Hallo,
heute mal keine Daten sondern etwas "atmosph�risches"
aus meiner Arbeit mit alten Kirchenb�chern.
Ich besch�ftige mich inzwischen seit ungef�hr drei
Jahren ganz intensiv mit dem im Kreis Elchniederung
gelegenen Kirchspiel Inse, das insbesondere die drei
direkt am Kurischen Haff gelegenen Haffd�rfer Inse,
Tawe und Loye umfa�t.
Ich bin dabei die Kirchenb�cher komplett zu erfassen.
Geschafft habe ich bisher den Zeitraum ca. 1840 bis
1874 komplett mit Geburten, Heiraten und Todesf�llen
sowie teilweise die Geburten zur�ck bis 1798.
Insgesamt rund 11.000 Datens�tze.
Aber die Kirchenb�cher liefern nicht nur dr�ge Daten,
sondern auch viele bemerkenswerte Details, lustige wie
frustrierende, die einen kleinen Einblick in die Zeit
und das Leben der Menschen erm�glichen.
Zu den aus meiner Sicht interessantesten Fundst�cken
geh�rt der �Kampf� des wohl aus der Stadt (vermutlich
K�nigsberg) stammenden Pfarrers Karl Leopold Friedrich
Neiss mit der Moral seiner �Sch�fchen� in den
Haffd�rfern Inse, Loye, Tawe und vorallem in den auch
zum Kirchspiel geh�renden abgelegenen Ansiedlungen
Aukstutt, Kumzoge und L�ckerort. Im Jahr 1852 findet
man folgenden Heiratseintrag:
�Der Eigenk�tner Friedrich Heydeck aus Kumzoge mit
seiner Braut mit welcher er 30 Jahre im Koncubinate
gelebt Gertrude Nienke aus Kumzoge�.
Als ob dieses noch nicht ausreichte, seine Emp�rung
auszudr�cken, hat Pfarrer Neiss zus�tzlich noch
vermerkt, da� das Paar �vor der Trauung 30 (drei�ig)
Jahre in wilder Ehe gelebt� habe. Der Br�utigams war
zu dem Zeitpunkt �brigens 60 Jahre, die Braut sogar 68
Jahre alt.
Nicht erwartet h�tte ich, da� ich in den
Kirchenb�chern auch mehrfach Hinweise auf Scheidungen
gefunden habe. Welche Gr�nde um 1850-1870 zu einer
Scheidung f�hrten, bleibt zumindestens im Moment im
Dunklen.
Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Personen machen
mir manchmal die in Orten oft anzutreffenden
Familiennamen wie Besmen, Szikszneit, Gaigals,
Knurbien, besonders dann, wenn sie mit h�ufig
verwendeten Vornamen (z.B. Ancas, Jurgis, Maryke)
kombiniert werden.
�berhaupt geht die Schreibweise der Namen
durcheinander und auch der Gebrauch der
unterschiedlichen Formen eines Vornamen f�hrt immer
wieder zur Verwirrung und Unklarheit. Ein und dieselbe
(eindeutig identifizierbare) Person wird �ber die
Jahre in den verschiedensten Schreibweisen aufgef�hrt
(z.B. Ancas Besmen - Hans Besmens - Johann Besmehn
oder Jurras Gaigal - Jurgis Gaigals - George Gaigall).
Was l��t sich aus den Kirchenb�chern alles noch heraus
lesen?
Die S�uglings- und Kleinkindsterblichkeit ist hoch.
Viele Kinder �berleben die ersten Monate nicht.
Dramatisch wurde es, wenn Infektionskrankheiten
w�teten. Zum Beispiel sind im November und Dezember
1867 in Inse und Tawe mindestens 37 Kinder an Masern
gestorben, die meisten unter 3 Jahren. �hnlich
dramatische Folgen hatte die Pocken im Sommer 1871,
wobei an den Pocken auch �ltere Kinder und einige
Erwachsene gestorben sind. Im Jahr 1848 w�tete erst
Typhus (mindestens 25 Tote) und am Jahresende Cholera
(10 Tote) und auch das Jahr 1855 verzeichnet mit 151
Toten im Vergleich zu �normalen� Jahren eine mehr als
doppelte Anzahl von Sterbef�llen (Cholera 27 Tote).
