Vz 1819

Moin Forscherfreunde,

eine allgemeine Frage zur Volkszählung 1819: Ich erlebe es in ca. 90% der Fälle, dass die Geburts-Daten aus der VZ 1819 z.T. erheblich (Monate bis Jahre) von denen der entsprechenden Kirchenbüchern abweichen (in meinem Falle Insel Poel). Ich habe schon das Gefühl, dass vieles sich nicht deckt. Meine Vermutung: Die Leute kannten ihren eigenen Geburtstag nicht oder nichtb genau bzw. der "Befrager" hat vielleicht auch etwas "geschlampt". Als Quelle kann ich die VZ 1819 wohl nur bedingt nutzen, oder?
Sind Eure Erfahrungen ähnlich?

beste Grüße

Dirk (Schäfer)

Familienforschung auf der Insel Poel

Hallo Dirk , hallo Kalle,
ein gesundes Neues Jahr w�nsche ich.
Ja diese Erfahrungen habe ich auch gemacht - mich aber dann auf die KB-Eintragungen verlassen. Das die VZ 1900 besser ist ja
auch klar, da es zu der Zeit schon Urkunden des Standesamtes gab und doch die meisten des Lesens und Schreibens m�chtig waren.
Au�erdem hatte ich schon des�fteren die �berlegung, ob jeder um 1900 noch in der Kirche getauft oder getraut worden ist und damit
im KB noch festgehalten wurde. Was meint Ihr?

Viele Gr��e aus Berlin
Doris

Hallo nach Mecklenburg

Vielleicht helfen die Erfahrungen mit den d�nischen Volksz�hlungen?

Von der Vz 1819 Mecklenburgs weiss ich nichts, aber bei uns (in DK) werden ja seit langem die Volksz�hlungen des Gesamtstaates (incl. Schleswig-Holstein -1864) f�r das Datenarchiv der Staatlichen Archive erfasst => Dansk Demografisk Database . Die Vz. 1801/03 und 1834/35 (jeweils K�nigreich und Herzogt�mer) sind 100% erfasst.

Die Forscher haben daraus u.a. Altersstatistiken erarbeitet, und eine Tendenz ist eindeutig: die Altersangaben h�ufen sich um die runden Zahlen: also werden �berm��ig viele Menschen als 50 oder 60-j�hrige usw. aufgef�hrt. Man meint, den Leuten war das Alter nicht so wichtig, nur die ungef�hre Altersangabe war gel�ufig.

Au�erdem schwanken bei Kindern die Altersangaben abh�ngig davon, ob man das aktuelle Lebensjahr mitz�hlte. Es gibt in den Vz keine Kinder im Alter von 0 Jahren, und ein einj�hriges Kind kann sehr wohl als 2j�hrig gef�hrt sein, weil es im 2. Jahr war. Und ab und zu war man sich nur in der Reinfolge der Kinder sicher - das Alter wurde dann gesch�tzt.

Wenn ich von den Vz. zur Kirchenbuchsuche gehe, breite ich deshalb die Suche nach einer Geburt auf eine Zeitspanne von 2-3 Jahren aus. Suche ich die Ehe der Eltern mit Ausgangspunkt im Alter des �ltesten Kindes, tue ich dasselbe, vielleicht um ein Jahr oder mehrere erweitert: au�er totgeborenen Kindern gab es ja auch voreheliche Kinder, die sp�ter in der Vz. als ehelich gef�hrt werden.

Nach meinem Wissenstand war das Alter wichtig f�r:
Konfirmation: man musste ein gewisses Alter erreicht haben und vor einem gewissen Alter musste man konfirmiert sein
�bernahme in die milit. Stammrollen
Ehe: vor einem gewissen Alter musste man (bei uns) eine k�nigliche Konzession haben
- hier war der Pfarrer f�r die Altersangabe zust�ndig
Beruf: erst ab einem gewissen Alter konnte man Kauf/Pachtvertr�ge eingehen

Danach war das Alter weniger wichtig.

mvG
Inger Buchard
D�nemark

Hallo Dirk,
Die gleichen Erfahungen habe ich auch gemacht. Selbst Ehen sind nicht immer in übereinstimmung mit den KB angegeben. Ich glaube allerdings, dass die Rufnamen recht gut mit der Realität uebereinstimmen und so eine hervorragende Quelle vorhanden ist. Hat jemand Erfahrungen mit der Zuverlaessigkeit der BeichtkinderVZ? Viele Gruesse, Ulrich KLIEBOLDT

-- Gesendet von meinem Palm Pre

Hallo Inger,
Gesundes Neues Jahr und vielen Dank f�r die mail und den wunderbaren link!
Ich stimme Deinen Ausf�hrungen zu.

