Hallo Peter,
".Für das übrige Schlesien spielen wohl auch süddeutsche, niederdeutsche und
flämische Ströme eine gewisse örtliche Rolle."
Genau so ist es. So auch für meine Geburtsstadt Ratibor (OS) ist
beispielsweise eine beachtliche frühe flämische Einwanderung dokumentiert
worden, die in diversen Literaturquellen immer wieder betont wird.
".Der Hauptteil der deutschen Einwanderung erfolgt wohl ab dem frühen 13.
Jh."
Ja, das ist auf jeden Fall richtig, wobei zu betonen wäre, dass die
Einwanderung in Schlesien definitiv über mehrere Epochen verteilt und somit
in mehreren aufeinanderfolgenden Wellen verlief.
Pauschal kann man nun behaupten, dass die Kolonisation in etwa um 1163
begann (1175 Stiftung Kloster Leubus, ab 1201 entscheidende Förderung der
Einwanderung deutscher Siedler durch Heinrich I. von Schlesien) und sich in
verschiedenen Schüben immer fortsetzte, bis sie etwa Ende des 14.
Jahrhunderts zu einem vorläufigen Stillstand kam. Durch die Hussitenkriege
1419-1436 und durch wirtschaftliche Probleme kam es dann zu einem
Siedlungsrückgang.
Und dennoch gabs auch später weitere Einwanderungsschübe. An dieser Stelle
möchte ich gerne, nur als Beispiel, die relativ späte Einwanderung der
Hugenotten aus Frankreich, oder aber die der österreichischen Exulanten, die
meist protestantischen Glaubensflüchtlinge des 16. bis 18. Jahrhunderts, die
wegen ihres religiösen Bekenntnisses aus ihrer Heimat vertrieben wurden,
erwähnen.
Man muss stets nach den einzelnen Regionen Niederschlesiens differenzieren,
wenn man den Zeitpunkt der ländlichen deutschen Besiedlung festlegen will.
Während die Städte auch im östlichen Niederschlesien alle schon von der
mittelalterlichen Kolonisation erfasst worden waren, wurden die Dörfer
östlich von Oels vielfach erst später deutsch besiedelt. In der Region um
Neumittelwalde setzte der entscheidende Siedlungsschub erst im achtzehnten
Jahrhundert ein. So erfolgte dort ab 1742 eine verstärkte Ansiedlung von
Sachsen, Hessen, Württembergern und Tschechen durch Friedrich den Großen.
Friedrich der Große hat sich bemüht, niemals Menschen anzusiedeln, die aus
anderen preußischen Gebieten kamen, z.B. aus Brandenburg oder Pommern, da
es sein Ziel war, überall gleichermaßen die Bevölkerungsentwicklung zu
fördern. Deshalb kamen außer Zuwanderern aus Mittel- und Westdeutschland,
die Eisenhütten- und Glashüttenarbeiter- sowie Holzfällersiedlungen
anlegten, vor allem Protestanten aus Österreichisch-Schlesien und aus
Böhmen. Diese Siedlungen wurden bereits in den 40er Jahren angelegt.
Zu guter Letzt, die Einwanderung aus Hessen. Als Bauern wollten sich die
Oberhessen in Oberschlesien niederlassen. Dort aber erwartete sie
grenzenlose Enttäuschung: Man wollte keine Bauernarbeit von ihnen, sondern
sie sollten als Holzfäller, Köhler und Flößerarbeiten.
". Wie sehr die hessischen Auswanderer ins Ungewisse zogen, wie sie zu
vielen Malen nur neue Not gegen das alte Elend eintauschten, zeigen die
Forschungen von W. Würz über die oberhessische Auswanderung von 1772 nach
Oberschlesien. Von Friedrich d. Gr. gerufen, waren die Oberhessen auf
langem, beschwerlichem Wege schließlich in die endlosen Nadelwälder des
Oppelner Landes gelangt. Dort aber erwartete sie grenzlose Enttäuschung.
Man wollte keine Bauernarbeit von ihnen, sondern sie sollten als
Holzfäller, Köhler und Flößer den Brennstoff herbeischaffen für die
neuerrichtete Kreuzburger Hütte. Mit den fertigen Hofreiten, die man ihnen
Zugesagt hatte, war es auch nichts. Statt der versprochenen 40 Morgen
guten Ackerlandes erhielt jeder Siedler 16 Morgen Kiefernwald auf sandigem
Boden zum Roden. Aus dem Holz, das dabei abfiel, sollten sie ihre Häuser
bauen. Dabei stand der harte, ostdeutsche Winter vor der Tür. Viele von den
Oberhessen fielen der Unterernährung und Erkältungskrankheiten noch in
demselben Jahre zum Opfer."
