Von Ostpreußen ins Ruhrgebiet! Briefe etc?

Hallo,
ich habe mir vorgenommen, bei manchen Vorfahren, von denen ich nicht viel mehr als die Daten und Berufe weiß, Szenarien zu entwerfen, um ihren Lebensalltag zu beschreiben. Wenn ich die geschichtlichen Zusammenhänge weiß, kann ich sie am Beispiel meines Vorfahren konkretisieren und habe eine anschauliche Geschichte.

Einige meiner Vorfahren sind aus verschiedenen Gegenden Ostpreußens(Kreis Heiligenbeil, Lyck, Tilsit-Ragnit) um 1880 ins Ruhrgebiet gekommen. Es würde mit sehr helfen, wenn ich aus deren Briefen, Schilderungen ihrer sicherlich beschwerlichen Reise und ihrer neuen Umgebung zitieren könnte.
Leider besitzen wir solche Unterlagen nicht, und zur rechten Zeit hat niemand gefragt.

Jetzt meine Frage und Bitte:
Hat jemand Briefe bzw. Schilderungen von Leuten,. die im 19. Jahrhundert ins Ruhrgebiet abgewandert sind (woher auch immer)?
Oder eine Literaturempfehlung?

Dank im Voraus
Ursel

Hallo Ursel,
seit 2003 ist das Buch von Herbert Somplatzki "Masurische Gnadenhochzeit" auf dem Markt.
Herausgegeben wurde es vom Megalit-Verlag in Schmallenberg unter der ISBN 3-932037-06-5.
Die Herausgabe wurde unterstützt durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe, den Hochsauerlandkreis, den Kreis Soest und durch das Westpreußische Landesmuseum Münster.

mfG aus dem Sauerland
Mechthild Sieg

Hallo,
ich habe mir vorgenommen, bei manchen Vorfahren, von denen ich nicht viel mehr als die Daten und Berufe weiß, Szenarien zu entwerfen, um ihren Lebensalltag zu beschreiben. Wenn ich die geschichtlichen Zusammenhänge weiß, kann ich sie am Beispiel meines Vorfahren konkretisieren und habe eine anschauliche Geschichte.

Einige meiner Vorfahren sind aus verschiedenen Gegenden Ostpreußens(Kreis Heiligenbeil, Lyck, Tilsit-Ragnit) um 1880 ins Ruhrgebiet gekommen. Es würde mit sehr helfen, wenn ich aus deren Briefen, Schilderungen ihrer sicherlich beschwerlichen Reise und ihrer neuen Umgebung zitieren könnte.
Leider besitzen wir solche Unterlagen nicht, und zur rechten Zeit hat niemand gefragt.

Jetzt meine Frage und Bitte:
Hat jemand Briefe bzw. Schilderungen von Leuten,. die im 19. Jahrhundert ins Ruhrgebiet abgewandert sind (woher auch immer)?
Oder eine Literaturempfehlung?

Dank im Voraus
Ursel

Hallo Ursel und andere Interessierte Listenleser,
ich denke Du wirfst hier eine hochinteressante Frage auf.
Auch mein Urgro�vater Georg Heimert wird 12.02.1863 in Mecken Kreis
Stallup�nen (Ebenrode) geboren und heiratet schlie�lich am 13.04.1891 in
Mansfeld (Mansfelder Gebirgskreis). Bei seiner Heirat wird als Beruf
Bergmann angegeben, vermutlich im Kupferbergbau.
Mich bewegt schon l�nger die Frage, welche historischen Ursachen und
Hintergr�nde hatte die zu dieser Zeit stattfindende gro�e Abwanderung aus
Ostpreu�en in den mitteldeutschen Kupferbergbau und in das Ruhrgebiet? War
sie organisiert?
Auch interessiert mich, wann k�nnte er denn seine Heimat verlassen haben?
Gibt oder gab es zu dieser Zeit zwingend eine Abmeldung beim Amt oder
vielleicht Listen �ber angeworbene Bergleute?
Vielleicht k�nnten sachkundige Leser einmal dazu ihre Kenntnisse schreiben
oder auf Quellen verweisen, wo man sich schlau machen kann.

