Warum Namensänderungen?

Der häufigste Grund für eine veränderte Schreibweise von Namen ist immer
noch, dass der Beamte oder Pfarrer schrieb was er gehört hatte bzw. wie er
glaubte, dass ein Name geschrieben werden müsse, denn die Menschen sprachen
ihren regionalen Dialekt. Prüfen, ob richtig geschrieben worden war, konnten
durchaus nicht alle, denn auch noch bis tief ins 19. Jh. war Schreibunkunde
weit verbreitet.

Beispiele:

Smuda, Zmuda, Smude, Zmude, Szmuda, Szmude und auch mal eingedeutscht
Schmude, Schmudde – immer die gleiche Sippe

Ebenso:

Zioltk, Zoltk, Zioltek, Zoltek, Zoltkowski, Zioltkowski – immer die gleiche
Sippe

Liebe Listenleser,

die Ethymologie von Namen fasziniert mich, denn Name steht für Identität. Gerade in der wechselvollen Geschichte Ostpreussens hat es immer wieder Namensänderungen gegeben.

Der FN STEINAU wurde in den Dokumenten, die von Kämmerern und Pfarrern erstellt wurden auch ganz anders geschrieben:

STEHNAU oder STENAU.

In meinen Ohren höre ich jetzt den ostpreussichen Dialekt meiner Urgroßmutter, wie sie den Namen STEINAU ausgesprochen hätte - jeder hochdeutsch sprechende Beamte hätte garantiert daraus STENAU oder Ähnliches gemacht... kleines Marjellchen...

Was mich aber auch interessieren würde, ob es zu irgendeinem Zeitpunkt im 16. oder 17. Jahrhundert auch eine Polonisierung gegeben hat, mit der Folge, dass Familiennamen z. B. von Steinau in Stinski/Stinsky geändert worden sind, denn diese Namen finde ich in meinen Forschungsgebieten auch. Und die Vornamen sind überhaupt nicht aussagekräftig, weil irgendwie alle Johannes, Gottlieb, Michael, Amalie, Louise... geheißen haben.

Hat irgendjemand von Euch Forschungsergebnisse zu dieser Namens-polonisierung in Natangen?

Ansonsten bleibt es wohl dabei: Nicht geht über Forschen...

Herzliche Grüße an alle aus dem schönen Flensburg heute bei wunderschönem Sommerwetter,

Frank Steinau

Forschungsgebiete: Natangen mit Preußisch Eylau und Heiligenbeil
Orte: Worschienen mit Wormen, Kanditten, Rositten, Sangnitten, Augam, Arnstein und Tiefensee
Familiennamen: STEINAU (STENAU, STEHNAU), GRUBE, DÖBLER, MÖCK, SCHIRMACHER

Hallo Frank Steinau,

Viktor Haupt hat ja bereits Wesentliches zu niederdeutschen, hochdeutschen und polnischen/masurischen Namensformen ausgef�hrt. Polonisierungen deutsche FN sind in der Tat nur in Gebieten zu erwarten, die vor 1772 zum K�nigreich Polen geh�rten (k�nigliches Preu�en) und nicht in solchen, die im herzoglichen Preu�en lagen. Zum K�nigreich Polen geh�rte das katholische Bistum Ermland, Teile des Oberlandes und Westpreu�en. Natangen (n�rdlich des Ermlands) lag hingegen im herzoglichen Preu�en und dort bestand keinerlei Bedarf an der Umwandlung deutscher Namen. Auch f�r Masuren (ebenfalls im herzoglichen Preu�en gelegen und nicht im K�nigreich Polen) gab es keinerlei Anlass f�r Polonisierungen deutscher FN, eher schon f�r Germanisierungen polnischer/masurischer Namen, die sich aber oft darauf beschr�nkten, die als typisch polnisch empfundenen Namensteile abzulegen, die Namenswurzel aber beizubehalten. Ich habe neulich bereits meine m�tterlichen Vorfahren erw�hnt, die aus Masuren stammten. Deren FN kann als Beispiel dienen. Die Legende besagt, dass die Familie einst dem polnischen Landadel angeh�rt haben soll. Die urspr�ngliche Namensform sei Bogatzki gewesen. Die Mehrheit der Masuren waren bekennende Preu�en (obwohl sie untereinander einen polnischen Dialekt sprachen, das Masurische, von ihnen selbst 'Polnisch' genannt). Deshalb wurde Bogatzki (nach dem Verst�ndnis der Vorfahren) zu Bogatz "eingedeutscht". H�tten sie sich tas�chlich eingedeutscht, h�tten sie sich eigentlich 'Reich' nennen m�ssen. In verschiedenen Kirchenb�chern taucht nun seltener auch die Namensform Bogac (mit polnisch-masurischer Schreibweise des 'tz') auf, manchmal auch mit stimmlosem Anlaut: Pokatz. Interessant ist auch, dass noch anfangs des 20. Jahrhunderts (bis in die Zeit des 1. WK) die Schreibweise in den Adressb�chern des n�rdlichen Masurens f�r ein und dieselbe Person variiert: zun�chst Bogatz (der Name wurde deutsch mit langem 'o' gesprochen), dann aber auch Boggatz (slawische Aussprache mit kurzem 'o') und schlie�lich sogar Bogatsch (ein eindeutiges Missverst�ndnis bzw. eine sprachliche Missdeutung des Aufnehmenden).

Nur halb verstandene FN gab es aber auch bei der "�bertragung" von niederdeutschen in hochdeutsche Namensformen, wie das Beispiel Stehnke belegt. Stehnke/Steenke ist in der Tat ein niederdeutsche Name. Ihn in Steinke umzuwandeln, hei�t, die Aufgabe nur halb zu l�sen. Stehnke/Steenke m�sste komplett mit Steinchen verhochdeutscht werden. Was die Stehnau/Steinau-Geschichte betrifft, ist es so, dass das niederdeutsche Wort Stehn/Steen (= hochdeutsch Stein) in Ostpreu�en regional unterschiedlich ausgesprochen wurde: einmal mit langem 'e' (wie wir eben Stehn/Steen auch aussprechen w�rden) und andermal als Zwielaut 'ei' (ungef�hr so wie der englische 'ay'-Laut im Wort 'say'). F�r einen nur hochdeutsch sprechenden Pastor ist es da nat�rlich sehr schwer nachzuvollziehen, was eigentlich gemeint ist.

Gru�

Rolf-Peter