WK II, Gebietsaustausch USA-Sowjetunion

Liebe Mitsucher !
Einer meiner Onkel hat den Krieg überlebt, starb aber schon vor etlichen Jahren, so dass ihn niemand mehr befragen kann. Er erzählte jedoch eine hollywoodreife Geschichte darüber, wie es ihm und einigen seiner Kameraden gelang, der Gefangennahme durch die Russen zu entgehen. Ich suche nun den Ort, an dem sich diese Geschichte abspielte.
Bekannt ist folgendes :
1) Die Flucht spielte sich ganz kurz vor (Tage) oder nach der Kapitulation ab.
2) Wahrscheinliche Gegend : Grenzgebiet zwischen Österreich und Tschechoslowakei.
3) Sie lagen -evtl schon in amerikanischer Gefangenschaft - in einer "nach außen gestülpten Beule" des amerikanisch besetzten Gebietes. Aus diesem Gebiet zogen sich plötzlich die Amerikaner zurück, während auf den angrenzenden Bergen (Hügeln ?) russische Fahrzeuge auffuhren. In diesem "Machtvakuum", während die Amerikaner schon weg, die Russen aber noch nicht da waren, gelang vielen die Flucht nach Österreich hinein. Es wird sich also vermutlich um einen Gebietsaustausch zwischen Amerikanern und Russen gehandelt haben, um den "Frontverlauf" zu begradigen.
Meine Frage an Euch : Kann hier jemand direkt helfen ? Oder weiß jemand, wo und wie man an diese Informationen kommen kann ?
In der Hoffnung, dass da irgendwo Wissen verborgen ist und mit vielem Dank im Voraus,
Jürgen (Laudi)

Hallo Juergen,

Es handelt sich weniger um einen Gebietsaustausch als die Pflicht sich an die Abmachungen von Jalta zu halten, wo die Besatzungszonen festgelegt wurden. General Patton ist deutlich ueber diese Linie hinausgeprescht. Von Osten zurueckstroemende deutsche Truppen versuchten von den Amerikanern gefangen genommen zu werden. So auch mein Vater, der bei der Kapitulation in Bad Altheide, Schlesien war und sich mit einer Kolonne in Richtung Amis zurueckzog. An einer Bruecke ueber die Moldau suedlich von Prag in der Tschechei wurden sie dann von den Amis gefangen genommen. Dort wurde von den Amis ein provisorisches Gefangenenlager eingerichtet. Als die russischen Truppen nach einigen Tagen erschienen, wurde noch einige Tage verhandelt und dann gab es fuer die Amis den Befehl sich an die Besatzungszonengrenze zurueckzuziehen. Mein Vater und einige Kameraden haben davon Wind bekommen und haben sich in der Nacht zu Fuss abgesetzt (Zaeune gab es nicht). Sie kamen nach Bayern, wo sie irgendwann von amerikanischen Soldaten aufgesammelt wurden. Da man ihnen nachweisen konnte, dass sie auf tschechischem Boden gefangen genommen wurden, wurden sie wieder an die Russen uebergeben, alles umsonst. Ich habe dies nur aus den Erzaehlungen meines Vaters, die er zum Glueck aufgeschrieben hat, sehr detailliert, auch die vier Jahre in der Gefangenschaft. Ich vermute es gibt viele solcher Schicksale aus dem Gebiet, ob sie irgendwo verzeichnet sind, weiss ich nicht. Hoffe ich habe nicht zuviel schwadroniert.

Gruss

Thomas (Boysen)

Liebe Mitsucher !

Hallo Jürgen,
evtl. lässt sich einiges über die Kriegsgefangenschaft beim int. Suchdienst
des Roten Kreuzes (Ist-arolsen) in Erfahrung bringen, hat bei meinem Vater
geklappt (Bearbeitungszeit waren 12 Monate, also Geduld!) Link:
/www.its-arolsen.org/english/
Grüße aus Schleswig-Holstein
Michael (Daxer)

Moin Jürgen,

es handelte sich hier, wie schon Thomas (Boysen) schrieb, um die über die Jalta-Vereinbarungen hinaus von Ende April bis Anfang Mai 1945 zunächst weiter nach Osten in die westliche Tschechoslowakei hinein vorgeschobene Frontlinie der 3. US-Armee, die von Torgau über Chemnitz, Karlsbad, Pilsen und Pisek bis nach Linz in Österreich (und weiter) verlief.

