Was ist ein Scheidebrief?

Hallo Astrid & Rita,
Unter "Krünitz Online" findet man zu Scheidebrief bei Christen folgendes:

Was nun die Ehescheidung bei den christlichen Religionsverwandten in

neuerer Zeit anbetrifft, so sehe man solches unter _Scheidung_
(javascript:gotoLemma('2006033014100294','')) nach. Nach unsern Gesetzen kann kein
Scheidebrief anders ertheilt werden, als es muß demselben ein förmlicher
Ehescheidungsprozeß vorangegangen seyn, und daraus erst die Ursachen zur Ertheilung
desselben erwiesen werden. Ein Ehescheidungsbrief nach neuerer Art lautet
wie folgt:

„In Sachen des -- -- Klägers wider seine Ehefrau -- -- Beklagten,
ertheilen Sr. Königl. Majestät von Preußen etc. hiermit zum Bescheid. Daß da aus
den Aussagen der vom Kläger in Vorschlag gebrachten Zeugen mit Gewißheit
hervorgeht, daß Beklagte eine äußerst unverträgliche, zänkische und ungestüme
Gemüthsart besitzt, und die Wirthschaft des Klägers dergestalt
vernachläßiget, daß er in seinen Vermögensumständen ganz herunter kommt, der Beklagtin
Zeugen hingegen nichts Bestimmtes und auf den Ehestand der Partheien sich
Erstreckendes aussagen, das bisher zwischen beiden Theilen obgeschwebte Band
der Ehe, wie hiermit geschieht, zu trennen, und ihnen, jedoch der Beklagten
erst nach Verlauf von neun Monaten, die anderweitige Verehlichung in
unverbotenen Graden nachzulassen, Beklagtin auch zwar für den schuldigen Theil
zu achten, indessen es sowohl dabei, daß Kläger sich der Strafe der
Ehescheidung begeben, zu lassen, als derselben dem §. 76. des Ediktes gegen die
Mißbräuche der Ehescheidung gemäß, und da der Curator der Kinder nicht nur
hiermit einig ist, sondern die der Beklagten zu Last kommenden Verschuldung
nicht so beschaffen ist, daß daraus eine gänzliche Verderb<141, 551>niß ihres
Charakters zu folgern wäre, die Erziehung der Kinder bis nach
zurückgelegtem vierten Jahre zu überlassen, übrigens ist Beklagtin schuldig dem Kläger
die Kosten dieses Prozesses zu erstatten und der Curator der Kinder gehalten
bei der competenten Obrigkeit auf die Ausmittelung des Pflichttheils für
die Kinder gehörig anzutragen. Urkundlich unter des Kammergerichts größerem
Insiegel. Gegeben -- --
Daß vorstehender Ehescheidungs=Bescheid, nachdem gegen denselben von der
Beklagtin, jedoch nicht wegen Trennung der Ehe, sondern nur wegen anderer
Punkte das Remedium Appelationis eingewendet gewesen, jedoch demselben von
ihr ad Acta hinwiederum entsaget worden, in die völlige Rechtskraft vergangen
sei, solches wird auf Verlangen denen Actis gemäß, hierdurch in Fidem
attestiret. --
Auf diese Weise lauten ungefähr die Scheidebriefe neuerer Art, nur daß die
Gründe warum die Scheidung geschieht, wie es sich von selbst versteht,
abweichen.<
und im deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm findet sich:

SCHEIDEBRIEF, m.

