War: Ortsfamilienbücher in Mecklenburg

Liebe Mitforscher,

nachdem nun doch noch ein paar Meinungen eingegangen sind, möchte ich mal auf Eure Mails reagieren. Nachdem die meisten von Euch an der Sinnhaftigkeit von OFB keinen Zweifel haben, ist Reiner in seiner Mail ganz anderer Meinung. Ich habe Deine Mail mit Interesse gelesen, Reiner. Für Deine Meinung danke ich Dir und möchte auf einige Deiner Bemerkungen bzw. Einwände antworten:
Du schreibst:

Für meine Recherchen habe ich auch gedruckte OFB gelesen. In diesen OFB fehlten leider die Taufzeugen.

Es ist ein schwerer methodischer Fehler, die Taufzeugen wegzulassen. Da stimme ich Dir zu. Denn oft sind es gerade die Taufzeugen, die familiäre Zusammenhänge erst erkennbar machen. Oft sind es gerade die Taufzeugen, die die entscheidenden Hinweise liefern. Das habe ich oft genug bei der Erstellung meines ersten OFB gemerkt.

... hinzu das Daten vor ca 1820 eh mit Vorsicht zu benutzen sind. 99% der Betroffenen konnten damals ihre Einträge, die Pfaffen bzw Küster machten, wegen Lesen-Unkunde überhaupt nicht nachvollziehen. Zudem wurde der FN durch den Pfarrer nach Gehör in Buchstaben umgewandelt. Außerdem habe ich z.B. in ev KB Mecklenbg ein unehl. Kind, daß dann im Duplikat plötzlich ehelich wird. Damit fielen 150 Jahre Vorgenerationen weg. Auch zu Standesamtzeiten gibt es in meiner Forschung 2 Fehlbeurkundungen. Ich mußte viel Akribie aufwenden, um dies zu erkennen. lt. online Quellen ist einer meiner Urgroßväter mit 6 Jahren verstorben. Und wiederum dessen Vater schon mit 14 Jahren lt OFB. (Der Autor weiß nichts vom vorzeitigen Umzug des 14 Jährigen aus dem Bereich des OFB.)...

Ein Ortsfamilienbuch soll und will ja die Original-Quellen nicht ersetzen. Auch ein OFB enthält Fehler. Auch meins! Einem OFB- Autor können verschiedene Fehler unterlaufen. Das geht schon los bei unrichtigen Eintragungen durch die damaligen Pastoren aus den auch von Dir benannten Gründen, die vom OFB - Autor nicht erkannt, dann so im OFB landen können. Dazu kommen eigene Lese- und Zuordnungsfehler. Da kann man noch so gründlich sein. Es passiert doch...

Nach diesen Erfahrungen traue ich nur noch meinen Augen.

Richtig so! Man sollte also - so finde ich - ein OFB auch immer nur als Sekundärquelle betrachten und die Original-Quellen stets hinzuziehen! Da mein OFB nur gedruckt vorliegt, habe ich es nicht nur auf genealogy.net eingetragen, sondern nutze dort auch die Möglichkeit, Korrekturen und Ergänzungen abzulegen. Bisher kamen jedoch kaum Korrekturen von den Lesern meines OFB (was nicht ausschließt, dass solche noch kommen werden -und sie werden kommen!)

Zum Glück gibt es ja nun auch noch Forscher, die der Allgemeinheit die OFB kostenfrei zur Verfügung stellen. An dieser Stelle besonderer Dank an diese Menschen.

Auch ich danke denjenigen, die Online-OFB kostenlos im Netz einstellen. Tolle Sache! Auch weiß ich um die Vorteile dieser Art der Publikation - wie z.B. und insbesondere die Aktualisierbarkeit.

Im Gegensatz dazu erscheinen hier in den Listen eigenartigerweise meist gerade vor Weihnachten stets die kostenpflichtigen OFB Offerten. - Ahnendaten sind für mich Kultur. Und Kultur sollte für Alle nutzbar sein und nicht nur für Die mit dem dicken Geldbeutel.
Am Besten empfinde ich die Struktur von ancestry: Zum Suchen Transcribtion und zum Lesen das Original.