Die US-Armee warteten dort das weitere Vordringen der Roten Armee aus Böhmen nach Westen ab und zogen sich dann vereinbarungsgemäß an die bayerisch-tschechische Grenze zurück, wobei sie in ihrem Gewahrsam befindliche deutsche Kriegsgefangene fast ausschließlich der Roten Armee übergaben.

Mein Vater hatte in diesen Tagen zweimal Riesenglück, der Roten Armee und sowjetischer Kriegsgefangenschaft entgehen zu können: Zuerst entging er als von Aussig ab Anfang Mai tagelang egeraufwärts flüchtender Sanitätsoffizier mit den deutschen Krankenschwestern seines Kriegslazaretts, die er vor der sowjetischen Soldateska in Sicherheit bringen mußte, nur knapp dem massiven Durchbruch sowjetischer Einheiten ins Sudetenland und gerade noch eben am bereits sowjetisch besetzten Karlsbad sowie an tschechischen Partisanen und dem lynchenden Mob vorbei über Graslitz nach Norden an die sächsische Grenze bei Klingenthal, wo ihn US-Soldaten gefangennahmen und im amerikanischen Kriegsgefangenenlage auf dem Flugplatz Eger internierten. Etwa drei Wochen später wurden im Lager Eger plötzlich Entlassungen durchgeführt, weil sich unter den vom Hunger geschwächten Soldaten Infektionskrankheiten ausbreiteten, und mein Vater wurde mit anderen entlassenen Soldaten nach Naumburg gefahren, wo der amerikanische Fahrer sie absetzte und umkehrte. Nur Tage später nach seiner Entlassung wurde das noch mit mehr als zehntausend deutschen Soldaten überbelegte US-Kriegsgefangenenlager Eger Anfang Juni 1945 komplett der Roten Armee übergeben!

Eine tschechische Karte, die die Operationen der Ukrainischen Fronten der Roten Armee in der Tschechoslowakei und die von mir oben beschriebene amerikanische Frontlinie vom 05.05.1945 im tschechischen Westen zeigt, findest Du unter <http://www.dukla-battlefield.com/img/dukla_map.jpg&gt;\.

Viele Grüße,
Jürgen

Hallo J�rgen !
Vielen Dank f�r diese Karte, die evtl. das R�tsel l�sen k�nnte. Kannst Du mal bitte meinen Gedankengang kontrollieren :
Mein Onkel war damals irgendwo im �sterreichisch-tschechischen Grenzgebiet, und zwar au�erhalb von �sterreich. Dann zogen sich die Amerikaner zur�ck, und in dem Vakuum vor dem Eintreffen der Russen konnte er abhauen. Aus Deiner Karte entnehme ich nun, dass die Rote Armee im S�den weit nach �sterreich hinein vorgedrungen war, nur ein kleiner Zipfel n�rdlich von Linz k�me nach meiner Interpretation als Ort des Geschehens in Frage, wenn die Amerikaner sich von der roten Linie bis an die tschechische Grenze zur�ckzogen. Richtig ?
Mein Onkel konnte mit einigen Kameraden und einem Maschinengewehr nach �sterreich "r�bermachen". In der ersten Stadt dort versuchten sie, den Leuten in einem Stra�enbahndepot einen Bus abzschwatzen, aber nach seinen Worten wollten die �sterreicher pl�tzlich �berhaupt nichts mehr mit den Deutschen zu tun haben. Sie �nderten dann ihre "Strategie" : W�hrend einige von ihnen das Personal "besch�ftigt hielten", kletterten zwei von ihnen mit dem MG von hinten auf den Bus und mit dieser "Entscheidungshilfe" vor Augen mussten die Stra�enbahner sie fahren lassen. Auf einer abenteuerlichen Fahrt mit schier unglaublichen Begebenheiten quer durchs ganze Reichsgebiet logen sie sich am Ende durch bis Hannover und einige von ihnen sogar bis Hamburg.
Viele Gr��e zur�ck,
der andere J�rgen (Laudi)