Darf ich mal etwas anderes fragen? Was bedeutet das Wort /Inste/ ? Ist das eine Brufsbezeichnung?
�ber eine Information w�rde ich mich sehr freuen.

Herzlichen Dank
Gru�

Doris

Hallo Doris,
der INSTE ist ein Knecht. Kommt sogar ab und zu im Kreuzworträtsel vor.
Beste Grüße
Bernd

Hallo Bernd,
wunderbar - vielen Dank daf�r.

Gru�
Doris

Hallo Doris,
beginnen wir mit dem Wunsch f�r ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2012.

Nach meiner Ansicht ganz allgemein gemeint, nicht die damalige Zeit ( Datenerhebung um 1800) mit der heutigen Zeit vergleichen.
Frage nach Geburtsdatum halte ich f�r konkreter als die Frage nur nach dem Alter! Aber war damals das Geb-Datum/Geb-Ort usw. schon so wichtig (klar, kleine Ausnahmen gab es) und wer kannte diese schon auf dem "flachen Lande". Das Grunddokument war das KB mit seinen St�rken und Schw�chen und das lag beim Pfarrer und nicht beim B�rger.
Ich sage mir immer die damaligen Daten waren max. nur zu 95% sicher und nehme es nicht tragisch wenn bei den Vorfahren mal Differenzen auftreten. Mann kann ja schreiben geboren um...
Nat�rlich gab es um 1900 schon Trauungen nur vor dem Standesbeamten aus politischen, religi�sen o.a. Ansichten, aber das war bereits gesetzlich vorgeschrieben und nur dieser Akt war juristisch verbindlich.

MfG
Kalle

In Schleswig-Holstein ist ein Inste einer, der bei einem anderen Grundbesitzer/-pächter zur Miete wohnt. Er kann ein Inste mit Land oder einer ohne Land sein, und er hat einen eigenen Haushalt (eigenes Herd). Der Beruf: oft Handwerker (mein Ur-Ur-Grossvater war um 1810 Inste und Schneider) oder im Unterschied zu den Tagelöhnern fest beschäftigte Landarbeiter auf einem Gut (so: Gerholz-Kartei)

Inger

Hallo Dirk,
habe die gleichen Erfahrungen im Bereich Mecklenburg Schwerin, Grabow,
gemacht.
Grüße
Michael (Daxer)

Hallo miteinander,
und beste W�nsche auch von mir an alle, die es noch h�ren m�gen!

Kennt jemand �berhaupt irgendeine zeitnahe Quelle, wo berichtet wird, wie denn die VZL in Mecklenburg wirklich und �berhaupt abliefen? Zwischen offiziellen Anordnungen und tats�chlichem Geschehen liegen ja mitunter Welten...

Mir sind die originalen VZL in der Handschrift der jeweiligen Schreiber eigentlich zu homogen. Wenn sie in situ geschrieben worden w�ren (ein Beamter sitzt schreibend am Tisch, vor ihm bilden die zu z�hlenden Schafe eine Schlange und beantworten seine Fragen, sobald sie an der Reihe sind) sollte man eigentlich mehr "Pannen" erwarten d�rfen: Wechsel der Tinte, vom Erstschreiber korrigierte Verschreibungen (gelegentlich st��t man auf hdschr. Zus�tze aus teilw. sehr viel sp�terer Zeit), hier und da mal ein Tintenkleks oder ein Ausrutscher, weil irgendwer an den isch gesto�en war, hin und wieder ein Wechsel der Schreiberhand (auch ein Schreiber mu�te ja mal zum Klo) etc. etc. --- Ich habe eher den Eindruck, als wenn die �berlieferten Listen sp�tere "Reinschriften" sind und Vorformen wahrscheinlich nicht erhalten sind. Sollte dem tats�chlich so gewesen sein, m��ten wir nat�rlich jegliche Varianten von �bertragungsfehlern grunds�tzlich f�r m�glich halten.

