VL 1870/71 Statistik

Hallo zusammen,

einige hier freuen sich ja über statistische Angaben zu unseren Quellen.
Hier habe ich ein paar Zahlen zu der Verlustlisten 1870/71.

Wo kommen die Soldaten her?
Die am häufigsten genannten Städte und Kreise sind:
Berlin 506
Kreis Sternberg 335
Kreis Königsberg 323
Cöln 293
Kreis Osterode 279
Kreis Insterburg 267
Kreis Mohrungen 249
Kreis Duisburg 241
Königsberg 235
Kreis Lebus 252
Kreis Bochum 232
Kreis Ortelsburg 229
Kreis Düsseldorf 223
Hamburg 219

Um was für Verluste handelt es sich?
Am häufigsten werden mit fast 75% Verwundungen gemeldet. Todesfälle sind
mit bisher 2.940 Meldungen mit 13% vertreten. Ohne Status haben wir 5%.

Erstaunlich ist, dass laut dem Wikipedia-Eintrag zum
Deutsch-Französischen Krieg 44.781 Soldaten auf Deutscher Seite
gestorben sein sollen. Wir haben etwa 1/3 der Liste erfasst und kommen
längst nicht auf diese Zahl. Aber vermutlich kommen die verlustreichen
Gefechte erst auf den späteren Seiten.

Schöne Grüße,
Jesper (Zedlitz)

Hallo Jesper,

danke f�r die Statistik. Diese ist allerdings - noch - ziemlich verzerrt.
Ursache 1): Von den aktuell 43 Erfassern haben nicht wenige (wie ich auch) "ihre" Regionen oder Einheiten vorgezogen. Das konnte ich gut sehen, als ich anfangs alle 2.000 Seiten durchgebl�ttert habe. Ein Kollege hat sich z.B. die Schleswig-Holsteiner geschnappt. Ein "Ostpreu�e" ist auch unterwegs. Das f�hrt dazu, dass z.B. der kleine Kreis Herford in Ostwestfalen �ber "mein" IR 15 derzeit rd. 160 Eintr�ge stellt, also nicht viel weniger als gro�e Hamburg.
Ursache 2): W�hrend Obiges mit der Zeit "herauswachsen" wird, gilt das f�r den Anteil der Verwundungen leider nicht. Der Logik von Compgen folgend, ist "geheilt" kein Status. Das hei�t, dass ein Soldat, der "s.v." war und dann als geheilt zum Regiment zur�ckgeschickt wurde ("war s.v., jetzt zur�ck"), ein weiteres Mal als verwundet zu melden ist. Und schon hat man einen Verwundetenfall mehr in der Statistik ... Nun gut, diese Diskussion lief gerade auf der Liste und ich m�chte das Fass auch nicht neu aufmachen, nur darauf hinweisen, dass die Gesamtstatistik so eben nicht aufgeht (schade, verpasste Chance ...).
Desto mehr man in den VL nach hinten kommt, desto mehr nehmen solche F�lle zu, andererseits aber auch die Todesf�lle infolge der Verwundungen. Das zeigt erneut die Art der K�mpfe und die lausige medizinische Nachversorgung ... Zusammen mit den gro�en Gefechten wird das die Zahl der Toten noch deutlich erh�hen, aber die fast 45.000 F�lle kommen mir noch spanisch vor.

Viele Gr��e
Thomas (Bauer)

Lieber Herr Dr. Zedlitz,

die Diskrepanz zwischen den Zahlen der Toten bei Wikipedia und den Verlustlisten lässt sich u.a. dadurch erklären, das die VL nur die "blutigen" Verluste melden, also nur solche Soldaten, die in einem Gefecht – oder durch andere Feindeinwirkung – getötet oder verwundet oder nach einem Gefecht vermisst wurden. Nicht aufgenommen sind alle die Soldaten, die an Seuchen oder anderen Krankheiten verstorben sind. Ebenfalls nicht aufgenommen sind in der Regel die Soldaten, die an den Folgen ihrer Verwundung nach Feststellung der Invalidität und Entlassung oder nach längeren Lazarettaufenthalten in der Etappe oder der Heimat verstorben sind.
Details zu den Verlustzahlen finden sich in dem Buch: von Ernst Engel „Die Verluste der deutschen Armeen an Offizieren und Mannschaften im Krieg gegen Frankreich 1870 und 1871“. Berlin 1872.

Engel war Direktor des Kgl. preuß. Statistischen Büros und hatte in der "Zeitschrift des Statistischen Büros" auch schon über die Verluste 1866 geschrieben ( Ernst Engel „Die Verluste der königlich preussischen Armee an Offizieren und Mannschaften, Aerzten und Krankenträgern während des Feldzuges 1866.“ in: Zeitschrift des Königlich Preussischen Statistischen Bureaus 6 (1866), Seite 226 – 260 und Ernst Engel „Die wahren Verluste der königl. preussischen Armee im Kriege des Jahres 1866.“ in: Zeitschrift des Königlich Preussischen Statistischen Bureaus 7 (1867), Seite 157 – 167). Im übrigen ist er vermutlich im Kriegsministerium bei der Erstellung der Verlustlisten oder im "Central-Nachweis-Büro" tätig gewesen.

