Wechsel von Kirchspielzuständigkeiten im Samland: Regehnen + Kalthoff

Liebe Listenleser,

vor einigen Tagen habe ich im Archiv eine Akte gefunden, aus der hervorgeht,
daß in Einzelfällen gewisse Dörfer von einem Kirchspiel in ein anderes
wechselten. In diesem speziellen Beispiel geht es um die Dörfer Regehnen und
Kalthoff, die aus dem Kirchspiel Pobethen nach St.Lorenz (zurück-)wechselten. Ich
stelle den gesamten Akteninhalt buchstabengetreu transskribiert hier den
Interessierten zur Verfügung. In meinem speziellen Fall kann ich die Forschung in
gewissen Linien nach diesen Informationen noch einmal neu aufrollen. Die
Akte ist für mich auch noch in der Hinsicht interessant, weil Vorfahren
namentlich erwähnt werden.

Für all jene, die keine Verbindung in diese Region haben, mag der Inhalt als
Beispiel dienen für den Vorgang an sich. Es ist wohl nicht so
unwahrscheinlich, daß es auch in anderen Gegenden zu vergleichbaren Vorgängen gekommen sein
mag:

Signatur: GStAPK, XX. HA. EM 39c Nr.75

Wegen Auswidmung des cöllmischen Guths Kalthoff und des Dorffs Regehnen

aus der Pobethenschen nach der St.Lorentzschen Kirche 1775
Seite1
Friedrich König von Preußen
An das hiesiege Consistorium ex officio.
Unsern~*). Wir haben Uns euren allerunterthänigsten Bericht vom 7.t hujus,
wegen der sowohl von dem Besitzer des Cöllmischen Guhts Kalthoff, als auch von
den Einsaaßen des Dorfes Regehnen nachgesuchten Auswidmung aus der
Pobethenschen nach der St.Lorentzschen Kirche, umständlich vortragen lassen, und da
Wir euren beygefügten Vorschlag hiermit völlig genehmigen; so habt ihr darnach
den Ertzpriester Borowski, zur weiteren Bekanntmachung gehörig zubescheiden.
Sind euch ~*)
Königsberg den 20.t Novembr. 1775 Groeben
subsc. vKorff. vdGroeben GrvSchlieben
*) Der Schnörkel kennzeichnet die abgekürzte Grußform „Unsern gnädigen Gruß
zuvor“ bzw. „Sind euch in Gnaden gewogen“.

Seite 2, 3
Allerdurchlauchtigster Großmächtigster Koenig, Allergnädigster Herr!
Königsberg den 7. Novembr.1775

Das ostpreuß. Consistorium berichtet wegen der von zwey zum Pobethenschen
Kirchspiel gehörigen Dörfern nachgesuchten Auswidmung aus Pobethen nach
St.Lorenz in der Schaakenschen Diocese.

Erw.Königliche Majestät werden aus dem bey Gelegenheit der vom Schaakenschen
Erzpriester Borowski in St. Lorenz gehaltenen Kirchenvisitation, von
demselben aufgenommen und hier im Anschluß beykommenden Original Protokoll, sich mit
mehreren in Unterthänigkeit vortragen laßen, was sowohl der Besitzer des
Cöllmischen Guths Kalthoff, Johann Fridrich Knaester, alß der Cöllmer Roodmann
und die zwey Königlichen Erbsaaßen Gromball und Leskien nomine ihrer selbst
und der andern beyden Königlichen Erbsaaßen des Dorfes Rogehnen, alle zum
Pobethenschen Kirchspiel gehörig, angezeiget und aus was für Gründen selbige die
Auswidmung aus Pobethen und sich künftig zur St.Lorenzschen Kirche zu halten,
geboten haben. Hiebey müßen wir auch noch pflichtschuldigst anzeigen, daß
anfangs benannter Erzpriester, mittelst seines an uns besonders erstatteten
Berichts, auf seiner Rückreise von der St.Lorenzschen Kirchenvisitation sich
wegen der von den beyden Dörfern Kalthoff und Rogehnen angesuchten Auswidmung mit
dem AmtsRath Quassowski in Grünhoff, zu deßen DomainenAmt obbenannte beyde
Dörfer gehören, besprochen, welcher aber auch eingezeuget habe, wie allerdings
diese beyde Dorfschaften einen weit beschwerlicheren, ja mannigmahl ganz
impassablen Weg nach Pobethen, dargegen zu aller Zeit einen guten Weg nach
St.Lorenz hätten, wohin auch die Einwohner ohnedem den Decem zu zahlen hätten. Ob
nun wohl mehrerwehnte Dörfer vorkommenden Umständen nach vieles zu ihrem
Vortheil haben, daß ihrem Gesuch sonsten wohl nachzugeben seyn würde; so können
Erw. Königl. Majestaet wir demnach nicht umbhin, unsere unvorgreifliche
Meynung darinn zu wähnen, wie diese vorgedachte Auswidmung aus Pobethen nicht
füglich zum Praejudice des auch die Emolumenta von diesen Dörfern vocirten
Pfarrern zu Pobethen statt finden können, dahero besagte Dörfer anzuweisen seyn
würden, bey sich ereignender vacance in Pobethen ihre Nothdurft wiederholentlich
gehörigen Orts anzubringen. Jedoch überlaßen Erw. Königlichen Majestaet wir
es leediglich, ob und in was Art Höchstdieselben dem Petito zu deferiren,
allerhuldreichst resolviren werden. Die wir in tiefster Submission und aller
Treue ersterben
Erw. Koeniglichen Majestaet
allerunterthänigst treu gehorsamste
Bock. Manitius. Wirschkopff. Re....(nicht lesbar) Andersch.