Ja, Ancestry ist toll - ist aber auch nicht umsonst. Auch die Filme bei den Mormonen, der Besuch im Archiv, all das kostet Geld. Wir alle wissen ja, dass dieses Hobby manchmal einiges kostet. Ich mag lieber nicht darüber nachdenken, was ich in den letzten Jahren für mein Hobby ausgegeben habe - es geht in die Tausende...
Ich hatte mich von Anfang an für ein OFB in gedruckter Form entschieden. Warum? Vielleicht, weil ich "altmodisch" denke. Ein Buch hält halt länger als eine CD. (Vielleicht auch ein kleines bischen Eitelkeit, mal ein Buch gemacht zu haben). Auch gefielen mir die Online-OFB in den allermeisten Fällen nicht. Denn auch bei diesen fehlten gelegentlich entscheidende Angaben, wie Taufzeugen und andere, wichtige Daten. Auch fällt bei den meisten Online-OFB der allgemein-historische Teil äußerst spärlich aus. (Dennoch möchte ich betonen, dass ich großen Respekt vor jedem OFB-Autor und seiner Arbeit habe!) Ein OFB in gedruckter Form lässt mir dann aber doch mehr Spielraum. So habe ich im OFB Poel einen ca. 80seitigen allgemein-geschichtlichen Teil eingefügt, dazu Lesehilfen, Abkürzungsverzeichnisse, Gefallenenlisten, Abgabenlisten, Pastorenbiografien, Hoffolgen, Grafiken, Karten usw. So habe ich versucht, dem OFB-Leser die Möglichkeit zu geben, die Daten auch im richtigen sozio-historischen Kontext zu lesen; sich ein Bild über das Kirchspiel zu machen, mehr über die Region zu erfahren.
Natürlich habe ich auch für mein OFB in verschiedenen Listen geworben, habe das Buch im Rahmen einer Veranstaltung vor ca. 70 Leuten vorgestellt, habe mir einen Reporter von der regionalen Presse dazugeholt usw. Ein Gewinnstreben hatte und habe ich übrigens nie dabei. Wer ein (gedrucktes) OFB erstellt, sollte sich zuallererst von dem Gedanken verabschieden, dass er damit Geld verdient. Das ist praktisch unmöglich. Ich hatte den Preis meines OFB dann auch so kalkuliert, dass ich die Druckkosten incl. Kosten für die Beleg-Exemplare wieder hereinbekomme. Fahrtkosten zu den Archiven, Kopierkosten und Kosten für Veröffentlichungsgenehmigungen für Karten usw. habe ich schon gar nicht mit einkalkuliert. Das hätte den Buchpreis so hoch getrieben, dass es unbezahlbar gewesen wäre.
Die ganzen finanziellen Voraus-Leistungen habe ich bewußt in Kauf genommen und beschwere mich selbstverständlich auch nicht darüber. Ich hab´s ja freiwillig gemacht. Genauso frei steht es dann auch jedem, ein solches OFB zu kaufen oder eben auch nicht. Erfreulich für mich war es, dass nach Erscheinen meines OFB viele offizielle Stellen das Buch erworben haben: Universitäts- Landes- und Regionale Bibliotheken, Stadt und Kreisarchive, Museen und Genealogische Vereine. Diese machten ca. 1/3 aller Käufer aus! Somit ist das OFB Poel zumindest für den Raum Mecklenburg an verschiedenen Stellen öffentlich für alle zugänglich und man braucht keinen "dicken Geldbeutel".
Zudem habe ich mit vielen (nicht allen) OFB-Interessenten vor dem angedachten Kauf Email-Kontakt gehabt, in dem ich nachgefragt habe, wie deren verwandtschaftliche Beziehung zu dem bearbeiteten Kirchspiel ist. Wenn sich dann abzeichnete, dass es sich nur um eine Familie handelt bzw. die Anzahl der Einträge in meinem OFB einen Kauf bei dem Preis nicht gerechtfertigt hätte, habe ich auch schon mal von einem beabsichtigten Kauf abgeraten und die wenigen Daten "einfach so" per Mail mitgeteilt. Das will ich auch weiter so handhaben. Wer nur einige Auskünfte aus dem OFB braucht, soll sie auch bekommen. (Das OFB Poel ist in zwei Bänden mit zus. 1.200 Seiten zu einem Preis von 69,50 Euro erschienen)
Übrigens ist die Motivation, ein OFB zu erwerben offenbar sehr unterschiedlich. Ich hatte sogar einen Käufer, der überhaupt keine Verwandtschaft auf Poel hat, aber unbedingt das Buch haben wollte - nur weil er da seit Jahrzehnten Urlaub macht und viele Familien kennt. Verrückt, oder?

Abschließend möchte ich sagen, dass ein OFB, egal ob online oder gedruckt, inhaltlich und qualitativ sehr unterschiedlich ausfallen kann. Das hängt sicher auch immer vom Anspruch des jeweiligen OFB-Autor ab und geht von praktisch unbrauchbar bis hin zu einer echten Forschungshilfe. Wo meines anzusiedeln ist, will ich nicht einschätzen. Das überlasse ich den Käufern/Lesern/Benutzern meines OFB. (und bin nach wie vor für jede Kritik zu haben!)
Aus meiner eigenen, ersten Erfahrung kann ich aber sagen: Das Erstellen eines OFB birgt den besonderen Reiz in sich, das zu bearbeitende Kirchspiel richtig gut kennen zu lernen. Wenn man idealerweise das eigene "Heimat-Kirchspiel" bearbeitet, lernt man viel über die sozialen Strukturen, das Leben damals und die Verhältnisse insgesamt. Es ist nicht damit getan, die Familien nur zu rekonstruieren, sondern auch vieles "zwischen den Zeilen" zu erkennen. Das macht es aus und hat mich motiviert, das nächste OFB in Angriff zu nehmen.

so, nu brennen die Finger vom Getippe...

An alle: ich bin auch weiter sehr an Eurer Meinung interessiert, da ich - wie schon geäußert - das Thema OFB für den Raum Mecklenburg weiter anschieben möchte.

mit besten Grüßen

Dirk (Schäfer)

Familienforschung auf der Insel Poel