Im Armeeverordnungsblatt finden sich dazu noch 1872 viele Aufrufe von Truppenteilen, die immer noch nach Informationen über das Schicksal von vermissten Soldaten fragen.

Im Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem gibt es 36 Militärkirchenbücher, die Tote der Jahre 1870/71 verzeichnen und 3 Garnisonkirchenbücher aus der Okkupationszeit bis 1873. Es handelt sich hierbei vermutlich um die Kirchenbücher von Divisionspfarrern und Lazarettpfarrern. Sie enthalten möglicherweise auch die Namen von an Krankheiten verstorbenen Soldaten.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Christoph Surkau

-----Original-Nachricht-----

Hallo zusammen,

hier sind mal wieder aktuelle Zahlen zu den Verlustlisten 1870/71:

Wo kommen die Soldaten her? Die am h�ufigsten genannten St�dte und
Kreise sind:
Berlin 1241
Kreis Sternberg 455
Kreis K�nigsberg 445
Kreis Osterode 425
Kreis Lebus 423
C�ln 388
Kreis Ortelsburg 355
Kreis Mohrungen 342
Kreis Hagen 320
K�nigsberg 306
Kreis Breslau 302
Dortmund 295
Liegnitz 290
Insterburg 290

Die Verzerrung durch Interessensschwerpunkte wurde ja schon erw�hnt. Man
sieht das jetzt daran, dass sich die Zahlen f�r Hamburg sowie die Kreise
Duisburg, Bochum, D�sseldorf so gut wie gar nicht ver�ndert haben und
jetzt nicht mehr auf der Liste stehen.

Der Anteil der Verwundungen ist etwas zur�ckgegangen und liegt nun bei
66%. Todesf�lle sind mit 15700 Meldungen immer noch mit 13% vertreten.
Die Eintr�ge ohne Status haben mit 12% deutlich zugenommen.

Sch�ne Gr��e,
Jesper (Zedlitz)

Hallo Jesper,

wurde mal per Stichprobe gepr�ft, inwiefern die Eintr�ge "ohne Status" sinnhaft sind? Da man "ohne Status" in der Suchmaske nicht gezielt suchen kann, habe ich einfach mal den h�ufigen Namen M�ller genommen und mir den ersten ohne Status auf der Liste angesehen. SIehe da, gleich ein Volltreffer: als geheilt zur�ck zur Truppe. Da "geheilt" kein Status ist, h�tte er als "verwundet" erfasst werden m�ssen, wie hier (!) auf der Liste klargestellt wurde (Verlustlisten 1870/71 Preußen und Baden, page 235_1: Müller Ad. (null))
Der zweite: der n�chste Treffer. Auch der h�tte wohl "V." sein m�ssen (Verlustlisten 1870/71 Preußen und Baden, page 193_5: Müller Adolph (null)).
Der dritte M�ller "ohne Status": der dritte Volltreffer (Verlustlisten 1870/71 Preußen und Baden, page 230_1: Müller Albrecht (null))
Nun gut, genau genommen k�nnte der zweite auch "vermisst" gewesen sein und notfalls h�tte man den offen gelassen. Gleichwohl: Drei willk�rliche Proben, mindestens zwei klare Fehler, das liest sich nicht vertrauenserweckend gegen�ber "ohne Status", sondern eher so, als wenn nicht alle Erfasser diese Liste lesen.
Jetzt lie�e sich nat�rlich noch einwenden, dass die beiden Herren auch krank gewesen sein k�nnten. Dann d�rften aber umgekehrt viele auf "geheilt" basierende "verwundet"-Eintr�ge falsch sein ...

�berhaupt ist Vorsicht geboten bei der Interpretation der Gesamtzahlen. Nehmen wir nur mal den Herrn B�ffing aus dem Dorf Bergheim. Erst ist er vermisst, dann verwundet, dann tot. Also: 1 x B�ffing, aber 3 x Eintrag in der Liste ... :slight_smile:

Joseph Wilhelm B�ffing, Bergheim/H�xter, 3. Westf�lisches Infanterie-Regiment Nr. 16, 2. Bataillon, 8. Kompanie, Gefecht bei Mars-la-Tour am 16. August 1870, vermisst (Liste Nr. 62)

http://des.genealogy.net/search/show/10698935

Musketier Johann Wilhelm B�ffing, Bergheim/H�xter, Westf�lisches Infanterie-Regiment 16, 2. Bataillon, schwer verwundet (Schuss in das rechte Knie und den linken Unterschenkel) (Liste Nr. 72)

http://des.genealogy.net/search/show/10450061

Musketier Johann B�ffing, Westf�lisches Infanterie-Regiment Nr. 16, 8. Kompanie, todt, gestorben am 5. Oktober 1870 in Mars-la-Tour (Liste 205)

http://des.genealogy.net/search/show/10635575

Der Unteroffizier Robrech*t aus Bergheim wird "unbekannt verwundet*" (Verlustlisten 1870/71 Preußen und Baden, page 061_6: Robrecht Franz (Bergheim)) und bekommt, nach W�rzburg gebracht, noch mal diesen Eintrag (Verlustlisten 1870/71 Preußen und Baden, page 226_7: Robrecht Franz (null)). Hingegen wird der <search.selectProject;

*Musketier Engelmann, Friedrich* "leicht verwundet" (Verlustlisten 1870/71 Preußen und Baden, page 147_4: Engelmann Friedrich (Bergheim)), bleibt aber bei seiner Heilung "ohne Status" (Verlustlisten 1870/71 Preußen und Baden, page 219_3: Engelmann Friedr. (null)). T�cken der Statistik ... <search.selectProject;

Viele Gr��e
Th. Bauer

wurde mal per Stichprobe gepr�ft, inwiefern die Eintr�ge "ohne Status"
sinnhaft sind?

Systematisch �berpr�ft haben wir diese Eintr�ge soweit ich wei� noch nicht.

Da man "ohne Status" in der Suchmaske nicht gezielt
suchen kann, habe ich einfach mal den h�ufigen Namen M�ller genommen und
mir den ersten ohne Status auf der Liste angesehen. SIehe da, gleich ein
Volltreffer: als geheilt zur�ck zur Truppe. Da "geheilt" kein Status
ist, h�tte er als "verwundet" erfasst werden m�ssen, wie hier (!) auf
der Liste klargestellt wurde

Nein, bei "geheilt" bleibt das Statusfeld leer. So ist es in den
Editionsrichtlinien
<http://wiki-de.genealogy.net/Preußische_Verlustlisten_1870-71&gt;
(ganz am Ende der Seite) beschrieben. Der gefundene Eintrag ist also
richtig erfasst worden.

Sch�ne Gr��e,
Jesper (Zedlitz)

Hallo Jesper,

es gibt zweierlei "geheilt"-Angaben, mit und ohne Nennung des vorherigen Status. Auskunft - hier auf der Liste, Ende Juni - auf meine entsprechende Frage:

Oder Joseph Wagner (Eintrag darunter) [gemeint: unter http://des.genealogy.net/search/show/10536065\]: war s.v., jetzt zur�ck. Da

es "geheilt" oder "zur�ck" ja nicht gibt, habe ich ihm ein s.v. gegeben

Richtig!

Die Editionsrichtlinien gehen auf den einen Fall nicht ein (sondern nur auf den ohne vorherigen Status). Folgerichtig w�re, solche F�lle zu behandeln wie die in den Richtlinien eine Zeile h�her genannt ("nicht tot, sonder xyz ..." - L�sung: es gilt der letzte Status). Bei einem Erfassungsstand von 3/4 wird es wohl nicht sinnvoll sein, die Richtlinien noch entsprechend zu erg�nzen. Ich r�ume aber freim�tig ein, mich auf das "Richtig!" verlassend, bei Fall 2 den Status nicht leer gelassen zu haben ... :wink:

Viele Gr��e, Thomas (Bauer)

Nachdem die Erfassung der abgeschlossen ist, habe ich eine neue Zählung
durchgeführt.

Wo kommen die Soldaten her? Die am häufigsten genannten Städte und
Kreise sind:
Berlin 1.667
Kreis Sternberg 661
Kreis Lebus 661
Kreis Königsberg 590
Kreis Osterode 438
Kreis Dortmund 422
Kreis Liegnitz 410
Cöln 406
Kreis Breslau 392
Kreis Sorau 367
Kreis Hagen 364
Kreis Luckau 360
Kreis Rothenburg 359
Kreis Ortelsburg 357
Kreis Sagan 357

Um was für Verluste handelt es sich? Am häufigsten werden mit
64% Verwundungen gemeldet. Todesfälle sind mit 19.862 Meldungen
(12%) vertreten. Ebenfalls 12% werden als vermisst verzeichnet. Ohne
Status haben wir 16%. Sonstige Statusangaben spielen kaum eine Rolle.

Bei den Dienstgraden tauchen nur relativ wenige Dienstgrade sehr häufig auf:
Füsilier 38.938
Musketier 36.920
Grenadier 17.757
Gefreiter 17.265
ohne 10.989
Unteroffizier 9.509
Kanonier 4.018
Jäger 3.577
Seconde-Lieutenant 3.234
Wehrmann 2.569
sonstige 15.706

Schöne Grüße,
Jesper (Zedlitz)