Da� auch Kirchenbucheintr�ge nicht alleinseligmachend sein k�nnen belegen z.B. zeitgen. �berlieferungen, wonach es vereinzelt �blich war, da� die Frau des Pastors oder des K�stern in l�ngeren Abst�nden mal durch's Dorf lief und festzustellen versuchte, wer in den zur�ckliegenden Monaten den alles gestorben war, geheiratet hatte oder wo inzwischen welche Kinden geboren worden waren. Ziel der Datenerhebung war es, das Kirchenbuch zu erg�nzen, das mal wieder etliche Zeit besonders schlampig oder garnicht gef�hrt worden war. Mitunter findet man in KirchenBB auch Anmerkungen, wonach der alte Pastor �ber Jahre nicht mehr ins KirchenB eingetragen hatte und ein Nachfolger sich redlich bem�ht habe, die entstandene L�cke zu schlie�en. Da kann also auch alles M�gliche bei schief gegangen sein!

Was den Quellenwert der VZL angeht, so hatte ich mal eine Dame (leider dokumentiert mal solche h�schen Beispiele ja fast nie!), die 1867, 1890 und 1900 in der VZL stand und dabei von Liste zu Liste immer sp�ter geboren worden war. Dergleichen weibliche Eitelkeiten sind also durchaus keine Erfindung unserer Tage :wink:

Sch�ne Gr��e, Peter Starsy

Hallo zusammen,

Wikipedia schreibt zu Inste:

"Als Inste oder Instleute bezeichnet man einen vor allem für Nord- und
Ostdeutschland eigentümlichen Typus von Gutstagelöhnern auf den großen
Gütern. Eingebunden war dabei die ganze Familie. Den Höhepunkt ihrer
Bedeutung hatten sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ehe sie
allmählich von Lohnarbeitern verdrängt wurden.

Etymologie [Bearbeiten]Inste ist die niederdeutsche Form für Insasse. Im
Nordostdeutschen gibt es auch noch das Wort Instmann: Landarbeiter[1]. Damit
wurde seit dem 17. und 18. Jahrhundert eine Bevölkerungsgruppe bezeichnet,
die weder Land noch Wohnraum besaß und deswegen Wohnraum mieten musste".

Also ist wohl Gutstagelöhner genauer als Knecht, obwohl der Unterschied in
der Praxis wohl nur war, dass die Instleute auf größeren Gütern und nicht
bei einfachen Bauern arbeiteten.

Nochmals beste grüße
Bernd

Hallo,
vielen Dank f�r die Erkl�rung. Super gut verst�ndlich.

Gru�
Doris

Moin zusammen,

bei Wikipedia-Artikeln, egal, zu welchem Thema, ist allerdings grundsätzlich zu beachten, daß sie meist _nicht fehlerfrei_ sind (Fehler fachlich-sachlicher Art, aber auch weltanschaulicher und tendenziöser Art) und ihr Inhalt niemals kritiklos übernommen, sondern _immer gegengeprüft und hinterfragt_ werden sollte ...

Inger hatte immerhin eine inhaltlich etwas andere Erklärung vorgestellt, die ich selbst, aus eigener Ahnenforschung im Holsteiner Raum, als richtig bewerte.

Viele Grüße,
Jürgen

Aus Schleswig-Holstein von A bis Z:

Im 17. und 18.Jahrhundert entstand eine Schicht von Menschen, die weder Land
noch Wohnraum besaßen. Sie mußten Wohnraum mieten. Aus dem
mittelniederdeutschen "Insate" (Einsasse), also jemanden, der ein Haus
mitbewohnt, enstand der Begriff "Inste". Die Miete konnte durch Geld oder
Arbeit erbracht werden. Auf der Geest und in der Marsch war es üblich, das
Miete bezahlt wurde. In den ostholsteinischen Gutsbezirken ( Gut) kam es
nach Beginn der Agrarrefrom Ende des 18. Jahrhunderts, zur Beschäftigung von
reinen Deputatarbeitern, die statt Lohn Wohnung und Nahrungsmittel
erhielten. Auch sie wurden Insten genannt. Die Insten stellten die untere
Stufe der dörflichen Unterschicht dar. Unvollständige Familien, verwitwete
Frauen von Kätnern mit ihren Kindern, invalide Landarbeiter oder
Landhandwerker gehörten dazu.

Kommen sich damit die etwas unterschiedlichen Definitionen von INSTE wieder
etwas näher?