Seite 4, 5 (Protocoll des Erzpriesters)
Actum St.Lorentz den 15 Octobr. 1775
In dem heutigen dato, nachdem Endesunterschriebener die Kirchen und Schulen
Visitation dieses Orts geendigt, und den sich bei der Inspection, Herr Johann
Heinrich Knäster, Besitzer von dem cöllmischen Gut Kalthoff, von 5 Huben, in
dem Pobethen Kirchspiel gelegen; imgleichen Johann Jacob Roodmann, Besitzer
zwoer Cöllmischen Huben in Regehnen, wie auch zwei Königliche Erbsaßen des
eben benannten Regehnen, namens Michael Gromball und Michael Leskien, nomine
ihrer selbst und der anderen beiden königl. Erbsaßen Gottfr. Reckindt und
Christian Punins(?), alle gleichmäßg zum Pobethenschen Kirchspiel gehörig - und
ersuchen, daß ihre beizubringende Beschwerden ad Protocollum gebracht und
höheres Orts darüber entschieden werde:
Es zeigen obbenannte nämlich an, wie sie bisher zum Pobethenschen Kirchspiel
zwar in der Art gehört, daß sie daselbst zur Beicht und h. Abendmal
gegangen; Taufen, Trauungen, Leichen u.s.f. auch in Pobethen hätten bestellen und
bezahlen; imgleichen gelegentlich Dächer, Zäune etc. an der dasigen Kirche u.
Pfarrgebäuden unterhalten; auch dahin die andere gewöhnliche praestande erlegen
müßen; indeßen auch in so ferne wiederum zum St.Lorentzschen Kirchspiel
gehöret hätten, daß sie daselbst den Huben- sowohl als Personal decem jährlich
hätten erlegen müßen.
Erzpriester, da er eben in loco ist, untersuchet den leztern Umstand auf der
Stelle; läßt sich von Pfarrer Krusemarck einige der aufbehaltenen ältern
Kirchenrechnungen vorweisen und findet z.E. in ao. 1683 und so in
ununterbrochener Reihe, bis auf die vorjährige Rechnung, daß ...er Decem auch wirklich in
St.Lorentz bezahlet worden. Außerdem ist Erzpriester vollkommen bekannt, daß
benannte Einwohner von Kalthoff und Regehnen in Ansehung der Amtsverrichtungen
und Unterhaltung der Gebäude bis hieher nach Pobethen gehört haben. - Aus
dieser Abtragung des Decems erhellet nur, daß (...) Kalthoff und Regehnen nur
seit einer Reihe von Jahren, von der Seelensorge der St.Lorentzschen
Predigtamts getreuet worden sein mußten und als Erzpriester hierüber nähere
Erkundigung einzieht, erfährt er, wie diese Örter ungefär seit hundert Jahren von
St.Lorentz getreut und zu Pobethen geschlagen worden sein und das aus dem Grunde,
weil damals die St.Lorentzsche Kirche von einem für die Gemeinde zu kleinen
Umfange gewesen, dagegen die Pobethensche Kirche notorisch größer; derwegen
die Vorfahren der jezigen Besitzer und Erbsaßen, um einen räumlicheren und
bequemen Platz zu haben, sich gerne gefallen laßen, den entlegenen und
beschwerlichen Weg nach Pobethen zu übernehmen. Nunmehro, da diese wichtige Linderung
gehoben und die St.Lorentzsche Kirche auf königl. Allergnädigste Concession
ao. 1711 um 24 fuss erweitert und verlängert worden; folglich für obbenannte
ein hinreichender und bequemer Platz sich findet: so ist ihre dringende Bitte,
daß sie wiederum zu der St.Lorentzschen Kirche sich zu halten die hohe
Erlaubnis bekämen und stützet
    1. obgenannter Knäster seine Bitte besonders darauf, daß der Weg von
Kalthoff nach Pobethen äußerst schlecht; vielfältigen Überschwemmungen
ausgesezt und eben deswegen zu manchen Jahreszeiten gantz inpassable sei; dagegen der
Weg zur St.Lorentzschen Kirche beständig passable und gut sei; auch daß er
ein besonders Zutrauen zu der Amtsführung das jezigen Pf. Krusemarck habe, wie
wol er wider Pf. Tägen(?) in Pobethen nichts einwendet;
    2. Cöllmer Roodmann aber und die königl. Erbsaßen stützen ebenfalls
ihre Bitte theils auf den ganz äußerst üblen Weg, der für sie im Herbst und