1) brief, urkunde, durch welche ein ehemann seine frau aus dem ehelichen
verhältnis entläszt und einen andern zu heiraten erlaubt, dann auch eine
von einer behörde ausgefertigte urkunde, durch welche eine ehescheidung
rechtskräftig wird. CAMPE, scheydbrieff, libellus repudii FRISCHLIN nomencl.
(1586) 200a: wenn jemand ein weib nimpt und ehelicht sie, und sie nicht gnade
findet fur seinen augen, umb etwa einer unlust willen, so soll er ein
scheidebrieff schreiben, und jr in die hand geben, und aus seinem hause lassen. 5
Mos. 24, 1; es ist auch gesagt, wer sich von seinem weibe
Bd. 14, Sp. 2399
scheidet, der sol jr geben einen scheidbrieff. Matth. 5, 31; wann ich
macht hätte, den weibern, die über ihre männer klagen, scheidbrieff zu geben,
und sie von ihren männern zu scheiden, ich wolt in einem jahr ein
schatzreicher mann werden. SCHUPPIUS 148; es kam dahin, dasz disz ungleiche paar,
weil sie sich mit einander nicht wohl stallen kunten, durch einen
scheide-brieff von einander gesetzt wurden. pers. rosenth. 6, 2; löset einen
scheidebrief; wer kann euch dann wehren, das fräulein zu heirathen? MUSÄUS 1, 124
Hempel; Sadik kann der schönen Aruja mit gutem gewissen den scheidebrief
geben. WIELAND 8, 391. im bilde: und obwol jre schwester Juda, die verstockte,
gesehen hat, wie ich (der herr) der abtrünnigen Israel ehebruch gestrafft,
und sie verlassen, und jr einen scheidebrieff gegeben habe, noch fürcht
sich jre schwester, die verstockte Juda nicht, sondern gehet hin und treibet
auch hurerey. Jer. 3, 8. freiere bildliche wendungen: ich musz diese dritte
sammlung aus den händen lassen, ohne noch zu wissen, wie ihre beiden
älteren schwestern aufgenommen sind; ich gebe ihr also einen scheidebrieff mit,
den vielleicht schon die erste hätte vorzeigen sollen. HERDER lit. u. k. 2,
330;

du siehst in diesem scheidebrief (an die poesie)
nur spuren zärtlichen verdrusses,
von dem gepeitscht die feder lief?
GOTTER 1, 459.
einem, einer sache den scheidebrief geben, schreiben, wie sich davon
lossagen, trennen: im fall er nicht aller wohlständigen erbarkeit einen
scheidebrieff gegeben. BUTSCHKY 201; mehr solche nymphen, Romano, so will ich vor
ihren phantasien knieen, und der natur einen scheidebrieff schreiben.
SCHILLER Fiesko 2, 17;

das lockt euch nicht? so schreibet unsrer freundschaft
nur gleich den scheidebrief!
LESSING 2, 209.
in ausgeführtem bilde: ich kenne eine ältliche matrone, deren erinnerung
und begierden weit jünger als ihr körper sind, obgleich ihren reizen die
hand der zeit den scheidebrief, trotz allem geschnörkel der kunst, noch
allemal lesbar genug geschrieben. J. PAUL grönl. processe 1, 98.
2) urtheilsspruch, schriftliches endurtheil von schiedsrichtern,
testimonium arbitrorum de lite finita et decisa. HALTAUS 1607; scheidesbrief
FRISCH 2, 170c: des haben wir zur urkunde jeder partheyen einen unser
scheide-brieff gegeben. quelle von 1368 bei HALTAUS 1607; scheidebriv unsers sprochs
halbin. quelle von 1462 ebenda; im bilde:

ich wil mich eben fliszen,
vom scheidebriefe riszen
insigel und kleine warheit,
die ich daran han geleit.
LILIENCRON hist. volksl. 1, 40, 1976.<
Viele Grüße
Michael (Daxer)

Hallo Michael.

Ganz ganz großes DANKESCHÖN für die Antwort ... nein - die Abhandlung.
Wird auf alle Fälle ausgedruckt und in die Familienchronik geheftet.
Und da bringt uns die Kirche bei, daß die ehe heilig und unantastbar sei und
dann steht die Empfehlung zur Scheidung sogar in der Bibel !
Ich denke jetzt auch, daß derjenige, um den es geht, 1800 geheiratet hat,
sich 1805 hat scheiden lassen und 1808 bei der nächsten Ehe den Scheidebrief
zur Bewilligung der Eheschließung vorgelegt hat.

Viele Grüße aus Kiel und ganz vielen Dank nochmal
Astrid