Das, was man heute �Patchwork�-Familien nennt, war
h�ufig anzutreffen, nat�rlich aus anderen Gr�nden als
heutzutage. Verstarb ein Ehegatte, hat der andere
oftmals schnell wieder geheiratet. Eine verwitwete
Frau sicherlich um einen �Ern�hrer� f�r sich und ihre
Kinder zu haben, ein verwitweter Mann hatte h�ufig
noch minderj�hrige Kinder, die versorgt werden mu�ten.
Bei den weiteren Ehen waren erhebliche
Altersunterschiede zwischen den Ehepartnern nicht
selten. Es waren nicht nur die Witwer, die eine viel
j�ngere zweite oder dritte Ehefrau hatten, sondern ich
habe es auch mehrmals gesehen, da� eine Witwe um die
Vierzig mit mehreren minderj�hrigen Kindern einen
jungen Mann knapp �ber Zwanzig geheiratet hat.
Da� die Lebenserwartung im 19. Jahrhundert erheblich
niedriger als heute war, ist bekannt. Aber es war doch
erschreckend, bereits bei 55- oder 60j�hrigen als
Todesursache den Eintrag �Altersschw�che� zu lesen.
Andererseits gab es auch schon damals immer mal wieder
Personen, die erst jenseits der siebzig oder achtzig
Jahre verstarben.
Die verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb der
Orte waren nat�rlich eng. Bei den Bewohnern von Tawe
f�llt allerdings auf, da� diese, wahrscheinlich
aufgrund der Lage und der Wegeverbindungen,
vielf�ltige verwandtschaftliche Beziehungen in den
Kreis Labiau, besonders nach Nemonien (Elchwerder) und
Gilge hatten. Immer wieder stammt ein Ehepartner aus
einem dieser Orte, immer wieder ist zu sehen, da�
Paare in Gilge heiraten, obwohl sie in Tawe wohnen und
da� Kinder aus Tawe in Gilge getauft werden.
Die Kirchenb�cher erz�hlen auch viele traurige
Familiengeschichten, die sich aus der zeitlichen
Entfernung erst nach und nach enth�llen, wenn man die
getrennt aufgezeichneten Heiraten, Geburten und
Sterbef�lle in einen Zusammenhang stellt. Hier ein
Beispiel von vielen:
Der aus Nemonien stammende Jurgis Wingerninks,
�ltester Sohn des dortigen Fischerschulzen, ist 30
Jahre alt, als er 1863 die aus Gro� Inse stammende
25j�hrige Urte Gaigalike heiratet. Das Paar lebt in
Gro� Inse und in den n�chsten 10 Jahren werden 5
Kinder geboren, von denen bis 1873 zwei verstorben
sind. Zwei Monate vor der Geburt des j�ngsten Sohn
Miks im April 1873 ist der Vater im Alter von nur 40
Jahren an Lungenentz�ndung gestorben. Die Witwe mit
drei kleinen Kindern heiratet ein knappes Jahr nach
dem Tod ihres Mannes ein zweites Mal. Nun wird es
tragisch: keine zwei Wochen nach der erneuten Heirat
stirbt Urte Gaigalike an �hitzigem Fieber�. Was aus
den Kindern wird, ergibt sich nicht aus den
Kirchenb�chern, aber ich wei�, da� der j�ngste Sohn in
Tawe gelebt hat und hoch betagt um 1960 verstorben
ist.
Nat�rlich geben die Eintragungen in den Kirchenb�chern
auch Auskunft �ber die gesellschaftliche Stellung der
einzelnen Personen: Grundst�cksbesitzer (Wirth) oder
Losmann, die �rtlichen Honoratioren (Pfarrer,
Ortsvorsteher wohl aber auch der k�nigliche
Revierf�rster), Handwerker. Auch hier gibt es manches
Interessante
Viele Gr��e aus Kiel
Katharina (Schroeter)
Ich forsche im Kirchspiel Inse, Kreis(Elch-)Niederung mit dem Ziel der Erstellung eines Ortsfamilienbuches. Ich freue mich �ber Informationen zu den Orten INSE, TAWE, LOYE, PAIT und gebe sofern m�glich gerne auch Auskunft