Frühjahr durchaus in passable sei; theils aus dem Umstand, daß sie hiesigen Orts
doch schon ihren Decem abträgen müßten und also in Ansehung der Seelsorge
auch gerne zu der Kirche gehören wollten, zu deren Unterhaltung sie beiträgen. -
Auf die Gegenantwort des Erzpriesters, wie aber doch ihre Vorfahren mit der
bisherigen Einrichtung zufrieden gewesen wären, erwidern sie, daß diese ihre
Vorfahren solange wol hätten zufrieden sein können, in dem sie in St.Lorentz
eine zu enge Kirche gehabt hätten; nunmehr aber fiele ja diese Behinderung
gantz weg, indem Se. Majestät dieselbe hätte erweitern laßen und sie nunmehr
nebst hinlänglichem Raum auch den ungleich bessern Weg nützen und sich des Amts
eines Predigers bedienen könnten, zu dem sie gleichfalls zutrauen hätten,
ohne dem Pfarrer Tägen(?) ungünstig zu sein.
Auf die Gegenerwiderung des Erzpriesters, ob sie sich auch die Praestanda,
die sie etwa in Pobethen nicht gehabt, hiesigen Orts eben üblich wären,
gefallen lassen wollen, erklärten sie ihre Bereitwilligkeit dazu.
Erzpriester, nachdem er dieses verschrieben, lieset den Gegenwärtigen das
aufgenommene Protocoll in extenso vor und da sie nichts dawider einzuwenden
finden, vielmehr bezeugen, daß ihr Sinn getroffen sei; so nimmt er selbiges
Protocoll nach Pobethen mit, um die etwaigen Einwendungen des dasigen Pfarrers zu
hören und in fine anzuhängen; überläßt aber die Entscheidung dieses Gesuchs
lediglich dem Gutfinden einer weisen Obrigkeit, zu der er das Zutrauen hat,
daß sie nach dem größern oder mindern Gewicht der Gründe entscheiden werde.
Continuatum Pobethen den 18. Octobr. 1775
Nachdem obiges dem Pfarrer Tägen in extenso vorgelesen worden: so wird deßen
Meinung dem Erzpriester zu erklären von ihm erfordert, welche er dann in der
Art erklärt, daß der Weg von Kalthoff um die Helfte näher als nach
St.Lorentz und von Regehnen nicht um 1/8 Meile weiter sei; die üble Beschaffenheit des
Weges aber auch beiden Kirchen gleich sei, worinnen es Pfarrer allenfalls
auf die strenge Untersuchung einer unpartheiischen Commission wollen ankommen
laßen; versichert auch, daß er doch seine Amtsvorfahren in Ansehung der
Einkünfte seines Amts und der Calende besonders im Verhältnis gegen andere Prediger
in der Art geschmälert und abgekürzet sei, daß er nicht ohne große
Incommodité den Verlust dieser beiden Dörfer ertragen könne; wozu noch kommt, daß uns
vor kurtzem die Unterhaltung der Pfarrwirthschaftsgebäude und der Zäune sowol
der der Kirche als Widdem aufs ... repartirt worden und also nunmehro bei
dem etwaigen Abgang dieser beiden Dörfer und darin befindliche Huben eine neue
Repartition nöthig wäre, dadurch der übrige Theil der Pobethenschen Gemeine
besch .. würde und bittet endlich, daß auf den Fall Kalthoff und Regehnen in
ihrem Gesuche Erhörung fänden, ihm die geringe Praestanda an Calende u. dergl.
nicht entzogen würden.
Er hoft, daß eine Hohe Obrigkeit auf diese seine dringende Vorstellungen
merken und nicht zum Schaden des hiesigen Pfarramts u. der ...engstände
entscheiden, sondern vielmehr in dieser Sache, die seit so vielen Jahren gemachte
Einrichtung für die Zukunft gnädigst bestätigen werde.
L.Borowski
Erzpr. u. Insp. <<

Erzpriester Borowski schreibt eine sehr kleine enge Schrift. So ist es mir
nicht immer gelungen, jedes Wort zweifelsfrei zu transskibieren. Zweifel oder
Unlesbarkeiten sind durch (?) oder ... kenntlich gemacht.
In dem Schreiben des ostpr. Consistoriums vom 07.11.1775 handelt es sich bei
der Schreibweise "Rogehnen" offensichtlich um einen Fehler. Es geht ganz
eindeutig um Regehnen!
Möge es dem einen oder anderen nützen...
Grüße aus Berlin
Viktor Haupt