nordwesten Spaniens zu ermitteln."
Zwei Dinge sind daran falsch:
1. entspricht der spanische (Nach-)Name Rodríguez nicht unmittelbar dem
gotischen Vornamen Roderich, sondern er bedeutet "Sohn des Rodrigo (got.
Roderich)" (die gotische -ez/-es-Endung ist völlig analog unseren
deutschen "-sen"-Nachnamen). Roderich hieß auch der letzte
Westgotenkönig. Desgleichen Fernández = Sohn von Fernando (got.
Ferdinand), bzw. Vélez = Sohn des Vela, González = Sohn des Gonzalo,
Sánchez = Sohn des Sancho, usw. Die gotischstämmigen Könige und Adligen
im Norden Spaniens aus der Zeit nach der arabisch-maurischen Eroberung
(711) und der gleich darauf schon (718) in der Schlacht von Covadonga in
Kantabrien beginnenden jahrhundertelangen Reconquista (Zurückeroberung)
trugen alle noch über Jahrhunderte gotische Namen (z.B. García Sánchez =
García, Sohn des Sancho, oder Yñigo Gárcez, und viele andere), wie sie
sich auch jahrhundertelang noch als Goten fühlten und dies in vielen
Urkunden deutlich und unmißverständlich festhielten. Diese Dynastien
leiteten sich abstammungsmäßig tatsächlich vom westgotischen Königshaus
und dem gotischen Adel ab, der vor den Mauren in den Norden nach
Kantabrien, Asturien, Galizien, León geflüchtet war und dort zunächst
kleine Reiche gegründet hatte, die im Verlauf der Jahrhunderte immer
mächtiger wurden, bis sie in fast 800 Jahren die maurische Herrschaft
immer weiter zurückdrängen und 1492 mit dem Fall von Granada beenden
konnten. Der spanische Nationalheld der Reconquista des 11. Jh., den die
Mauren bewundernd "El Cid" (El-Sidi, der Herr) nannten, war ebenfalls
Adliger aus Burgos (hier steckt das swebisch-gotische Wort "burg" drin)
gotischer Herkunft und hieß Rodrigo Díaz, also Rodrigo, Sohn des Diego.
2. stammen die tatsächlich unzähligen germanischstämmigen Ortsnamen im
Nordwesten der iberischen Halbinsel (wie es richtig heißen muß, also
nicht: "Spaniens"), also dem schwer zugänglichen Bergland Galiciens
(nicht: Galizien!) und Nordportugals, nicht von den Westgoten, sondern
vielmehr von den Sweben, die dort seit ihrer Ansiedlung im Jahre 409 bis
zu ihrer Unterwerfung durch die Westgoten im Jahre 585 ihr eigenes
Königreich hatten. Sie hatten den erst nach ihnen im heutigen Spanien
angekommenden und in Zentral- und Ostspanien siedelnden Westgoten lange
das Leben schwer gemacht und wurden von diesen eher pro forma
unterworfen und befriedet, lebten vielmehr weiter recht autonom in ihren
Bergen. Die Sweben haben tatsächlich nicht nur ein weites Gebiet mit
vielen Ortsnamen, sondern auch mit mit ihrer Sprache bzw. Sprechweise,
ihrem Dialekt, die lokale Sprache derart nachhaltig geprägt, daß man es
dem Galicischen und dem aus dem Galicischen entstandenen Portugiesischen
heute noch anhören kann: Ganz prägnant ist - analog dem schwäbischen "du
bischt (bist)" oder "das Fescht (Fest)" - das wie "sch" ausgesprochene
"s" am Silben- und Wortende, wie bspw. in "dois" (gesprochen "doisch";
dt.: zwei) oder "Lisboa" (gesprochen "Lischboa""; dt.: Lissabon). In
mittleren und westlichen Gegenden Spaniens nennt man die Galicier und
Nordportugiesen umgangssprachlich heute (!) tatsächlich noch "los
suevos" = die Sweben. Erstaunlich, wie lange das Gedächtnis von Völkern
doch zurückreicht, nicht wahr?
Viele Grüße,
Jürgen