Viele Grüße
Bernd

Hallo J�rgen,

das betrifft nicht nur Wikipedia-Artikel sondern auch viele alte und neue Printmedien oder anderweitige Verbreitungsformen. Mit einer gesunden Portion Skepsis im Werkzeugkoffer war jeder historisch Beflissene noch immer gut beraten!

Sch�ne Gr��e, Peter Starsy

Moin Peter,

selbstverständlich ist man immer gut beraten, jegliche Aussage, welches Mediums und zu welchem Thema auch immer, zu verifizieren.

Ich bezog mich exemplarisch auf Wikipedia, weil zuvor von Bernd (Görtz) ein _Wikipedia_-Artikel zitiert wurde, mit nachfolgenden eigenen, etwas unsicher klingenden Interpretationen ("... wohl ..., ... wohl ..."). Einen vorsorglichen Hinweis zur grundsätzlichen Nutzung von Wikipedia-Artikeln vermißte ich irgendwie ...

Aus Doris' Antwort wiederum klang nur erleichterte Freude über die Verständlichkeit des Artikels heraus.

Das sehr dynamische, zu jeder Zeit online editierbare Medium Wikipedia ist insbesondere exemplarisch und _völlig anders_ als statische Druckmedien zu beurteilen, da Wikipedia-Artikel von jedem (aber durchaus auch anonym!) registrierten Nutzer unbekannter Intention, Wissenstiefe und -verläßlichkeit erstellt, bis zu x-mal täglich überarbeitet, verunstaltet und "verschlimmbessert" werden können.

Was habe ich da schon alles Unerfreuliche beim aggressiven Umgang diverser Nutzer mit fremden und meinen eigenen Artikeln erleben und lesen müssen und meine Mitarbeit schließlich vor Jahren eingestellt! Schade um die vertane, knappe Zeit, das muß man sich nicht antun. Zahllosen anderen Autoren erging es ebenso. Die Admins sind verständlicherweise überfordert - zeitlich, aber auch in fachlicher Hinsicht. Über solche wahrlich bei weitem nicht seltenen Vorfälle wird hin und wieder berichtet und nicht ohne Grund gibt es seit langem den Ausdruck des "Wikipedia-Wandalismus" (<http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Vandalismus&gt;, man lese dort auch mal die "Diskussion").

Für "arglose" Wikipedianutzer, die die zahllosen, oft weitestgehend inhaltlich guten bis sehr guten Artikelinhalte leicht _insgesamt_ für bare Münze nehmen und als absolutes Weltwissen betrachten, war daher mein Hinweis gedacht.

Viele Grüße,
Jürgen

Hallo an alle,

vielen Dank an alle, die sich zu dem Thema Volksz�hlung 1819 ge�u�ert haben. Ich hatte mir schon gedacht, dass die Unkorrektheiten der mich interessierenden Daten auch in anderen Orten vorkommen. �brigens sind die Poeler Kirchenb�cher (bis auf die ersten ca. 20 Jahre) nach meiner Einsch�tzung �u�erst gut lesbar und auch weitgehend inhaltlich korrekt und �ber weite Strecken auch sehr ausf�hrlich. Ich werde also beim Zuordnen der VZ-Probanden sehr vorsichtig sein und ggf. lieber mal auf eine Zuordnung verzichten.

beste Gr��e

Dirk

Familienforschung auf der Insel Poel

Moin Bernd,

danke für die Ergänzung.

Sowohl Ingers Erklärung von "Inste" also auch die hier von Dir wiedergegebene sollten auf jeden Fall den Wikipedia-Artikel ergänzen und abrunden ...

Viele Grüße,
Jürgen

Hallo Dirk und alle anderen Interessierten,

ich gebe etwas versp�tet (Urlaub) auch noch meinen Senf dazu:
Bei der VZL 1819 f�r Orte der Griesen Gegend habe ich ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass die angegebenen Geburtsdaten fast immer nicht mit dem KB �bereinstimmen und um Tage, Wochen, Monate oder einige Jahre abweichen. Allerdings gilt das weitgehend nur f�r die Einheimischen. Die Daten von Zugezogenen stimmen sehr oft (fast) genau mit den KB �berein. M�glicherweise lagen dem Z�hler in diesem Fall Unterlagen wie Geburtsscheine vor.

Gru�
Anne Schwarm

-----Urspr�ngliche Nachricht-----