Einen guten Tag w�nscht
Ehrhard (Heimert)

Ich stimme dem zu, dass diese Frage hochinteressant ist.

Meine Vorfahren kamen einerseits aus Schlesien (Kattowitz) und andererseits aus Ostpreussen (Bereich Allenstein) um 1899 hier in die Stahlstadt Peine. Die Ilseder H�tte war zu dieser Zeit am Aufbl�hen, der Bergbau (Schacht Mathilde in Lengede d�rfte jedem ein Begriff sein), die Stahlwerke Peine und Salzgitter...

Die �bersiedlung d�rfte wirtschaftliche Gr�nde gehabt haben, zumindest hier wurden damals ganze Ortsteile (wie z.B. Neu-�lsburg direkt am H�ttengel�nde in Ilsede) aus dem Boden gestampft, um Platz zu schaffen f�r alle Zugezogenen, die hier Arbeit fanden. Es gibt einige Publikationen �ber die Ilseder H�tte, in denen auch die Geschichte dieser Familien geschildert wird.

In dem Buch *Peiner Alltagsgeschichten 1871 - 1914* finde ich z.B. Folgendes zu diesem Thema : *...das �nderte sich, als die Gesellschaft Ilseder H�tte und Peiner Walzwerk 1881 die Lizenz f�r das Thomasverfahren erwarb.....Aufgrund der technischen Neuerung begann das Walzwerk, �beraus kr�ftig zu expandieren.....Das Walzwerk wirkte wie ein Magnet.....Ein gro�er Teil der "Neu-Peiner" jedoch kam, insbesondere die nach 1890 zugewanderten, aus den �stlichen Provinzen des Deutschen Reiches. Die Neuank�mmlinge hie�en Kurpp oder Poweleit,Janczak, Krawczyk oder Kaczmarek und stammten aus Gumbinnen in Ostpreu�en, dem Kreis Krotischin in Posen oder den anderen gro�en Agrargebieten des Ostens. Auch sie waren Landarbeiter gewesen. Wie viele andere strebten sie in den Westen, um dem unfreien Leben unter der Gutsherrschaft, der unsicheren Existenz und der schlechten Bezahlung als Tagel�hner zu entgehen. Ein besseres Los erhofften sie sich dort, wo es eine wachsende Industrie gab, und gelangten so nach Peine. Einige hatten sich gleich mit Frau und Kindern auf den Weg ins Ungewisse begeben; andere wiederum warteten erst einmal ab, ob sie hier in Peine ein dauerhaftes Auskommen finden w�rden und holten erst sp�ter ihre Familien nach. Wenn man sich hier eingew�hnt hatte, schrieb man davon in die alte Heimat, und manch einer der Zur�ckgebliebenen �berlegte sich, ober er nicht auch nach Peine ziehen solle. Die Entwicklung Deutschlands vom Agrar- zum Industriestaat f�hrte in der Bev�lkerung zu einer Mobilit�t von bis dahin unbekanntem Ausma�. Die Menschen waren unterwegs quer durch das gesamte Deutsche Reich, um Arbeit in den neuen industriellen Ballungsgebieten zu finden...*

Quelle: Peiner Alltagsgeschichten 1871 - 1914 von Gerda Valentin, Herausgeber ist das Stadtarchiv der Stadt Peine. (�bringens ein sehr lesenswertes B�chlein �ber die damaligen Lebensumst�nde der einfachen Leute in einer Kleinstadt.)