Alles in allem war dies sicherlich ein sich über Jahrhunderte ziehende
dynamischer Prozess, der definitiv auch mannigfaltig, wenn auch meistens
ökonomisch motiviert war.
Nicht selten waren aber auch Kriege, wie bereits zuvor von Kurt (MÖBIUS)
erwähnt, die Auslöser einer Bevölkerungsmigration bzw. Auswanderungswelle.
In dem Buch "Der Dreißigjähriger Krieg und das Deutsche Volk" von Prof. Dr.
Dr. W. Abel und Prof. Dr. G. Franz, heißt es beispielsweise:
"S. 32 . Die Zahlen für ganz Böhmen widersprechen sich ungemein, Böhmen soll
vor dem Krieg in 782 Städten und 36 000 Dörfern 2,5 Millionen Einwohner
gehabt haben. Nach dem Kriege habe es noch 230 Städte und 6000 Dörfer
gegeben, in denen nur 700 000 Einwohner gelebt hätten. Von 150000
Bauernfamilien seien 1645 nur noch 30000 übrig gewesen. Dazu stehen die
Angaben aus einzelnen Herrschaften im Gegensatz. Zumal von einer so großen
Zahl wüster Städte und Dörfer kann nicht die Rede sein. Ich glaube, daß
STARK der Wahrheit näherkommt, wenn er nur einen Rückgang der Bauern um 17%,
von 150000 auf 124000 errechnet. Ja, es scheint, daß in manchen Gegenden
Böhmens in den Jahren 1670-80 die Zahl der öden Häuser größer war als
unmittelbar nach dem Kriege. >>Der hohen Steuern, vielfach aber auch noch
der Religionsverfolgungen wegen entwichen die Bauern und wandten sich vor
allem nach Mähren, in Nordböhmen nach Sachsen, der Lausitz und nach
Schlesien.<<
Doch ist auch die Annahme von STARK nicht richtig, der einen Rückgang der
Bauern von nur 17%, von 150000 auf 124000 errechnet. Nach den genauen
Angaben von PLACKT sank die Bevölkerungszahl in Böhmen von 1 700 000 auf 930
000, in Mähren von 810 000 auf weniger als 600 000, das entspricht einem
Bevölkerungsrückgang in Böhmen von 45%, in Mähren von 25%. In Mähren gab es
Städte, die (wie Nikolsburg) keinen Verlust aufzuweisen hatten, während in
Mährisch-Ostrau 1667 noch 52,4% der Häuser wüst lagen.
In manchen Gegenden Böhmens soll in den Jahren 1670-80 die Zahl der öden
Häuser größer als unmittelbar nach dem Kriege gewesen sein. >>Der hohen
Steuern, vielfach aber auch noch der Religionsverfolgungen wegen entwichen
die Bauern und wandten sich vor allem nach Mähren, in Nordböhmen nach
Sachsen, der Lausitz und nach Schlesien.<<
H. J. BEYER glaubt nachweisen zu können, daß der Krieg einen grundlegenden
Wandel in der Bevölkerungsstruktur des Landes bewirkt hat.<<
Die Angaben für die Grafschaft Glatz wiedersprechen sich. BLASCHKA rechnet
(S. 94) mit einem Bevölkerungsverlust von 50% der zweifellos zu hoch ist.
Auf S. 100 führt er einige Dörfer an, deren Wirte gegenüber 1606 stark
zurückgegangen seien. Statt 231 finden sich hier 183 Bauern. Der Rückgang
20%. In dem Kreis Landeck (einem Viertel des Landes), den er demgegenüber
als gut bezeichnet, sind die Bauern von 1147 auf 950 (17%) zurückgegangen.
Insgesamt liegen in der Grafschaft 1654 770 Häuser öde oder sind
eingefallen, während 7630 bewohnt sind (10%). Zu den verlassenen Stellen
gehören 2723 Strich Landes, zu den besetzten Stellen 71 167 Strich. Von
diesen sind 43000 mit Winter- und Sommerkorn besät, rechnet man das
Brachland hinzu, ist auch hier der Prozentsatz des wüstliegenden Landes
gering (vgl. a. S. 85). Im ganzen wird also der Rückgang in der Grafschaft
Glatz sicher nicht mehr als 20 % betragen haben, auch wenn zwei Dörfer
zeitweise ganz wüst lagen. W. DZIEWULSKI, "Zaludnienie i germanizacja ziemi
klodzkiej (Rocznik Kłodzki, 1, Kłodzko/Glatz 1948) rechnet mit einem
Bevölkerungsverlust von 24% für die Grafschaft, wobei er annimmt, daß der
Verlust in den Städten Glatz, Habelschwerdt bei 50%, auf dem Land nur bei
12% gelegen haben wird."
Mit besten Grüßen
Peter Przybilla