Eine tschechische Karte, die die Operationen der Ukrainischen Fronten der Roten Armee in der Tschechoslowakei und die von mir oben beschriebene amerikanische Frontlinie vom 05.05.1945 im tschechischen Westen zeigt, findest Du unter <http://www.dukla-battlefield.com/img/dukla_map.jpg&gt;\.

Hallo J�rgen !
Vielen Dank f�r diese Karte, die evtl. das R�tsel l�sen k�nnte. Kannst Du mal bitte meinen Gedankengang kontrollieren :
Mein Onkel war damals irgendwo im �sterreichisch-tschechischen Grenzgebiet, und zwar au�erhalb von �sterreich. Dann zogen sich die Amerikaner zur�ck, und in dem Vakuum vor dem Eintreffen der Russen konnte er abhauen. Aus Deiner Karte entnehme ich nun, dass die Rote Armee im S�den weit nach �sterreich hinein vorgedrungen war, nur ein kleiner Zipfel n�rdlich von Linz k�me nach meiner Interpretation als Ort des Geschehens in Frage, wenn die Amerikaner sich von der roten Linie bis an die tschechische Grenze zur�ckzogen. Richtig ?
Mein Onkel konnte mit einigen Kameraden und einem Maschinengewehr nach �sterreich "r�bermachen". In der ersten Stadt dort versuchten sie, den Leuten in einem Stra�enbahndepot einen Bus abzschwatzen, aber nach seinen Worten wollten die �sterreicher pl�tzlich �berhaupt nichts mehr mit den Deutschen zu tun haben. Sie �nderten dann ihre "Strategie" : W�hrend einige von ihnen das Personal "besch�ftigt hielten", kletterten zwei von ihnen mit dem MG von hinten auf den Bus und mit dieser "Entscheidungshilfe" vor Augen mussten die Stra�enbahner sie fahren lassen. Auf einer abenteuerlichen Fahrt mit schier unglaublichen Begebenheiten quer durchs ganze Reichsgebiet logen sie sich am Ende durch bis Hannover und einige von ihnen sogar bis Hamburg.
Viele Gr��e zur�ck,
der andere J�rgen (Laudi)

Moin Jürgen,

ja. Dein Onkel dürfte sich wohl irgendwo im Raum Pisek - Budweis und allerhöchstens der amerikanischen Demarkationslinie befunden haben. Die Gruppe hatte Glück, weder von den Amis unmittelbar festgesetzt noch von den aufgefächerten Truppen der 2. Ukr. Front erwischt worden zu sein.

Die Masse der Reste der Heeresgruppe Mitte (neu, vorher HGr. A) in Böhmen, die Masse östlich und nö. von Prag, strömte nach Westen bzw. Südwesten, wo die Amis standen, um dort in Kriegsgefangenschaft gehen zu können. Die Rote Armee, Du siehst es auf der Karte, drückte in aller Eile von Sachsen aus über Prag nach Süden und von Österreich nach Norden und Nordwesten, um die Westgrenze abzuriegeln und möglichst viele Gefangene machen zu können. Insbesondere bei Pisek sammelten sich noch im amerikanischen Gewahrsam Zehntausende deutscher Soldaten. Daher teilten sich die Sowjettruppen im Norden und Süden, um die westliche Grenze und damit die Fluchtwege schnellstens dichtmachen zu können. Alles, was in Pisek war, wurde dann von den Amis an die Sowjets übergeben, als sie Mitte Mai dort eintrafen. Wer sich noch nicht dort befand, den schnappten die Sowjets später, oder der tschechische Mob.

Viele Grüße,
Jürgen