Lieben Gru�

Nathalie

Hallo,
die Abwanderung steht im Zusammenhang mit der Aufhebung der Leibeigenschaft 1807.
Zu empfehlende Literatur:
- Preuss, Evalotte: Die ostpreußische Landarbeiterschaft, Kbg.1926, Staatswissenschaftliche Dissertation (über die Fernleihe erhältlich)
- Kossert, Andreas: Masuren, Ostpreußens vergessener Süden, Siedler, Berlin 2001

Beate

"Nathalie Tschirner" <nathalie.tschirner@htp-tel.de> schrieb:

Beate,

das ist sehr zu bezweifeln, da die Abwanderung sp�ter einsetzte. Im
Zeitraum von 1840 bis 1910 gab die Provinz Ostpreu�en 739 000 Menschen an
die Industrie in Westdeutschland ab. Die Einwohnerzahl Ostpreu�ens stieg im
etwa gleichen Zeitraum (1852-1910) von 1,531 Mio. auf 2,064 Mio. Der Grund
f�r die Abwanderung, insbesondere nat�rlich aus den wirtschaftlich nicht
ganz so weit entwickelten Landstrichen, lag in dem gro�en Bedarf an
Arbeitskr�ften in der sich entwickelnden Montan- und Schwerindustrie und den
damit verbundenen (im Vergleich zur Landwirtschaft) besseren
Verdienstm�glichkeiten. Nicht alle, die an dieser Binnenwanderung
teilgenommen hatten, blieben auf Dauer an ihren neuen Wohnpl�tzen. Eine
ganze Reihe wanderte wieder zur�ck, nachdem sie genug verdient hatten.

Literatur: Quante, "Die ostdeutsche Bev�lkerung in beruflicher und sozialer
Schau", in: Raupach und Quante, "Die Bilanz des deutschen Ostens", Kitzingen
1953

sowie sehr ausf�hrliche Literaturangaben (auch neueste, viele davon
polnisch) auf der Homepage des Herder-Instituts Marburg.

Evalotte Preuss' Dissertation kenne ich nicht, wohl aber Andreas Kosserts
Buch, das gut gemeint ist, sich aber leider stellenweise nicht gerade durch
Sachkenntnis auszeichnet.

Gru�
Rolf-Peter

Quoting Genealogie Heimert <genealogie@heimert.de>:

Hallo Ursel und andere Interessierte Listenleser,
ich denke Du wirfst hier eine hochinteressante Frage auf.
Auch mein Urgroßvater Georg Heimert wird 12.02.1863 in Mecken Kreis

In der Tat fanden Rekrutierungen von Bergbau-Arbeitern in Ost- und Westpreussen
statt. Dabei waren die Werber, wie auch im modernen Menschenhandel, nicht immer
Beauftragte der Unternehmen, sondern handelten oefters im eigenen Namen und zum
eigenen Geldgewinn. Es gibt meines Wissens keine verlaessliche
Gesamtdarstellung dieser Aktionen in der zweiten Haelfte des 19. Jahrhunderts.

Wenn die Vorfahren fuer den Kohlebergbau ins Ruhrgebier kamen, gibt es eine
gewisse Chance, doch noch Einzelheiten herauszubekommen.

Jeder Bergarbeiter musste von den Zechen in der Knappschaft
(Bergarbeiter-Krankenkasse) versichert werden. Das Archiv der Knappschaften ist
der Bundesknappschaft in Bochum angegliedert und ziemlich vollstaendig. Ich habe
bei meinen Recherchen ausgesprochen hilfsbereite Mitarbeiter angetroffen, die
mir Kopien der Knappschaftsunterlagen meines Urgrossvaters und meines
Grossvaters kopiert haben.

Aus diesen Unterlagen geht dann auf jeden Fall der Zeitraum der Beschaeftigung
und die Zeche/Standort hervor. Mit diesem Wissen und etwas Glueck kann man dann
zwei Faehrten aufnehmen, um weitere Informationen ueber diese Zechen zu
erhalten. (1) Bergbaumuseum in Bochum (2) Stadtarchive der jeweiligen
Zechenstandorte.

Auch die Einwohnermeldeaemter dieser Zechenstandorte koennen dann eine Fundgrube
sein, um z.B. Wanderungesbewegungen aufzuklaeren (falls die Daten der Zuwanderer
richtig erfasst wurden, enthalten die Meldeunterlagen Informationen ueber das
wann und woher; diese Recherche macht aber unter Umstaenden
Datenschutzprobleme).

In meinem Fall bin ich im Stadtarchiv Dortmund auf eine Reihe von interessanten
Hintergrundinformationen gestossen, die insbesonere das soziale Umfeld dieser
Zeit etwas erhellen. Meine Vorfahren meldeten sich zunaechst nicht an, was wohl
ein Indiz dafuer ist, dass die Uebersiedlung ins Ruhrgebiet nicht so ganz ueber
offizielle Bahnen gelaufen ist.

[Da ich im Augenblick auf Geschaeftsreise bin, kann ich leider keine
Anschriften/Telefonnummern heraussuchen; also bitte selbst nach
Bundesknappschaft im Telefonbuch/Internet suchen.]

Viel Glueck!

Rainer

Karin and Dr. Rainer Ibowski
Cochrane, Alberta, Canada
www.ibowski.ca

Hallo Ursel,

Jetzt meine Frage und Bitte:
Hat jemand Briefe bzw. Schilderungen von Leuten,. die im 19. Jahrhundert ins Ruhrgebiet abgewandert sind (woher auch immer)?
Oder eine Literaturempfehlung?

ich wei� nicht, ob deine Frage schon ausreichend beantwortet wurde, oder ich eine Antwort evtl. �berlesen habe, es gab ja einige.
Ich habe hier noch einen Buchtipp, allerdings habe das Buch selbst noch nicht gelesen, sondern mir selber nur auf meine Liste gesetzt. Es ist sicher �ber die Fernleihe zu bekommen:

Westfalen und Ermland; �ber die Auswanderung von R�ssel ins Ruhrgebiet von Adolf Poschmann

Vielleicht kann ja jemand aus der Liste weitere Angaben zu dem Buch machen.

Viele Gr��e,
Karen (Feldbusch)
http://visitenkarten.genealogy.net/_vkt_page.php?lng=xx&p=T&t=2255

Hallo liebe Mitforscher,

Auch ich habe bei meinen Vorfahren ein paar "Wanderer". Zu meinen Vorfahren habe ich bisher leider nicht viel erfahren k�nnen, da sie eben viel gewandert sind. Meine Familie GEHRKE kommt urspr�nglich aus Mitteldeutschland um ca 1800 und ist mit der Werbung von Arbeitern f�r den Bergbau gegen 1900 nach Bochum gewandert. Anschlie�end sind sie im Rahmen des Reichssiedlungsgesetzes und der Werbung von Landarbeitern nach Mecklenburg gegangen.
Damit werden die Forschungen deutlich erschwert und ich pers�nlich bin aufgrund dessen nicht gerade reichlich mit der M�glichkeit an Nachforschungen versorgt und auf reine Zufallsfunde angewiesen.

...
Sehr geehrter Herr Gehrke,

leider mu� ich Ihnen mitteilen, dass Meldeunterlagen aus der Zeit vor dem 01.06.1945 durch Kriegeseinwirkung vernichtet sind und somit eine Auslunftserteilung nicht m�glich ist.

MfG
Amt Bochum
...

Viele Gr��e und viel Gl�ck beim Forschen!!

Ein leicht deprimierter Mitforscher... Mario GEHRKE

Liebe Listenleser und alle, die zu oben genannter Anfrage sehr ausf�hrlich
geschrieben haben.
Herzlichen Dank f�r die unfassenden Ausk�nfte!
Nun kann ich mir ein besseres Bild von den Wanderungen meiner Vorfahren und
zugleich wohl ihrer sozialen Verh�ltnisse machen.
F�r mich, neben den Fragen nach objektiven Lebensdaten und
Familienzusammenh�ngen, eine sehr wichtige und interessante Frage zum Umfeld
meiner Vorfahren. Erst dadurch wird ja Genealogie so richtig interessant und
spannend.

Sch�ne Sonntagsgr��e
Ehrhard (Heimert)